5. Mai 2014

Zur Restaurierung der Hermannstädter Stadtpfarrkirche

Die Restaurierungsarbeiten, die zurzeit im Dachbereich der Hermannstädter Stadtpfarrkirche – nach einem Projekt des Architekten Liviu Gligor und des Bukarester Ingenieurbüros Popp & Asociați – laufen, haben dazu geführt, dass der Kirchenraum für die Gemeinde geschlossen wurde. Die größtenteils EU-finanzierten Arbeiten sollen 2014 abgeschlossen werden. In einer zweiten Phase ist vorgesehen, die Kirchenwände zu konsolidieren und den Innenraum zu restaurieren. Dafür haben das Hermann­städter Architekturbüro ARHIMUS, Architekt Mihai Țucă, und das Ingenieurbüro Popp & Asociați, Bukarest, Anfang März ein Projekt der Hermannstädter Kirchenleitung übergeben und am 13. März dem Stadtpfarrer Kilian Dörr und 14 Mitgliedern der Gemeindevertretung vorgestellt. Architekt Dr. Hermann Fabini geht im Folgenden auf zwei unterschiedliche denkmalpflegerische Konzepte zur Restaurierung der Statdpfarrkirche ein.
Um die derzeitige Situation zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick auf die Entwicklungen der letzten sieben Jahre nötig. 2007 hatte der Klausenburger Statiker Ing. Szabó Bálint festgestellt, dass in der Stadtpfarrkirche in hohem Maße Einsturzgefahr bestünde. In einem Artikel der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. September 2007 mit dem Titel „Pro und kontra Einsturzgefahr. Expertenstreit um die Hermannstädter Stadtpfarrkirche beschäftigt die Süddeutsche Zeitung“ wurde auf das Gutachten Szabó und die damit verbundene Einsturzgefahr hingewiesen. In einer Eingabe vom 16. August 2007 an die Hermannstädter Kirchenleitung und das Landeskonsistorium hatte ich darauf hingewiesen, dass hier „der Versuch unternommen wird, durch das Präsentieren eines Horrorszenarios von eminenter Einsturzgefahr, die Kirchenleitung in möglichst umfangreiche Ausgaben hinein zu ziehen“.
Südfassade der evangelischen Stadtpfarrkirche ...
Südfassade der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt, 2011. Foto: Hermann Fabini
Im erwähnten Artikel vom 20. September 2007 wurde die Sanierung von Stadtpfarrer Kilian Dörr auf 700000 Euro beziffert. Er schloss mit der Feststellung: „In jedem Fall aber muss ein zweites Gutachten erstellt werden – und zwar am besten von Experten jenseits der sieben Berge Transsilvaniens, um jeglichen Zweifel an deren Unparteilichkeit auszuschalten.“

Im Herbst 2007 wurde in der Kirche, nach Anweisungen von Ing. Szabó, zur Sicherung der einsturzgefährdeten Gewölbe, ein großes Holzgerüst aufgestellt. 2008 erstellte der Brandenburger Architekt Dr. Achim Krekeler, zusammen mit dem Statikbüro Krämer aus Berlin, ein Restaurierungsprojekt für Dach und Gewölbe. In der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 4. Februar 2009 wurde darüber berichtet, unter anderem auch, dass von der „zur kompletten Sanierung benötigten Summe von schätzungsweise 4,5 Millionen Euro rund ein Viertel vorhanden ist.“ Nach einer Kontroverse betreffend die Verwendung von Eisenbeton bei der Konsolidierung der Gewölbe und der Sicherung im Dachstuhlbereich, die von einem Bukarester Experten und der Firma Popp & Asociații verlangt wurde, zog sich Dr. Krekeler aus dem Projekt zurück. Die Planung wurde daraufhin an den Architekten Liviu Gligor und dasselbe Bukarester Ingenieurbüro Popp & Asociații übertragen.

