2. April 2019

Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien feiert 70. Jubiläum

Bukarest – Am 13. März 1949, vor 70 Jahren, erschien in Bukarest die erste Ausgabe der Tageszeitung Neuer Weg. „Es wurde damit eine reiche und langwährende Tradition der deutschen Presse in diesem Land wieder aufgenommen, die vor allem im Banat und in Siebenbürgen bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht und die im Herbst 1944 völlig zum Erliegen kam“, schreibt Rohtraut Wittstock, Chefredakteurin der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, ab 1993 Nachfolger des Neuen Weg, in ihrem Artikel „Kontinuität und Diskontinuität“ zum 70. Jubiläum der einzigen deutschsprachigen Tageszeitung Südosteuropas.
Zwar wurde der Neue Weg von den Kommunisten als Propagandablatt missbraucht, doch hatte er auch wesentlich zur Herausbildung eines gemeinsamen Identitätsbewusstseins seitens der verschiedenen Gruppen der deutschen Minderheit beigetragen. In einer Zeit, in der es noch kein Forum als Interessensvertreter der Deutschen in Rumänien gab, hat der Neue Weg diese Aufgabe erfüllt, zitiert Wittstock den ehemaligen Ehrenvorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Paul Philippi. So war die ADZ-Redaktion an der Gründung des Deutschen Staatstheaters in Temeswar (1953) und der deutschen Abteilung des Hermannstädter Staatstheaters (1956) beteiligt oder trug durch fortwährende Berichterstattung und Eingaben an zuständigen Stellen zum Erhalt des deutschen Schulwesens bei.
Chefredakteurin Rohtraut Wittstock vor den ...
Chefredakteurin Rohtraut Wittstock vor den Festgästen auf der Jubiläumsfeier im Schillerhaus. Foto: George Dumitriu
In den Endsechzigern erreichte die Zeitung eine beindruckende Auflage von 60 000 bis 70 000 Exemplaren. Dann kam die Wende - und der Exodus der Deutschen aus Rumänien. Nicht nur wanderte fast die gesamte Leserschaft aus, herbe Verluste gab es auch unter den Redakteuren. Für die Leitung stellten sich am Anfang er 90er Jahre bedrückende Fragen, erinnert sich Wittstock in ihrer Festrede zur Jubiläumsfeier: „Wie lange wird es diese Zeitung noch geben? Wer wird sie machen? Und - wer wird die Zeitung lesen?“

