1. Dezember 2019

Theologisches Institut in Hermannstadt begeht 70-jähriges Bestehen

Eine herausragende, internationale Tagung unter dem Thema „Grenzen überschreiten. 500 Jahre Reformation in Hermannstadt/Siebenbürgen und 70 Jahre Protestantisches Theologisches Institut“ fand vom 31. Oktober bis 3. November in der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (Neppendorf) statt.
Die „Lucian Blaga“ Universität“ Hermannstadt mit Dr. Renate Klein und Dr. Ulrich Wien, Universität Koblenz-Landau, Vorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, verantworteten die wissenschaftliche Tagung, die von der Hasso-Plattner-Stiftung, dem Land Kärnten, der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Evangelischen Freundeskreis und einigen Kirchengemeinden gefördert wurde.

Am ersten Tag fand der Rückblick auf die Institutsgeschichte statt, welcher eindrückliche Zeitzeugenberichte bot, die Wolfgang Rehner, Hermann Pitters, Christoph Klein, Hans Klein und Renate Klein erarbeitet hatten. Das Institut, 1949 in Klausenburg gegründet und 1955 nach Hermannstadt übersiedelt, war ein Wunder im kommunistischen Rumänien. Zwischen Aufbruch und Abbruch, Bedrängnis und innerer Unabhängigkeit mussten Kirche und Institut zwischen „Scylla und Karybdis“ segeln und standen im Visier der „Securitate“. Dennoch: Die Ausbildung im überschaubaren Kreis befähigte zum Pfarrdienst.

Die Abendvorträge des wissenschaftlichen Nachwuchses leiteten schon zum Reformationsthema über. Dazwischen lag der Reformationsgottesdienst um 17.00 Uhr in der romanischen Kreuzkirche von Neppendorf unter Leitung von Musikwart Jürg Leutert. Begleitet von Instrumentalisten sangen Mitglieder des Bach-Chores ausschließlich siebenbürgische Kompositionen.
Reges Interesse an der hochkarätigen ...
Reges Interesse an der hochkarätigen Theologietagung.
Vorträge zu „500 Jahre Wahrnehmung der Reformation“ und den damit verbundenen „Grenzüberschreitungen“ waren von Dr. Ulrich A. Wien umsichtig geplant worden. Mit viel Elan, wissenschaftlicher Akribie und Übersicht führte er die Regie durch die thematische Vielfalt. Für seine penibel vorgegebenen Themenkreise hatte er, dank seiner wissenschaftlichen Vernetzung, die im Fach führenden internationalen Universitätsprofessorinnen und -professoren gewinnen können. Ausgezeichnete Beiträge der Forschen­den aus USA, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Ungarn und Siebenbürgen klärten offene wissenschaftliche Fragen zur Reformationsgeschichte Siebenbürgens, beeindruck­ten mit höchstem Niveau und bereicherten uns mit ihren Ausführungen.

Etwa 60 Zuhörerinnen und Zuhörer aller Altersgruppen ab 20 folgten den spannenden, simultan ins Rumänische übersetzten Referaten u.a. von Irene Dingel, Volker Leppin, Christine Mundhenk oder Kenneth Appold mit viel Interesse, beteiligten sich an den anschließenden Diskussionen und führten im Anschluss an den Abendvortrag von Prof. Schilling zu Honters Musik sogar einen spontan eingeübten vierstimmigen Gesang eines Textes von Luther, den Honterus für sein Gymnasium vertont hatte, auf. Die geistigen Höhenflüge waren mit einer harmonischen Atmosphäre sehr wohltuend verbunden.

Die Reformation in Siebenbürgen erfasste im 16. Jahrhundert „zwei Drittel der Wohnbevölkerung“. Das Fürstentum wurde mit dem Landtagsbeschluss 1595 „zur Pionierregion der Religionsfreiheit“: die verschiedenen Kirchen lebten jahrhundertelang friedlich nebeneinander. Das Vorhaben „dieser interdisziplinären, komparatistischen Tagung“, dass „neueste Forschungsergebnisse ausgetauscht und im internationalen Diskurs weiter entwickelt“ werden, ist beeindruckend erfüllt worden. In den Themenkreisen „Anfänge und Kommunikation reformatorischer Ideen“, „Auswirkungen auf Bildung und Gesellschaft“ und „Weiterwirkende Impulse“ waren mehr als 20 Vorträge zu hören. Die wissenschaftlichen Ausführungen, die ganz neue, computergestützte Forschungsergebnisse auch sehr anschaulich präsentierten, boten stets neue Fachperspektiven und Erkenntnisse und zogen uns in ihren Bann. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat es nach Einschätzung von Dr. Zoltán Csepregi keine vergleichbar hochkarätig besetzte Tagung in Ungarn und Siebenbürgen gegeben: Diese Veranstaltung war ein Ereignis!

Wir alle erlebten die „Grenzüberschreitungen“ in der prägenden Energie der Reformation bei den einzelnen Bevölkerungsgruppen, jedoch wesentlich bei den siebenbürgischen Ungarn, Szeklern und nicht zuletzt bei den Sachsen.

„Das siebenbürgische Paradigma“ kann heute noch wichtige Impulse geben und Vergangenheit beleben und Zukunft befruchten. Beschenkt und angeregt fuhr ich heim. Solche wissenschaftlichen Tagungen und die dabei sich ergebenden Forschungsergebnisse können uns Siebenbürger Sachsen außerhalb Siebenbürgens unsere „prägenden religiös, historisch, sozialen und rechtlichen Wurzeln“ zeigen und damit ein neues Verständnis unseres „Soseins“ ermöglichen.

Volker Petri

Schlagwörter: Tagung, Theologie, Hermannstadt, Jubiläum, Reformation, Wissenschaft

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