12. Januar 2007

EU-Beitritt Rumäniens - Rechtliche Auswirkungen

Am 1. Januar 2007 ist Rumänien der Europäischen Union beigetreten. Dieses hat auch für die Siebenbürger Sachsen vielfältige rechtliche Auswirkungen, auf die nachfolgend in Kürze eingegangen werden soll. Ergänzende Artikel folgen in dieser Zeitung, wenn die Praxis der kommenden Monate Informationsbedarf aufzeigt.
Europarecht ersetzt das Deutsch-Rumänische Abkommen für Soziale Sicherheit (Rentenabkommen)

In der Europäischen Union werden die nationalen Sicherungssysteme der Mitgliedsstaaten von der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und Durchführungsverordnung 574/72 vom 21.3.1972 koordiniert. Das bedeutet, dass das bisherige Deutsch-Rumänische Abkommen für Soziale Sicherheit (Rentenabkommen) zum 1.1.2007 von diesen Verordnungen ersetzt wird. Im Rentenrecht hat dieses praktische Auswirkung, auch wenn das Abkommen im Hinblick auf den EU-Beitritt dem EU-Recht bereits angeglichen war.

Rentenansprüche aus Rumänien

Auch nach dem nun geltenden EU-Recht gilt eine Antragsgleichstellung, die zur Folge hat, dass ein Rentenantrag in Deutschland automatisch auch die Feststellung der Rente aus Rumänien auslöst. Im Falle der Altersrente kann dieses jedoch auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden (Art. 44 Abs. 2 EWG-VO 1408/71). Dieses bedeutet, dass die Rentenbehörden zwar weiterhin bei Beantragung einer Rente in Deutschland automatisch auch Vordrucke für die Rente aus Rumänien zur Ausfüllung zusenden. Wenn Betroffene die Feststellung der Rente aus Rumänien aus verschiedenen Gründen (z.B. weil der Aufwand hoch ist) nicht wollen, können sie weiterhin – wie in dieser Zeitung berichtet – nach entsprechender schriftlicher Mitteilung an die Rentenbehörden, dass von der Verschiebung der Antragsgleichstellung Gebrauch gemacht wird, auf eine Rücksendung der Formulare verzichten.

Dieses Recht besteht auch dann, wenn Rentenbehörden besonders nachdrücklich zu einer Rücksendung auffordern und sogar mit falschen Informationen drohen: Werden Betroffene informiert, dass bei fehlender Rücksendung entweder die deutsche Rente nicht bearbeitet oder sogar von der deutschen Rente ein fiktiver Abzug der rumänischen Ansprüche erfolgen werde, so ist dieses schlicht falsch. Weder das deutsche Rentenrecht noch das bisherige Sozialversicherungsabkommen oder die nun anzuwendenden EU-Verordnungen kennen einen fiktiven Rentenabzug bei Inanspruchnahme der Antragsverschiebung. Rentenbehörden dürfen die Bearbeitung deutscher Rentenanträge nicht zurückstellen, wenn von der Antragsverschiebung (also dem Verzicht auf die Stellung des rumänischen Rentenantrages) gemäß Artikel 44, Abs. 2 EWG-VO 1408/71, Gebrauch gemacht wird.

Betroffenen wird in solchen Fällen empfohlen, fachlichen Rat bei geeigneten Rechtsanwälten mit Erfahrung im Fremdrentenrecht einzuholen. Dort kann auch geprüft werden, ob eine Rücksendung der rumänischen Formulare im Einzelfall zweckmäßig ist oder keine Vorteile bringt. Lediglich bei Hinterbliebenenrenten oder bei Erwerbsminderungsrenten (Krankenrenten) besteht diese Wahlmöglichkeit nicht und die Anträge müssen auch für die rumänischen Renten ausgefüllt werden.

Wenn aus Rumänien eine Rente tatsächlich gezahlt wird, dann führt dieses zu einem Abzug von der deutschen Rente, soweit die rumänische Rentenleistung auf den gleichen Zeiten beruht (§ 31 Abs. 1 FRG). Ob das Geld aus Rumänien nach Deutschland kommt oder dort verwendet oder verschenkt wird, ist unerheblich. Betroffene sind bei Rentengewährung in Rumänien immer verpflichtet, einen solchen Rentenbezug unverzüglich bei der Rentenbehörde in Deutschland zu melden (§ 31 Abs. 2 FRG).

Bei der Rentenberechnung in Deutschland sind weitere Einzelheiten zu beachten, deren Erläuterung aber den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde.