Retter nach der Wende

Die Rettung für die Zeitung, die mit ihrer geschrumpften Auflage und den neuen Anforderungen des freien Marktes nicht mehr rentabel war, kam schließlich seitens des DFDR, ihrem heutigen Herausgeber. Forumsvorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr erzählt den Festgästen von seiner Intervention bei dem damaligen DFDR-Vorsitzenden, dem heutigen Staatspräsidenten Klaus Johannis. Nachdem in einer Forumssitzung bereits beschlossen worden war, die ADZ sei nur noch als Wochenblatt zu halten, plädierte er mit allen möglichen Argumenten für die Beibehaltung in Form einer Tageszeitung. „In seiner lapidaren Art“, schmunzelt Porr, „sagte dieser: ‚Na gut, dann kümmere du dich ab jetzt seitens des Forums um die ADZ.‘“
Auf der Jubiläumsfeier im Schillerhaus (von links ...
Auf der Jubiläumsfeier im Schillerhaus (von links nach rechts): Botschaftsrat Benedikt Saupe (österr. Botschaft), Chefredakteurin Rohtraut Wittstock, der deutsche Botschafter S.E. Cord Meier-Klodt, DFDR-Vorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr. Foto: George Dumitriu
Über eine „zweifache List der Geschichte“ geht es im Grußwort des deutschen Botschafters in Bukarest, Cord Meier-Klodt, der gesteht: Sein Arbeitstag beginnt mit der ADZ, die schon im Wagen liegt, wenn ihn sein Fahrer morgens abholt. Nicht nur, dass ihm die Zeitung geholfen hat, Rumänien weit über die Themen der deutschen Minderheit hinaus zu erschließen. Er schätzt auch den sachlichen Ton in der politischen Berichterstattung und die professionelle Trennung zwischen Nachricht und Kommentar. Dann verrät er die erste „List“ der Geschichte: Auch wenn der Neue Weg kommunistisches Sprachrohr war, trug er zu Zeiten der Diktatur zu einer Stärkung der gemeinsamen Identität der Deutschen in Rumänien bei. Die zweite „List“ aber sei, dass die ADZ es geschafft habe, der Abwanderung der Leserschaft etwas entgegenzusetzen: Nicht nur, dass durch die Aufnahme der Karpatenrundschau (1993) und der Banater Zeitung (1996) als Wochenbeilagen der ADZ zwei deutsche Blätter gerettet wurden. Auch der Leserkreis hat sich sehr grundsätzlich verbreitert. Heute gehören dazu ausgewanderte, im Land gebliebene und zurückgekehrte Mitglieder der deutschen Minderheit, deutschsprechende Rumänen, Expats im Auslandseinsatz und Einwanderer aus dem deutschen Sprachraum. Damit hat sich auch der Themenkreis der ADZ stark erweitert. Heute berichtet sie über nationale und internationale Politik, deutsche und nicht-deutsche Belange im Land, in deutscher Sprache. „Dies alles vor dem Hintergrund einer Nachfrage von Seiten der breiten rumänischen Bevölkerung an deutscher Sprache, deutschen Schulen, deutschsprachigen Studiengängen und deutscher Berufsausbildung, die wohl nie größer war als heute“, betont Meier-Klodt.

Schließlich erkennt der Chefdiplomat eine „zutiefst europäische Botschaft im besten Sinne“ im Beitrag der ADZ zum Erhalt der deutschen Identität im Lande, zur Mitgestaltung einer modernen rumänischen Identität, basierend auf gemeinsamen Werten, der Einheit in kultureller und sprachlicher Vielfalt, der Toleranz und des Gemeinschaftssinns. Und er lobt: „Gerade in diesen innen- und europapolitisch nicht einfachen Zeiten ist dieser Beitrag wichtiger als je zuvor.“

Was vermittelt die ADZ heute?

So hat sich mit der Leserschaft auch die Rolle der ADZ gewandelt. In einer Zeit, in der Politiker und Medien versuchen, die Gesellschaft zu spalten, vermittelt sie Verbindung, Gemeinsamkeit, europäische Werte. Durch ihren breit gefächerten Leserkreis ist sie damit auch ein wenig „Botschafter“: Ein Botschafter der deutschen Minderheit, der immer wieder daran erinnert, dass diese trotz des zahlenmäßig starken Rückgangs einen deutlichen Fußabdruck in Rumänien hinterlassen hat - und immer noch hinterlässt. Ein Botschafter für Rumänien, der das verzerrte Bild des Landes im Ausland zurechtrückt, weil nicht nur über Politskandale berichtet wird, sondern auch über erfolgreiche Initiativen und Projekte, über Menschen, die etwas bewegen, über die gelebte ethnische und religiöse Vielfalt. Ein Botschafter der Vergangenheit, der an die Lektionen der Geschichte erinnert, sie analysiert und Erklärungen sucht. Nicht zuletzt auch ein Botschafter Deutschlands, der von gemeinsamen Einsätzen und Aktivitäten in Rumänien berichtet.

Dies alles geschieht losgelöst von den Trends der Presse und ohne den politischen Druck, den andere Medien in Rumänien spüren, so die Verfasserin dieser Zeilen in ihrer Festpräsentation. Das Forum hat die ADZ nicht zum Vereinsblatt degradiert, ihr nie vorgeschrieben, was oder gar wie sie zu berichten hat, betont auch Dr. Porr. Und verspricht: "“Das wird auch in Zukunft so bleiben!“

Nina May

Schlagwörter: ADZ, Jubiläum, Feier, Bukarest, Porr, Johannis, Wittstock

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