18. September 2007

Das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe am Leben erhalten

Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung mit Sitz in München ist primär um das Kulturerbe der Gemeinschaft bemüht, die zum großen Teil im Laufe der letzten Jahrzehnte ihre Heimat Sie­ben­bürgen verlassen hat. Zu diesem Erbe gehören vor allem ihre Bauwerke, von denen die UNESCO sieben in das renommierte Weltkulturerbe aufgenommen hat. Einige Denkmäler, wie die weltbekannte Kirchenburg in Birthälm, werden von der Stiftung in paritätischer Koope­ration mit dem World Monuments Fund (WMF) restauriert, andere hingegen – wie die Kirchen­burgen in Tartlau und Honigberg – wurden fast ausschließlich aus Stiftungsmitteln saniert.
Der Stiftungsratsvorsitzende Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann ist besonders auch an solchen Projekten interessiert, an denen sich schwerpunktmäßig die Jugend beteiligt. Er ist überzeugt von der Notwendigkeit, die Kennt­nisse der Geschichte Siebenbürgens an die junge Generation weiterzugeben. Deshalb setzt er sich dafür ein, dass die Kenntnisse über die siebenbürgische Kulturlandschaft auch außerhalb des Schulunterrichts erlernt und vertieft werden. So wird in Kooperation mit Gerold Her­mann, dem Direktor des Brukenthal-Gym­nasiums (Colegiul Național „Samuel Bruken­thal“) ein Wettbewerb für Schüler durchgeführt. Dabei wurden die Geschichte Siebenbürgens im Allgemeinen sowie spezielle historische Fragen, wie die Herkunft der Siebenbürger Sachsen, ihre kirchlichen und politischen Organisationen oder wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit Hermannstadts zunächst in Seminaren behandelt und dann dreistufige Prüfungen darüber abgelegt. Die Schülerbeteiligung am Wettbewerb war sehr rege.

Hans-Christian Habermann während seiner Ansprache ...
Hans-Christian Habermann während seiner Ansprache in Hermannstadt.
Die Sieger erhielten Prämien in Form von Ferienaufenthalten in Wolkendorf sowie diverser Publikationen über Siebenbürgen. Nach dieser positiven Bilanz erklärten sich beide Haupt­veranstalter bereit, den Wettbewerb jährlich zu wiederholen und inhaltlich auszuweiten. Das Projekt soll auch an anderen Schulen mit deutscher Unterrichtssprache durchgeführt werden.

Hermannstadt im Blick

Als in diesem Jahr Rumänien als neues EU-Mitglied und Siebenbürgen durch die Euro­päische Kulturhauptstadt Hermannstadt ins Scheinwerferlicht rückten, hat sich die Stiftung durch Hans-Christian Habermann der Aufgabe angenommen, nicht nur zu einem würdigen Erscheinungsbild der Hermannstädter Altstadt beizutragen, sondern auch eine Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Kulturhaupt­stadt-Programms zu fördern.

Ein wesentlicher Beitrag zur Verschönerung des Stadtbildes war die fachgerechte Wieder­herrichtung der Fassade des Brukenthal- und des Bischofspalais. Zu den geförderten Veran­staltungen gehörte ein Musikfestival mit der „Sinfonietta“ der Berliner Philharmoniker unter der Leitung des Dirigenten Ion Marin. Die Kon­zertreihe, die vom 15. bis 19. August stattfand, war ein besonderes Ereignis inmitten der kulturellen Darbietungen in Hermannstadt. Im Thalia-Saal wurden unter anderem Stücke von Jo­hann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Pjotr Iljitsch Tschai­kowskij aufgeführt. Auch der rumänische Na­tional-Madrigal-Chor ließ seine beeindruckende Stimme bei einigen Stücken erklingen.

Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung hat drei Ausstellungen vorbereitet, die im Monats­turnus von April bis Juni gezeigt wurden. So wurde im Terrassensaal des „Teutsch“-Hauses am 20. April die Ausstellung „Sammler und Sammlungen aus Hermannstadt – Eine Auswahl aus verschiedenen Bereichen“ eröffnet. Die Aus­stellung war von Beginn an als eine Rahmenveranstaltung besonderer Art konzipiert worden: Horst Klusch bekam anlässlich seines 80. Geburtstags den Preis „Dr. Beatrix und Hans-Christian Habermann“ für seine langjährige Forschungs- und Sammeltätigkeit in der siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde überreicht. Die Ausstellung, die die erste gemeinsame Veranstaltung der Siebenbürgisch-Säch­sischen Stiftung (München), des Sieben­bürgischen Museums Gundelsheim und des „Emil Sigerus“-Museums (Hermannstadt) war, ist das Ergebnis einer lebenslangen „ansteckenden“ Sammelleidenschaft von Horst Klusch, der mehr als 600 Exemplare vorwiegend siebenbürgisch-sächsischer Zierkeramik zusammengetragen hat. Von seinen Preziosen stellte Horst Klusch eine Stollentruhe aus Henndorf aus, die „auf verschiedenste Weise Trägerin symbolischer Bedeutung ist, nicht nur wegen dem rätselhaften Dekor“, so der Forscher. Die Be­malung der Truhe weist auf romanische und frühgotische Elemente hin.

