7. April 2022

Getragen von tiefer Menschlichkeit: Siebente Konsultation der Heimatkirche mit den siebenbürgischen Einrichtungen

Die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft in Europa ist nach der Wende von 1989 und dem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 trotz geographischer Zerstreuung stetig zusammengewachsen. Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) hat in den letzten Jahren mehrere Initiativen gestartet, um die Gemeinschaft, die das Kulturerbe trägt, zu stärken. 2011 wurden die Konsultationen mit anderen siebenbürgischen Einrichtungen eingeführt. Nach drei Gesprächsrunden in der Geschäftsstelle des Verbandes in München (2011, 2013 und 2018), einer in Drabenderhöhe (2012) und zwei im „Heiligenhof“ in Bad Kissingen (2014, 2015) fand die siebente Beratung am 24. März erstmals als Zoom-Konferenz statt.
Bischof Reinhart Guib, hier beim Heimattag 2017, ...
Bischof Reinhart Guib, hier beim Heimattag 2017, wird beim diesjährigen Pfingsttreffen in Dinkelsbühl den Gottesdienst in der St. Paulskirche und das Geistliche Wort vor der Schranne halten. Foto: Christian Melzer
Die Erinnerung an gute und weniger gute Zeiten in Siebenbürgen verbinde die siebenbürgischen Einrichtungen, deren Vertreter Bischof Reinhart Guib, ausgehend vom Psalm 153, zur siebenten Konsultation begrüßte. Die Barmherzigkeit und Güte Gottes hätten die Siebenbürger Sachsen in den letzten hundert Jahren, mit ihren Höhen und Tiefen, immer wieder erfahren. „Dass wir nach der Wende von 1989, nach dem Bleiben und Gehen, das uns auseinander gedriftet hat, wieder zueinander gefunden haben, ist ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes“, sagte der Bischof. In unserer Geschichte, dem Zweiten Weltkrieg, der Russlanddeportation, kommunistischen Diktatur u.a. hätten wir Schweres mitgemacht und könnten nun, in der aktuellen Ukraine-Krise – mitfühlen, mitleiden, mithelfen und Mitmenschen sein für die Flüchtlinge aus dem Nachbarland. Zusammen mit Hauptanwalt Friedrich Gunesch stellte Bischof Reinhart Guib eine beachtliche Fülle an Initiativen der Kirchengemeinden, Bezirke und der Landeskirche vor, die den Flüchtlingen in tatkräftiger Nächstenliebe zur Seite stehen. Pfarrerin Birgit Hamrich, Vorsitzende des Evangelischen Freundeskreises, wies auf die aktuellen Möglichkeiten hin, Projektanträge an kirchliche Stellen in Deutschland zu stellen, die genutzt werden sollten und oft schnell, unbürokratisch zugunsten der Ukraine-Hilfe genehmigt werden.

In den landeskirchlichen Erholungsheimen, in Pfarr-, Gemeinde- und Wohnhäusern der EKR haben die Familien, vornehmlich geflüchtete Frauen und Kinder, Zuflucht und Schutz gefunden. Zusätzlich fragt die Evangelische Kirche A.B. jene Landsleute an, die noch Häuser in Siebenbürgen haben, ob sie diese für Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung stellen können (siehe Aufruf in der SbZ Online vom 20. März 2022).

Bischof Reinhart Guib sprach das „Gebet für Frieden in der Ukraine“, das täglich um 12 Uhr in den Kirchengemeinden Siebenbürgens gesprochen wird (siehe Beilage „Kirche und Heimat“, Folge 5 vom 28. März 2022, Seite 13). „Wir hoffen und beten für ein baldiges Ende des Krieges“, so der Sachsenbischof.

