13. März 2016

Wehrlose Wehrbauten, trutzig und zerbrechlich

Die traurigen Ereignisse in Radeln und Rothbach zeigen einmal mehr, wie dringend die Notmaßnahmen und wie drastisch die Konsequenzen sind, wenn jene unterlassen werden. Das Thema ist kein neues, seit vielen Jahren ist dem geneigten Betrachter der kritische Zustand vieler unserer Baudenkmäler ins Auge gestochen. So hat Peter Jacobi schon 2006 in seinem Buch „Bilder einer Reise“ mit äußerst eindrücklichen Bildern auf den fatalen Zustand vieler Kirchen hingewiesen. Dieses Jahr erscheint eine neue erweiterte Auflage des Bildbandes.
Der eingestürzte Chor von Wölz ist ein wenig in Vergessenheit geraten, auch geschah es 1999, in einer Zeit, als es dieses wieder erwachte, neu entdeckte Interesse an den Kirchenburgen noch nicht gab. In Wölz ist kürzlich ein Teil der Mauer in den anliegenden Garten umgekippt, was zu einer Anzeige des Eigentümers gegen das Bezirkskonsistorium führte. Es wurde ein Bußgeld verhängt und das Ultimatum gestellt, innerhalb von sechs Monaten die Anlage zu konsolidieren. Selbst ein Abriss war angedacht, wäre aber ohne Genehmigung des Kulturministeriums juristisch nicht durchsetzbar gewesen. Nun hat sich das Bürgermeisteramt von Baaßen angeboten, die Kirchenburg zu übernehmen und deren Sanierung mit EU-Geldern zu finanzieren.
Probeschnitte haben gezeigt, dass die ganze ...
Probeschnitte haben gezeigt, dass die ganze Kirche in Schmiegen mit Fresken ausgemalt ist, doch wurde erst ein kleiner Teil freigelegt. Fotos: Alexander Kloos
Dobring stellt einen besonders tragischen Fall dar, ist doch die Kirchenburg in den letzten zehn Jahren derart vandalisiert worden, dass im Kirchensaal kein einziger Splitter Holz mehr zu finden ist und er im Sommer als Kuhstall dient. Dabei ist die Kirchenburg von Dobring eine der besonderen Wehrbauten. Die Anlage ist durch ihren Umbau zu einer der eigenartigsten Wehrkirchen Siebenbürgens geworden und stellt ein Unikat dar, um nur den „Turm im Turm“ zu nennen: eine besondere Lösung der Wehrbarmachung, bei der der alte Glockenturm in einem Abstand von zwei Metern ummantelt wurde und innerhalb des neuen Wehrturmes komplett erhalten geblieben ist.
Kirche in Schmiegen: Durch die fehlende Drainage ...
Kirche in Schmiegen: Durch die fehlende Drainage hat die eindringende Feuchtigkeit Mauerwerk und Boden stark in Mitleidenschaft gezogen.
Daneben gibt es eine Unzahl von besonders schützenswerten mittelalterliche Dorfkirchen und Kirchenburgen, die ebenfalls stark gefährdet und manche kurz vor dem Einsturz stehen. Abtsdorf bei Mediasch, Abtsdorf bei Agnetheln, Denndorf, Dobring, Draas, Wermesch, Magarei, Keisd, Stolzenburg, Weingartskirchen, Törnen, Bußd bei Mediasch, Ungersdorf, Großkopisch, Reußen, Salzburg, um nur einige zu nennen. Wesentlich kürzer wäre die Liste der sich in gutem Zustand befindlichen Anlagen. Daneben gibt es noch eine große Anzahl derer, die wenigstens kleinere Reparaturen am Dach benötigen, um ihren Zustand zumindest zu wahren und gravierenderen Schäden der Bausubstanz entgegenzuwirken.
Der alte romanische Glockenturm in Dobring steht ...
Der alte romanische Glockenturm in Dobring steht im Inneren des Wehrturmes und trägt teilweise das Dach.
Besonders erhaltenswert sind auch Kirchen in katastrophalen Zustand, wie Durles, Schmiegen, Niemesch, Bonnesdorf, in denen sich absolut fantastische Fresken und Wandmalereien erhalten haben. Auch diese stellen einen enormen kulturhistorischen Wert dar und es wäre ein nicht wieder gut zu machender Verlust an dem Kulturerbe, falls man diese nicht rettet und schützt. Schon 2007 wurden in der verfallenen Kirche von Senndorf Teile der einzigartigen Fresken gesichert und in das Museum von Bistritz gebracht. Sie stellen eine Kopie der Szene von Navicella dar, von der weltweit nur noch drei weitere existieren. Der Kunsthistoriker Zsombor Jékely hat hierzu aktuell einen interessanten Artikel (in englischer Sprache) verfasst (Heritage in Danger – A Medieval Copy of the Navicella in Transylvania, online veröffentlicht am 25. Februar 2016 unter http://jekely.blogspot.de/2016/02/). Auf einer Konferenz der István Möller Foundation am 18. Februar 2016 in Budapest wurde neben Senndorf auch ein Forschungsprojekt vorgestellt, das darauf abzielt, die Kirchen in Mittel- und Nordsiebenbürgen zu vermessen und zu dokumentieren. Eine Reihe von Gebäuden wurde bereits erfasst. An mehreren Stellen untersuchten Restauratoren auch die Wände der Kirchen nach etwaigen mittelalterlichen Wandmalereien, die in diesen Kirchen noch nicht aufgedeckt wurden.
Massive Risse ziehen sich über die gesamte Höhe ...
Massive Risse ziehen sich über die gesamte Höhe des Chores der evangelischen Kirche in Abtsdorf bei Marktschelken.
Ebenso gibt es Inventar, wie vorreformatorische Altäre, barocke Orgeln, Renaissance-Chorgestühl, Taufbecken, Steinmetzarbeiten etc., von hohem kunst- und kulturhistorischem Wert. Man muss immer wieder staunen, was sich so ein kleines Bauerndorf an handwerklichen Meisterleistungen geleistet hat, seien es die Steinmetzarbeit des Andreas Lapicida an der Sakristeitür und Tabernakel in Meschen oder der Altar des Vincentius Cibiniensis in Taterloch. Nicht zuletzt ist es auch das, was die siebenbürgisch-sächsischen Denkmäler umso wertvoller macht und Besucher anzieht. Auch die ursprüngliche und authentische Ästhetik der Bauwerke spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Umso trauriger, wenn diese durch unsachgemäße Restaurierung zu Schaden kommen oder gar verschwinden, wie z.B. der Torturm in Jakobsdorf bei Agnetheln, der bis fast zur Unkenntlichkeit modifiziert wurde.