Wenn Betroffene nach dem EU-Beitritt eine Verlegung des Wohnsitzes nach Rumänien überlegen, dann sind vielfältige Änderungen zu beachten. Rentner müssen auch nach dem EU-Beitritt damit rechnen, dass dann die deutsche Rente wesentlich gekürzt werden kann. Gezahlt wird bei Verlassen des Bundesgebietes nämlich nach wie vor nur die Rente aus den in Deutschland erworbenen rentenrechtlichen Zeiten. Die grundsätzliche sozialrechtliche Gebietsgleichstellung zwischen den Mitgliedsstaaten (Art. 10 EWG-VO 1408/71) ist speziell für den Bereich des FRG eingeschränkt (Anhang 6/ D1). Damit gilt die eingeschränkte Leistungserbringung aus FRG-Anwartschaften weiter. Die Verlegung des Wohnsitzes muss der Rentenbehörde deshalb angezeigt werden. Dieses gilt nur dann nicht, wenn es sich um eine nur vorübergehende Wohnsitzverlegung (einige Monate) handelt und der Wohnsitz in Deutschland beibehalten wird.

In der Krankenversicherung werden nach Gemeinschaftsrecht gesetzliche Mitgliedschaften in den Mitgliedsstaaten gleich behandelt. Dieses wirkt sich z.B. auf die Prüfung der Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner günstig aus. Auch besteht in den Mitgliedsstaaten Anspruch auf ärztliche Behandlung. Dieses hat zur Folge, dass Besucher aus Rumänien in Deutschland keine eigene Auslandskrankenversicherung mehr abschließen müssen, wenn diese in Rumänien gesetzlich krankenversichert sind. Informationen erteilt die gesetzliche Krankenkasse am Wohnort.

Auch auf allgemeine Regelungen sei kurz hingewiesen:

Personenfreizügigkeit, Übergangsfristen bei eingeschränkte Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Rumänien ist mit dem Beitritt am 1.1.2007 Teil des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes geworden. Daher entfallen alle Warenkontrollen an den Binnengrenzen. Auch Zölle entfallen, Rechnungen können ohne Umsatzsteuer ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen für innergemeinschaftliche Lieferungen erfüllt sind.

Personenkontrollen hingegen entfallen noch nicht, auch wenn Personenfreizügigkeit bereits mit Beitritt gewährt wird. Für eine Einreise ist nach wie vor ein Personalausweis oder ein Reisepass erforderlich. Deutschland macht von der im Beitrittsvertrag vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch und schränkt die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie in Teilbereichen die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung (Baugewerbe, Innendekoration, bestimmte Reinigungstätigkeiten) für eine Übergangszeit ein. Diese beträgt zwei Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit auf fünf bzw. sieben Jahre und entspricht der Regelung für Angehörige der zuletzt beigetretenen acht mittel- und osteuropäischen Staaten. Konkret bedeutet dieses, dass zwar Personen aus Rumänien jederzeit nach Deutschland reisen und sich hier auch niederlassen dürfen. Dieses ergibt sich unmittelbar aus dem EU-Recht und hängt nicht von der Ausstellung einer Erlaubnis ab. Trotzdem muss eine Niederlassungserlaubnis beantragt werden, damit der Status bei Kontrollen nachgewiesen werden kann. Damit dürfen z.B. Studenten, Selbständige, Rentner oder Privatiers ungehindert nach Deutschland kommen. Für eine abhängige Beschäftigung (Arbeitsverhältnis) hingegen benötigt man nach wie vor eine Arbeitserlaubnis. Ohne Erlaubnis zulässig sind selbstständige Tätigkeiten als Einzelunternehmer (z.B. als Reinigungskraft, als Haushaltshilfe etc), wobei jedoch die Grenze zur (verbotenen) Scheinselbständigkeit beachtet werden muss.

Auskünfte hierzu erteilen die Industrie- und Handelskammern und die Bundesagentur für Arbeit. Für die Beschäftigung von Pflegepersonen gelten die bisherigen Regelungen weiter (Vermittlungsabsprache mit Genehmigungsmöglichkeit für drei Jahre), Informationen erteilt ebenfalls die Bundesagentur für Arbeit, Zentralstelle für Arbeitsvermittlung, ZAV, 53107 Bonn.

Dr. Bernd Fabritius, Rechtsanwalt

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 15. Januar 2007, Seite 2)

Schlagwörter: EU, EU-Beitritt, Recht, Verbraucherinfos

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