21. Juni 2016

Erkenntnisse aus den Lokalwahlen in Rumänien

Bukarest – „Der Anti-Korruptionskampf ist abgewählt.“ Mit diesen markigen Worten kommentiert das Online-Portal Hotnews das Ergebnis der jüngsten Kommunalwahlen in Rumänien. Zahlreiche Bürgermeister und Kreisratsvorsitzende, gegen die strafrechtliche Ermittlungen wegen Korruption oder Amtsmissbrauch laufen, aber auch bereits verurteilte und sogar in Haft einsitzende, wurden wieder in ihre Ämter gewählt: An der Spitze der Sozialdemokratischen Partei (PSD) steht Liviu Dragnea, der im April wegen Wahlbetrugs zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden ist.
Die PSD hat – mit Senatorin Gabriela Firea mit 42,97 Prozent der Stimmen als neue Oberbürgermeisterin von Bukarest – in der Landeshauptstadt in allen sechs Sektoren den Sieg davongetragen.

In Baia Mare wurde mit 70 Prozent der Stimmen ein Bürgermeister wiedergewählt, der wegen Bestechung in Untersuchungshaft einsitzt. Aus der Zelle heraus versprach er, sich noch mehr für die Stadt zu engagieren. In Kronstadt, Craiova und Tulcea wurden Bürgermeister in ihren Ämtern bestätigt, die wegen Korruption angeklagt sind. Der neue Bürgermeister von Râmnicu Vâlcea hatte dieses Amt schon einmal innegehalten und anschließend dreieinhalb Jahre in Haft verbracht. Staatpräsident Klaus Johannis äußerte sich entsprechend enttäuscht über das Wahlergebnis. Ausdrücklich rügte er die Aufstellung und Wahlbestätigung strafverfolgter oder verurteilter Kandidaten.

Das Comeback der PSD vor allem in Bukarest ist dem Abstieg der National-Liberalen Partei (PNL) zu verdanken. Ein Debakel hatte sich diese bei der Präsentation ihrer Kandidaten für das Bukarester Oberbürgermeisteramt geleistet: Der erste stolperte über ein Plagiat, der zweite über eine Korruptionsaffäre, der dritte war ein Rechtsextremer und ehemaliger Securitate-Spitzel. Der vierte, Cătălin Predoiu, musste sich schließlich mit zwölf Prozent begnügen. PNL-Chefin Alina Gorghiu wurde erstmals von den eigenen Kollegen öffentlich der Lüge bezichtigt, nachdem sie in einem TV-Gespräch nach der Wahl behauptet hatte, alle PNL-Filialleiter der Hauptstadt seien bereits zurückgetreten.

Dem Antrag der Partei Rettet Bukarest (PSB) auf eine Wiederauszählung der Stimmen für Wahllokale im ersten Bezirk der Hauptstadt hat das Zentrale Wahlbüro nicht stattgegeben. Für die erst im Dezember 2015 gegründete PSB war die Französin Clotilde Armand angetreten, die seit Kurzem die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt. Die 42-jährige Managerin, die sich vorgenommen hatte, gegen die Korruption zu kämpfen, landete nur auf Platz zwei. Neben den sehr guten Ergebnissen im Kreis Hermannstadt (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 6. Juni 2016, Seite 1 und 6) verzeichnete das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) auch ein gutes Ergebnis im Kreis Kronstadt – eine bedeutend bessere Bilanz als in der vorangegangenen Amtszeit. Statt mit nur sechs Kreisrat- bzw. Stadtratsmitgliedern wird das Forum in Zukunft mit 15 Ratsmitgliedern vertreten sein. Im Kreisrat werden Wolfgang Wittstock und Caroline Fernolend walten, im Kronstädter Stadtrat Cristian Macedonschi und Arnold Ungar. Letzterer wird auch bei den Verhandlungen zur Nominierung der beiden Vizebürgermeister ins Gespräch gebracht.

Zu einer Fraktion im Kronstädter Stadtrat „Für ein europäisches Kronstadt, eine grüne Stadt in Bewegung“ schlossen sich das Kronstädter Forum, die Ökopartei PER und die Partei der Volksbewegung (PMP) zusammen. Sie widerspiegelt das Wahlergebnis, nach dem es in Kronstadt keine politisch dominante Kraft gibt. Die Fraktion, mit sechs Vertretern nun die drittstärkste Kraft im Stadtrat, will mit PNL und PSD Verhandlungen zu einer Mehrheitsbildung führen.

Im Banat hat das Forum in den Kleinstädten Busiasch, Detta und Sanktanna Stadträte, in den Großgemeinden Billed und Schag Gemeinderäte. Landesweit setzte sich die PSD mit 37,58 Prozent nur wenige Monate vor der im Herbst anstehenden Parlamentswahl gegen die PNL mit 31,93 Prozent durch (ALDE: 6,31, UDMR: 5,33, PMP 4,27, UNPR 2,86 Prozent). Die PSD stellt landesweit 1 667 Bürgermeister, die PNL 1 081, der Ungarnverband 195, ALDE 64, UNRP 26 und PMP 18. Insgesamt wird die politische Landkarte damit als ziemlich ausgeglichen bezeichnet.

Einige Medien interpretieren die Niederlage der PNL bei den Lokalwahlen allerdings als mögliche Trendwende im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen. Die geringste Beteiligung an den Kommunalwahlen seit 24 Jahren zeugt immerhin von einer Ernüchterung der Wähler: In Bukarest gingen nur 33 Prozent zur Wahl, landesweit waren es etwa 50 Prozent. Vor eineinhalb Jahren hatte stattdessen eine Rekordwahlbeteiligung dem von der PNL unterstützten Klaus Johannis den Sieg bei der Präsidentschaftswahl beschert.

NM

Schlagwörter: Kommunalwahlen, Politik, Forum

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