Mit dieser Masse an Kunstschätzen vor Augen scheint es etwas fragwürdig, sich auf die Rekonstruktion eines Turmes wie in Rothbach zu konzentrieren, die mehrere hunderttausend Euro kosten würde. Ein solches Budget könnte beispielsweise in die Sicherung der zehn- bis zwanzigfachen Menge an bedrohten Kirchen investiert werden. So hat der Verein Kulturerbe Kirchenburgen e.V. dieses Jahr eine Konsolidierung der stark gefährdeten Fresken in Bonnesdorf in Absprache mit dem Bezirkskonsistorium Mediasch beim Restaurator Lorand Kiss in Auftrag gegeben. Im Rahmen der Arbeiten findet auch ein Workshop für Restauration statt.
Die Freske in der Kirche Bonnesdorf zeigt die ...
Die Freske in der Kirche Bonnesdorf zeigt die Szene "Der Sturz in die Dornen der 10 000 Märtyrer". Die Freske befindet sich im fortgeschrittenen Zustand des Verfalls und muss dringend konsolidiert werden.
Es ist dringend ein umfassendes Projekt vonnöten, bei dem sowohl der bauliche Zustand der Kirchen erfasst und dokumentiert wird, als auch regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Nur so kann man die richtigen Prioritäten setzen und den Überblick bewahren. Ein Vorbild hierfür ist beispielsweise „Monument Watch“ aus den Niederlanden. Ein solches Unterfangen ist durchaus als Gemeinschaftsprojekt verschiedener HOGs, Vereine und Institutionen umsetzbar.

Alexander Kloos

Schlagwörter: Kultur, Kirchenburgen, Renovierung

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Neueste Kommentare

  • 13.03.2016, 11:07 Uhr von Melzer, Dietmar: Solche schöne Wandmalereien gibt es auch in Streitfort/Repser Ländchen, blos hat sie noch niemand ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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