Am 15. Oktober 2010 wurde der Finanzierungsvertrag für 2,3 Millionen Euro von der Kirchenleitung und den zuständigen staatlichen Stellen unterschrieben. Im Sommer 2011 erstellte das Münchner Ingenieurbüro Barthel & Maus ein komplettes, 88 Seiten starkes statisches Gutachten, dessen Schlussfolgerungen von dem Bukarester Ingenieurbüro, das die weitere Planung durchgeführt hat, nicht berücksichtigt worden sind. Aufgrund der EU-Finanzierung wurden die Arbeiten 2011 begonnen und sollen in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Nordfassade, Zeichnung aus dem Projekt Popp & ...
Nordfassade, Zeichnung aus dem Projekt Popp & Asociații.
Für die zweite Projektphase, die Wände, Fassaden und den Innenraum betreffend, wurden die oben erwähnten Planer vertraglich verpflichtet. Dieses Projekt soll nach seiner Genehmigung als Antrag zur Förderung durch eine EU-Finanzierung eingereicht werden.

Sieht man sich die Planungsunterlagen der zweiten Phase etwas genauer an, ergibt sich folgendes Bild: Es wurde ein Kostenvoranschlag von 12,593 Millionen Euro vorgelegt, in dem für Restaurierung des Architekturbereichs 20%, für statische Konsolidierung 46% und für Steinrestaurierung 22% der veranschlaggten Summe vorgesehen sind. Die restlichen 12% entfallen auf die Restaurierung der Glasfenster, Holz- und Metallgegenstände, Wandgemälde und Möbel, elektrische Installationen, Heizung u.a. (genauere Angaben unter www.patrimonium-saxonicum.ro unter Presse und Be­richte).

Da die Konsolidierungsmaßnahmen fast die Hälfte der vorgesehenen Kosten ausmachen, werden sie im Folgenden kurz beschrieben: Im Oktober 2009 wurde ein technisches Gutachten von den Bukarester Ingenieuren Dr. Ing. Traian Popp und Prof. Dr. Ing. Mircea Crișan erstellt, das vorsieht, die Konsolidierung der Kirche in zwei Etappen durchzuführen: 1. Dach und Gewölbe, 2. Wände, Fundamente und teilweise Gewölbe. In der 1. Etappe wurden folgende Arbeiten ausgeführt: Einbau von Zugankern, Gießen von Betongurten, hölzerne und Betonbögen auf der Außenseite der Gewölbe sowie Dachreparatur. Angesichts der fehlenden Homogenität der Materialien und der ursprünglichen Konzeption ist der Grad der seismischen Sicherung für das ganze Ensemble nicht schlüssig. So wird vorgezogen, jedes einzelne Element entsprechend zu sichern. Um dieses zu realisieren, sehen die Planer die Verbreiterung der Fundamente vor. Um den Transfer der Kräfte aus „der semirigiden Scheibe im Dachbereich“ auf die Fundamente zu gewährleisten und die Stabilität der Wandmauern zu erhöhen, wird vorgeschlagen, in den Wänden 9900 vertikale und horizontale Bohrungen durchzuführen, in denen Stahlstäbe mit einem Durchmesser von 28 mm eingebaut werden. Diese Maßnahmen erklären den hohen Kostenanteil der statischen Sicherung (rund 2000 Kubikmeter Beton und 300 Tonnen Stahl).

Die Vorschläge im Architekturbereich sehen das Abschlagen von ca. 9500 qm Verputz, neue Verputzarbeiten von über 14000 qm und ca. 950 qm neue Steinfußböden vor. Leider lässt die Dokumentation nicht erkennen, wie diese, aus meiner Sicht relativ großen Quantitäten zustande kommen, da keine Vorausmessungen im Projekt enthalten sind. Das gilt auch für die 2,8 Millionen Euro, die für Steinrestaurierung vorgesehen sind (auch hier gibt es genauere Angaben unter www.patrimonium-saxonicum.ro, Bericht).

