25. Juli 2017

Ein Neubeginn in Siebenbürgen: Beratungsstelle des Forums

Sehnsucht nach Siebenbürgen – nach den endlosen grünen Hügeln, den verschlafenen Dörfern und Kirchenburgen, den Storchennestern auf den Dächern? Frustriert in der Rente, beruflich in der Sackgasse – und noch Mut für einen Neubeginn? Oder einfach Lust auf ein bisschen mehr Abenteuer, den Knick im Lebenslauf als persönlichen Kick? Es mag viele Gründe geben, die einmal ausgewanderte oder in Deutschland geborene Siebenbürger Sachsen mit der alten Heimat liebäugeln lassen. Doch wie reell sind die Chancen, sich vor Ort in Rumänien tatsächlich ein Standbein zu schaffen?
Einer, der es wissen muss, ist Wolfgang Köber, Pfarrerssohn aus Groß-Alisch, in Hermannstadt aufgewachsen und 1995 nach Deutschland (Bayern, Nordrhein-Westfalen) ausgewandert. Zehn Jahre später trieb es ihn wieder zurück. „Es war die Neugier, etwas Neues auszuprobieren“, gesteht der damalige Beschallungstechniker, dessen Düsseldorfer Firma ihm die Chance bot, den Vertrieb für eine Schwesterfirma in Bukarest auszubauen. „Zunächst sollte es nur für 2-3 Jahre sein, das hat sich dann auf unbestimmte Zeit verlängert“, sagt Köber, der von Anfang an die Chancen in Rumänien glaubte. „Für mich war Michael Schmidt ein großes Vorbild“, erinnert er sich. Den Unternehmer, der kurz nach der Wende ein Firmenimperium in der Automobilbranche aufgebaut hat (MHS Truck & Bus Group, Automobile Bavaria Group), hatte er beim Einbau einer Beschallungsanlage in die neue Hauptzentrale von BMW kennengelernt. „Ich habe viel von ihm gelernt und mir Mut machen lassen“. Heute lebt Wolfgang Köber mit seiner Frau Doris, einer nie ausgewanderten Sächsin, in Hermannstadt. Als Angestellter von BMW, aber auch selbst frischgebackener Unternehmer, ist der rührige „Rückkehrer“ nun auch Vorbild für jene, die den Schritt nach Siebenbürgen wagen möchten.

Beratungsstelle für den Neubeginn

Köber und Schmidt sind keine Einzelfälle. In der Tat liebäugeln einige Siebenbürger Sachsen mit der alten Heimat – auch wenn man nicht von einem Trend sprechen kann, doch das alte Tabu des „Zurückkehrens“ mit dem Stigma des in Deutschland Gescheiterten ist am Bröckeln. Da es reelle Marktnischen und berufliche Chancen gibt, hat das Siebenbürgenforum beschlossen, eine Beratungsstelle für Rückkehrwillige einzurichten. Hauptansprechpartner ist Wolfgang Köber. Finanziell unterstützt wird das Projekt von der Michael Schmidt Stiftung.

Wolfgang Köber. Fotos: George Dumitriu ...
Wolfgang Köber. Fotos: George Dumitriu
„Wir wollen Siebenbürgern Mut machen, sich etwas zu trauen, sie beraten, Leitfiguren aufzeigen, Kontakte herstellen“, erklärt Michael Schmidt. „Wir machen keine Startups, aber wir können den Weg dahin erleichtern, in wirtschaftlicher Richtung und auch kulturell“, ergänzt Köber. Mut machen, überprüfbare Vorbilder liefern, Networking – so lauten die Zauberwörter, wenn es darum geht, rückkehrwillige Siebenbürger Sachsen zu beraten. Denn viele fragen sich: Was werden die Freunde sagen? Bin ich ein Versager in Deutschland und gehe deswegen zurück? „Das gibt es bei den Bundesdeutschen nicht, die prüfen pragmatisch, und wenn es wirtschaftlich okay ist, dann machen sie es“, meint Schmidt.

„Es ist auch wichtig, zu sehen, dass immer mehr Organisationen – das Rumänisch-Deutsche Forum, das Deutsch-Rumänische Forum, das Siebenbürgenforum – an einem Strang ziehen“, präzisiert der Großunternehmer. An Leitfiguren mangelt es nicht: „Martin Müller mit der Softwarefirma Sobis und seinem Tourismus“, beginnt Köber , „Matthias Krauss bei Aquador: der hatte Anfang der 90er Jahre angefangen, in Großau Säfte zu produzieren, und hatte eine schwere Zeit, hatte sich dann umorientiert auf Wasser und das funktioniert sehr gut“, und „Simon Maurer, der in der tiefsten Krise ein neues Immobilienprojekt gestartet hat“.

