2. Juni 2020

Kirchenburgen wachen aus dem Corona-Schlaf auf

Jenseits ihrer religiösen und symbolischen Bedeutung für die Siebenbürger Sachsen haben die Kirchenburgen auch einen satten Anteil an den 2,6%, die der Tourismussektor am Bruttosozialprodukt Rumäniens (2019) ausmacht. Der Start der Besuchersaison der Kirchenburgenlandschaft, geplant für den 1. April 2020, ist im aufgeregten Trubel und der allgemeinen Ratlosigkeit der Corona-Zeiten untergegangen.
Maisingen 2020 an der Michelsberger Burg. Foto: ...
Maisingen 2020 an der Michelsberger Burg. Foto: Juliane Henning
Nach dem Wechsel vom Ausnahmezustand zum Alarmzustand wacht die Kirchenburgen-Landschaft langsam wie aus einem Dornröschenschlaf auf. Fachminister Virgil Popescu legte aber richtig den Finger auf die Wunde: „Wir können nur dann vom Neustart des Tourismus sprechen, wenn der Gast sich in Sicherheit fühlt, sein Haus zu verlassen und in den Urlaub zu fahren.“ Ähnlich argumentiert der Schäßburger Stadtpfarrer und Bezirksdechant Bruno Fröhlich: „Wir machen die Bergkirche auf, aber wer wird überhaupt kommen? Die Leute bleiben in dieser Zeit lieber zu Hause in Sicherheit.“

Allerdings hängt der Kirchenburgentourismus sehr stark an den ausländischen Besuchergruppen. Diese wiederum brauchen nicht nur Vertrauen, sondern auch Transportmittel und Möglichkeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt aber müssen sie nach der Einreise nach Rumänien 14 Tage lang in die Isolation. Das ist nicht wirklich förderlich für Besucher, die vielleicht nur 14 Tage zur Verfügung haben! Gabriel Tischer, Vorstandsvorsitzender des Hermannstädter Flughafens, erklärt auf Anfrage für die Siebenbürgische Zeitung: „Sobald die staatlichen Einschränkungen aufgehoben werden, werden auch die Airlines ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Diese stehen bereit. Wir wissen allerdings noch nicht, in welcher Intensität, ob z.B. Lufthansa weiterhin drei Mail täglich München-Hermannstadt fliegen wird.“

Für die Unterkünfte und Gaststätten wird ebenfalls noch um Zeiten und Maßnahmen gerungen. Das Ministerium gab in einem Rundschreiben einen Entwurf der Normen und Verpflichtungen bekannt und bat um Stellungsnahmen. Hier werden alle Bereiche abgedeckt, von Zimmern über Rezeption, Toiletten, Schwimmbecken bis hin zu Frühstücksräumen. Auch wenn die Unterkünfte in der Kirchenburgenlandschaft einfach sind, so gelten die gleichen Prozeduren auch für sie. Es ist noch nichts entschieden, aber der Druck – auch der Einheiten am Schwarzen Meer – ist groß.

Die Saison sieht nicht gut aus. Unternehmer Ionuț Martin (Sibiureisen, GoEast) sagt: „Für den Herbst haben wir vielleicht 30% der üblichen Buchungen, da Herbstreisen meist im März und April gebucht werden, was aber heuer mitten in die Corona-Zeit fiel. Wie viele von diesen aber noch storniert werden, wissen wir nicht. Solange Deutschland und Österreich Reisewarnungen aufrechterhalten, stornieren wir kostenfrei. Wenn diese aufgehoben werden, gelten die üblichen Bedingungen. Für die Saison 2021 rechnen wir mit 50% bis 60% Belegung gegenüber 2019, weil die Sicherheit verloren gegangen ist.“

Dennoch sind die ersten Schritte geschehen. Dornröschen ist aufgewacht! Die Schwarze Kirche, das Flaggschiff des Kirchenburgentourismus, gab ihre Öffnung am 16. Mai in einer Presseerklärung bekannt: „Die Schwarze Kirche ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler Rumäniens, das selbst eingefleischten Kronstädtern noch zahlreiche Entdeckungen zu bieten hat. Beginnend mit dem 16. Mai, nach langen Wochen der Ausgangssperre, öffnet die Kirche nun wieder ihre Pforten für Besucher und erwartet sie mit ihrem Glanz, mit Geschichte zum Anfassen, mit Erzählungen rund um die alte Stadt unter der Zinne und mit einem erstklassigen Denkmalerbe, das uns von fernen Ländern und Menschen kündet. Wenn möglich werden in den folgenden Wochen wieder die beliebten Orgelkonzerte angeboten. Das Pfarramt unternimmt alle notwendigen Maßnahmen, um einen Besuch unter sicheren Bedingungen zu ermöglichen. Besucher werden gebeten, die Bemühungen zur Eindämmung des Coronavirus dadurch zu unterstützen, dass sie die üblichen Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Besucher, die über keine Maske verfügen, können eine zusammen mit der Eintrittskarte an der Kasse erwerben. Das Baudenkmal wird zwischen dienstags und samstags zwischen 10.00 und 19.00 Uhr, sonntags und montags zwischen 12.00 und 19.00 Uhr geöffnet sein. An der Kasse der Schwarzen Kirche wird auch die frisch gedruckte und üppig illustrierte Broschüre über den faszinierenden Schatz der osmanischen Teppiche zum Verkauf ausliegen.“

Bis zum 1. Juni wird sich auch das Vorgehen in den anderen mittelalterlichen Kirchen und Kirchenburgen klären, die im Netzwerk „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ – allen voran Birthälm – zusammenarbeiten. Überall hängen Arbeitsplätze daran, an diesen das Einkommen von Menschen sowie das Wohl oder Wehe von ganzen Familien. Somit haben die Pfarrämter jedes Interesse, die Kirchenburgen schnell und sicher wieder zu öffnen. Ob sie aber in der nächsten Zeit Einkommen für die Betreiber generieren werden? Eher nicht. So wird die Bergkirche nur mit Kurzprogramm offen sein und die Michelsberger Burg verzichtet in nächster Zeit auf Verkauf von Tickets, um den Besuchern entgegenzukommen.

Stefan Cosoroabă

Schlagwörter: Siebenbürgen, Kirchenburgen, Tourismus, Corona

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