Es scheint sinnvoll, die hier kurz beschriebenen Eckdaten der zweiten Phase des Projektes Stadtpfarrkirche Hermannstadt mit dem Projekt von Dr. Krekeler (2008) und dem Gutachten von Barthel & Maus (2011) zu vergleichen. Das Projekt von Dr. Krekeler, Generalplanungs- und Ingenieurgesellschaft mbH, Brandenburg, das im Auftrag der Evangelischen Kirche A.B. Hermannstadt, am 31. Juli 2008 erstellt wurde, geht von einer konstruktiven Ertüchtigung und Reparatur der historischen Konstruktionssysteme aus und kommt zum Schluss: „aus Respekt vor der historischen Substanz sollten Beton und Stahl möglichst nicht zum Einsatz kommen“. In Bezug auf Mauerwerk und Fundamente wird festgestellt: „Der statische-kons­truktive Zustand des aufgehenden Mauerwerks ist weitgehend schadensfrei. ... Beobachtungen am Bauwerk lassen nicht auf Baugrundprobleme schließen, da keine typischen Rissverläufe zu erkennen sind.“ Bei einem Gesamtkostenaufwand von 4,5 Millionen Euro sind im Projekt Krekeler 17% für Außenwände, 25% für Innenwände 12% für Decken, 16% für Dächer, 18% für technische Anlagen, Ausstattung und Kunst, Außenanlagen, verschiedene Maßnahmen – und die restlichen 12% für Baunebenkosten vorgesehen. Diese Kostenstruktur lässt sehr klar das unterschiedliche Konzept im Vergleich zum vorher beschriebenen Projekt erkennen.

Hier noch einige Auszüge aus einer Stellungnahme vom 28. November 2011 des Ingenieurbüros Barthel & Maus, Beratende Ingenieure GmbH, Prof. Dr.-Ing. Rainer Barthel und Dr.-Ing. Helmut Maus, München. Aufgrund eines komplexen Gutachtens vom September 2011 wird zur Planung für die Dachkonsolidierung von Popp & Asociații in einem Schreiben vom 28. November kritisch Stellung genommen: „Unsere Berechnungen zeigen, dass schon der Einbau der Zuganker in Höhe der Gewölbekämpfer annähernd die gleiche Wirkung hat wie die angedachte Aussteifung mit Betonringankern.“ An anderer Stelle wird festgestellt: „Eine nach den rumänischen Erdbebenrichtlinien erforderliche‚ vollständige Sicherungsmaßnahme würde zudem zu großflächigen und gravierenden, in denkmalpflegerischer Hinsicht total inakzeptablen Eingriffen in das Baudenkmal führen.“

Aus dieser kurzen Beschreibung der unterschiedlichen denkmalpflegerischen Konzepte (Stadtpfarrer Dörr meint auf der Internetseite http://hermannstadt.evang.ro/stadtpfarrkirche: „Hier prallten zwei Kulturen aufeinander, die sich trotz zeit- und geldintensiven Bemühungen des Presbyteriums nicht in Einklang bringen ließen.“) ergibt sich die Frage: Wie soll es weitergehen? Soll man sich, trotz besserem Wissen, dem Diktat der vorhandenen, in vielen Punkten fragwürdigen Planung fügen und das Risiko eingehen, dass einerseits die relativ hohe Summe eventuell nicht genehmigt wird, oder wenn ja, die Kirche „in denkmalpflegerischer Hinsicht total inakzeptablen Eingriffen in das Baudenkmal” (Gutachten Barthel & Maus) ausgesetzt wird und für längere, möglicherweise unbestimmte Zeit nicht benutzt werden kann? Oder unternimmt man den Versuch, doch zu einer Planung zu gelangen, die, aus meiner Sicht, den heute in den meisten Ländern Europas geltenden Regeln der Denkmalpflege gerecht wird? An dieser Entscheidung sollten sich alle Sachsen beteiligen, und zwar nicht nur jene von „jenseits der Wälder“. Es geht hier um den verantwortungsbewussten Umgang mit unserem Kulturerbe, um das „Patrimonium Saxonicum“.

Dr. Hermann Fabini

Schlagwörter: Denkmalpflege, Hermannstadt, Kirchenrenovierung

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Neueste Kommentare

  • 06.05.2014, 08:46 Uhr von gogesch: Ich bin sehr froh das Herr Fabini seine Meinung veröffentlicht hat und hoffe das diese nicht ... [weiter]
  • 05.05.2014, 18:58 Uhr von getkiss: "Haben die die gleiche Kirche untersucht?" Nee, die wollen eine Neue bauen....aus Stahlbeton, im ... [weiter]
  • 05.05.2014, 14:43 Uhr von gogesch: Dr. Krekeler (2008): „Der statische-kons­truktive Zustand des aufgehenden Mauerwerks ist weitgehend ... [weiter]

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