Von tiefer Menschlichkeit getragen ist auch das Sozialprojekt für alte Siebenbürger Sachsen, die oft vereinsamt in ihren Heimatgemeinden leben. Das Siebenbürgenforum hat in Hiltrud Schneider eine tüchtige Angestellte gefunden, die die Bedürftigen nicht nur erfasst hat, sondern ihnen auch in vielen Fällen helfen konnte. Das Vorhaben wird in enger Zusammenarbeit mit der Saxonia-Stiftung in Rosenau durchgeführt und basiert auf deren Bedürftigen-Listen. Die guten Ergebnisse der Hilfsaktion in der Hermannstädter Gegend sollen nun auch auf andere Regionen Siebenbürgens ausgeweitet werden. „Wir wollen dieses Projekt zu ­einem flächendeckenden und gelungenen Projekt machen“, betonte der Bischof. Der Vorsitzende des Siebenbürgenforums Martin Bottesch kündigte an, dass das Forum in Kürze eine zweite Stelle für dieses Sozialprojekt ausschreiben werde. Die Zusammenarbeit mit den Heimatortsgemeinschaften in ganz Siebenbürgen ist nicht nur wünschenswert, sie wurde auch von Ilse Welther, der Vorsitzenden des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, zugesichert.

Wichtig für das Gemeinschaftsleben und im Interesse der zukünftigen Generationen ist der Erhalt der Gemeinschaftsbauten in den verschiedenen Gemeinden Siebenbürgens. „Deshalb ruft die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien die Heimatortsgemeinschaften, aber auch sonstige Verbände oder Initiativgruppen auf, das in den Ortschaften noch befindliche bauliche Gemeinschaftseigentum zu erhalten und im Interesse der zukünftigen Generationen, die Siebenbürgen wiederentdecken, zu nutzen“ (siehe Aufruf in der heutigen SbZ Online).

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt der Konsultation waren die Kurzberichte der teilnehmenden Organisationen. Daraus ging hervor, dass sich die Siebenbürger Sachsen vielseitig für die Fortführung des Gemeinschaftslebens und der Kultur einsetzen. Dabei werden viele Möglichkeiten der Vernetzung und aktiven Teilnahme geschaffen, etwa beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen zu Pfingsten 2022 in Dinkelsbühl, wobei Bischof Reinhart Guib den Gottesdienst und die Andacht vor der Schranne halten wird, beim Kultursommer vom 23. Juli bis zum 15. August 2022 in vielen Ortschaften Siebenbürgen oder beim Sachsentreffen am 16.-17. September 2022 in Meschen. Manfred Schuller, Bundesobmann des Bundesverbands der Siebenbürger Sachsen in Österreich, der neuerdings auch Vizepräsident des VLÖ (Verband der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich) ist, kündigte für Mai 2022 die 70-Jahr-Feier der Kärntner Landsleute an. Die Gemeinschaft Siebenbürgischer Pfarrer und Pfarrerinnen wird ihre Jahrestagung vom 20.-23. Oktober 2022 in Rothenburg ob der Tauber abhalten, kündigte der Vorsitzende Dekan a.D. Hans Gerhard Gross an. Seit 2015 ist der Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz – Kirchenburgen in Siebenbürgen mit vielerlei Ausstellungen, Tagungen, Lesungen mit Bezug zu Siebenbürgen aktiv, berichtete deren Vorsitzende Marianne Hallmen. Bundesvorsitzender Rainer Lehni lobte die sehr gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen und regte an, die junge Generation zu unterstützen, sich ihrerseits zu vernetzen.

Ein Zeichen der Wertschätzung für die ausgewanderten Landsleute hat die Heimatkirche auch durch die Schaffung der sogenannten Zweitmitgliedschaft gesetzt. Sie betrifft jene Siebenbürger Sachsen, die sich in ihrer Heimatgemeinde engagieren oder diese stärken wollen. Sie können Vollmitglied oder Mitglied im Sonderstatus werden. Knapp tausend Siebenbürger Sachsen machen schon davon Gebrauch und stärken auf diese Weise die Heimatkirche, wobei die Aufnahme in die Kirchengemeinden noch recht unterschiedlich erfolgt, von der Landeskirche aber nach Kräften unterstützt wird. „Die ausgewanderten Landsleute, die sich in ihren Kirchengemeinden einbringen, haben bei uns einen besonderen Platz“, betonte Bischof Reinhart Guib.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Kirche, EKR, Konsultation, Ukraine

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