2. August 2007

Wird Siebenbürgen zur Toskana des Ostens?

An Büchern über die Kirchenburgen in Sie­ben­bürgen mangelt es nicht. Was dem vorliegenden Bildband eine besondere Note verleiht, ist die Tatsache, dass er sich an einen weltweiten Kreis wendet, was die zweisprachige deutsch-englische Ausgabe belegt. Hinzu kommt, dass kein Geringerer als der britische Thronfolger, Prince Charles of Wales, das Vor­wort zu dem Bildband zeichnet: Robert Stollberg, Thomas Schulz: Kirchenburgen in Siebenbürgen. Fortfied Churches in Tran­silvania. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2007, 220 Seiten, Preis 24,90 Euro, ISBN 978-3-412-18606-7.
Der Prince ist königlicher Schirmherr des Mihai Eminescu Trust, einer britischen gemeinnützigen Organisation, die sich für den Erhalt von Siebenbürgens kulturellem Erbe einsetzt. Er schreibt im Vorwort u. a: „Als ich Siebenbürgen vor fast acht Jahren das erste Mal besuchte, war ich schlichtweg überwältigt von seiner einzigartigen Schönheit und seinem außerordentlichen reichen kulturellen Erbe…Die bemerkenswerten sächsischen Dör­fer gehören zu den Besonderheiten in Sieben­bürgen, und nichts ist charakteristischer für sie als die großartigen Kirchenburgen, die sich im Herzen eines jeden Dorfes befinden. Jahr­hunderte alt, errichtet von den ersten deutschen Siedlern, um tatarischen und türkischen Einfällen zu widerstehen, sind sie machtvolle Symbole von Siebenbürgens Geschichte und Erbe, was in den Fotografien dieses Buches sehr gut zum Ausdruck kommt…“

Kirchenburgen in Siebebürgen bestellen ...
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Prince Charles möchte sich für den Erhalt dieser Denkmäler einsetzen und hofft, dass gerade auch dieses Buch ein breites Publikum anregen wird, Siebenbürgen zu besuchen, um die sächsischen Dörfer kennen zu lernen.

Der Band bietet im einleitenden Textteil einen Überblick über die Geschichte Siebenbürgens, vor allem der Siebenbürger Sachen, über deren gemeinschaftliche Einrichtungen, und dann eine Beschreibung der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen. Wir möchten nicht kleinlich sein und einige Ungenauigkeiten oder nicht zu­tref­fende Aussagen aufspießen, sondern die allgemeine sehr positive Wertung der Darstellung untersteichen. Die Fotografien von Robert Stollberg und der Text von Thomas Schulz sind das Ergebnis zahlreicher Reisen nach Siebenbürgen in den Jahren von 2003 bis 2006. Stollberg arbeitet als freier Fotograf in Dresden, Schulz ist Rechts­anwalt einer internationalen Sozietät in Berlin.

Über die Besonderheiten der siebenbürgischen Kirchenburgen schreibt Schulz, dass es in Süd- und Nordfrankreich, im Rheinland, in Franken, Thüringen, Sachsen, der Steiermark und Niederösterreich auch Kirchenburgen gibt, dass sich die siebenbürgischen Kirchenburgen jedoch davon nicht nur durch ihre Anzahl, sondern auch durch die Mannigfaltigkeit und Stärke der Befestigung und durch die burgartige Architektur sowie nicht zuletzt durch ihren häufig noch originären Erhaltungszustand ab­heben. Darin bestehe ihre Einzigartigkeit. Ein­schränkend ist dazu zu vermerken, dass es in den genannten außersiebenbürgischen Gebie­ten zum Teil auch eine große Anzahl von Wehr­kirchen gab, sie haben sich aber meistens nicht so gut wie in Siebenbürgen oder überhaupt nicht bis in unsere Zeit erhalten. Sechs Kirchenburgen – Birthälm, Deutsch-Weißkirch, Dersch (rumänisch: Dârjiu, im Szeklergebiet), Keisd, Tartlau und Wurmloch – sowie die einstige Gräfen- und Bauernburg von Kelling und die Altstadt von Schäßburg sind in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen worden. Diese hohe Wertschätzung dürfte ein Anreiz sein, das Interesse eines internationalen Publikums für sie zu wecken. Mir ist nicht bekannt, dass sonst wo eine europäische Wehrkirche zum Weltkulturerbe erklärt worden ist. „Die herrliche Landschaft, die Kulturdenk­mäler und das Klima Südsiebenbürgens prädestinieren die Gegend, in den nächsten Jahrzehn­ten zur Toskana des Osten zu werden“, so Schulz.

Seit dem Massenexodus der Siebenbürger Sach­sen nach Deutschland sind die Kirchen­burgen vom Verfall bedroht, wie gerade das jüngst erschienene und in der „Sieben­bür­gischen Zeitung“ vom 31. Juli 2007, Seite 4, präsentierte Buch „Siebenbürgen. Bilder einer Reise. Wehr- und Kirchenburgen. Ein Bericht“ von Peter Jacobi nachdrücklich dokumentiert (Wort+Welt+Bild-Verlag, München). Es laufen zur­zeit auf verschiedenen Ebenen Bemühungen zum Erhalt dieser Baudenkmäler.

Der hier zu besprechende Band bietet 80 großformatige Aufnahmen von 65 siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen aus Südsie­benbürgen. Die Fotografien geben den heutigen Stand dieser Denkmäler wider. Der Fotograf hat sich nicht, wie heute üblich, für farbige, sondern für schwarz-weiße Fotos entschlossen, weil dadurch eine ernste, altehrwürdige Aura suggeriert wird. Die hochwertige Qualität der Auf­nahmen und ihre ebenso guten Repro­duktionen im Buch, wobei zu jedem Bild eine kurze Erklärung beigegeben ist, verleihen dem Band eine besondere künstlerische und ästhetische Güte. Zu guter Letzt einige Anmerkungen, die den Gehalt des Bildbandes keinesfalls schmälern wollen. Um das ganze siebenbürgisch-sächsische Siedlungsgebiet zu erfassen, wäre es angebracht gewesen, auch Kirchenburgen des Nö­s- ner­landes durch die Beispiele von Mettersdorf, Lechnitz und Burghalle zu berücksichtigen. Wir vermissen sodann die Kirchenburg von Keisd, obwohl sie zum Weltkulturerbe gehört. Zu­sätz­lich hätte man darauf hinweisen können, dass es außer den siebenbürgisch-sächsischen Kir­chen­burgen zahlreiche derartige kirchliche Wehranlagen auch im Szeklergebiet gibt.

Michael Kroner

Schlagwörter: Kirchenburgen, Bildband, Rezension

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