Chancen und Marktnischen

Chancen gibt es im Dienstleistungsbereich, in der Technik, oder bei deutschen Investoren, die ortskundige Leute mit beruflichem Wissen suchen. „Die Nachfrage nach gutem Personal ist sehr hoch. Vor allem erfahrene Mitarbeiter, die viel Know-how mitbringen, haben hier sehr viel bessere Chancen als in Deutschland, wo man ab 50 karrieremäßig in die zweite Liga gehört“, betont Köber. Auch Marktnischen sind noch zu entdecken: „Die Perspektive ist hier besser als in Deutschland, wo schon alle Geschäftsfelder ­abgedeckt sind“, meint der junge Rückkehrer, der zwar noch bei Michael Schmidt angestellt und in zahlreiche Projekte der Stiftung involviert ist, doch mittlerweile auch den Sprung in die Selbständigkeit gewagt hat. Seit Kurzem betreibt Köber das Restaurant Hochmeister in Hermannstadt, das seine Frau derzeit erfolgreich managt. „Hermannstadt war kulinarisch ein bisschen vernachlässigt“, begründet er diese Entscheidung. „Letztes Jahr wurde es als kulinarische Hauptstadt 2019 gekürt – doch die Jury letzten September meinte, bis dahin sei noch ein langer Weg“, holt er aus. „Dass die angebotenen Speisen relativ überschaubar und die Qualität wenig zufriedenstellend war, hatte auch er beobachtet. „Deshalb entschlossen sich meine Frau und ich, das lokale Speisenangebot etwas zu ergänzen. Mit unserem Konzept ermöglichen wir es den Gästen, eine kulinarische Reise um den Globus zu machen, aber auch Spezialitäten aus der siebenbürgisch-sächsischen Küche zu kosten: Hackbraten, Rinderzunge mit Weichselsoße oder Topfenknödel.“

Michael Schmidt ...
Michael Schmidt
Doch dies ist nur eine von vielen Aktivitäten. Nach wie vor arbeitet Köber mit Begeisterung für Michael Schmidt, etwa als Projektleiter für in Hermannstadt und Bukarest zu errichtende neue Zwei- bis Vier-Sterne-Hotels. Eine weitere Aufgabe ist der Ausbau des Tourismusprojektes in Deutsch-Kreuz und Umgebung. „Dort müssen Sie unbedingt mal hin, es ist sehr schön geworden“, schwärmt Köber.

Welche Qualitäten braucht man für einen Neustart in Rumänien? „Man muss viel Idealismus und Opferbereitschaft mitbringen, man muss es aus Spaß oder Überzeugung tun“, betont Michael Schmidt. „Nur auf das Finanzielle zu schielen, wäre zu kurzfristig.“ Es ist auch nicht so, dass der Erfolg vom Himmel fällt. „Andererseits gibt es in Rumänien in allen Bereichen Wachstumspotenzial, nicht nur in der IT-Branche“, fügt er an.

Die Idee der Beratungsstelle geht auf das Siebenbürgenforum zurück und richtet sich gezielt an Siebenbürger Sachsen (andere Bundesdeutsche können sich an die Handelskammer oder den Deutschen Wirtschaftsclub wenden). Was den Einstieg erheblich einfacher macht, ist, dass man „zu den Sachsen noch aufschaut, wir haben noch Vorbildfunktion“, erklärt Köber. Nicht selten hört man: „Wie gut war es damals, als die Sachsen noch hier waren“. Von der politischen Hetzkampagne einiger Medien gegen die deutsche Minderheit oder reißerischen Schlagzeilen über Rumänien sollte man sich nicht beeindrucken lassen, darin sind sich beide einig. In zehn Jahren werde man Rumänien ohnehin nicht mehr wiedererkennen – im positiven Sinne, davon ist Michael Schmidt überzeugt. „Ich bereue keinen einzigen Schritt und kann anderen nur Mut machen“, schließt Wolfgang Köber.

Nina May

Informationsstelle des Forums: „Eine Zukunft in Siebenbürgen“

Sie fragen sich, welche Chancen Siebenbürgen und Rumänien heute bieten? Das Siebenbürgenforum hilft Ihnen beim Einstieg und hat eine Informationsstelle eingerichtet. Ansprechpartner: Wolfgang Köber, Telefon: (0040) (0)7 28 98 95 77, E-Mail: zukunft [ät] siebenbuergenforum.ro.

Schlagwörter: Siebenbürgen, Wirtschaft, Siebenbürgenforum, Forum, Aktion, Rückkehrer

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