Zu den Sehenswürdigkeiten im Terrassensaal des „Teutsch-Hauses“ gehörten auch Aquarelle, die farbgetreue Motive von siebenbürgisch-sächsischer Zierkeramik bzw. österreichische Fayencen darstellten. Diese zum Teil vom Se­bastian-Hann-Verein in Auftrag gegebenen Aquarelle malten der Klausenburger Dekora­tionsmaler Walter Widmann und Gisela Seiche, Absolventin der Kunsthochschule in Wien. Auf 20 Schautafeln wurden die größten Hermann­städter Sammler vorgestellt, beginnend mit Sa­muel von Brukenthal bis zu Emil Sigerus oder Julius Bielz. Für die Konzeption und den Aufbau der Ausstellung zeichnete Dr. Volker Wollmann verantwortlich, für die Textge­stal­tung Ewalt Zweyer.

Das zweite Ausstellungsprojekt, das sich für Hermannstadt als Stadt der Pioniere der Raketentechnik besonders gut eignete, thematisierte das Leben des Vaters der Raumfahrt, Hermann Oberth. Die Vernissage fand am 17. Mai im Festsaal der „Astra“ Bibliothek statt, wo auch das internationale Symposium „Von den Hermannstädter Pionieren der Raketen zu der modernen Technik auf diesem Gebiet“ eröffnet wurde. Die Organisatoren dieser wissenschaftlichen Veranstaltung waren der Allgemeine Verein der Ingenieure aus Rumänien, der Ver­ein Deutscher Ingenieure (VDI) – Freun­des­kreis Rumänien, unterstützt von der Akademie der Technischen Wissenschaften aus Rumänien, der „Lucian Blaga“-Universität Hermannstadt und der „Hermann-Oberth-Gedenkstätte“ Mediasch.

Mit aussagekräftigem Bildmaterial, das vom Siebenbürgischen Museum Gundelsheim und dem Oberth-Museum aus Feucht zur Verfügung gestellt worden war, verwirklichten Dr. Volker Wollmann und Mircea Țiplea, Leiter der Oberth-Gedenkstätte in Mediasch, eine gelungene Schau über den Vater der Raumfahrt. Für die über 1 000 Besucher, vorwiegend Studen­ten, bildeten die persönlichen Gegenstände und Zeichenentwürfe sowie einige unbekannte Gemälde, Medaillen und Briefmarken eine besondere Attraktion. Zu den aus dem Ausland angereisten Referenten und Ehrengästen gehörten: Dr. Christoph Friedrich von Braun, Vorsitzender des VDI-Bezirkvereins Bayern, Dr. Erna Roth-Oberth, Tochter des Raumfahrtspioniers, Dr. Hans Barth, Oberth- und Haas-Biograph, und Karlheinz Rohrwild, Direktor des Hermann Oberth-Raumfahrt-Museums.

Eine andere gelungene Ausstellung wurde am 14. Juni im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt feierlich eröffnet. In dieser Schau stellte die im Jahre 1979 in München gegründete Sieben­bür­gisch-Sächsische Stiftung ihre Partnerschaften und Projekte vor. Die 32 Schautafeln mit dokumentarischem Fotomaterial boten einen Ein­blick in die vielseitige Stiftungstätigkeit, deren Schwerpunkt auf Siebenbürgen liegt. Als besonders wertvoll wurde die enge Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landeskirche, den rumänischen Behörden und den Institutionen der Bun­desrepublik Deutschland dargestellt.

Nach der Präsentation der Stiftungsgründung durch Ernst Habermann (1903-1987) und der Zielsetzung der Stiftung stellte die Organisation ihre wichtigsten Aufgaben vor. Im Zuge einer Reihe von Einzelprojekten in Siebenbürgen wurde in den letzten 15 Jahren eine beeindruckende Zahl historischer Denkmäler, vorwiegend Kirchen und Kirchenburgen, saniert und renoviert. Dazu kommen Restaurierungs­arbeiten an Fresken, zum Beispiel in der Aula des Gymnasiums in Mediasch, sowie an Skulp­turen des Figurenwerks des Stundturms in Schäßburg oder an künstlerischem Kulturgut. Durch Partnerschaftsverträge mit der Evan­gelischen Kirche A.B. in Rumänien und dem Ru­mänischen Kulturministerium ist es der Stiftung gelungen, zwei repräsentative Kirchenburgen Siebenbürgens (Tartlau und Honigberg) wieder instand zu setzen. Mit anschaulichem Bildmate­rial illustrierte die Ausstellung auch das Ge­meinschaftsprojekt, das die Restaurierung der Kirchenburg von Birthälm vorsieht. Andere laufende Projekte konzentrieren sich auf die Restaurierung der Kirchenburg Reußmarkt und Bulkesch. Die Sanierung der Kirche Bulkesch an der Kleinen Kokel wurde besonders von Dr. Gabriele Oehmisch aus Rottach-Egern bei München unterstützt. Die 99-jährige Dame erlaubte mit einer großzügigen finanziellen Zuwendung die notwendige Rundumsanierung der Kirche. Zusammen mit Hans-Christian Habermann und seiner Frau Beatrix besuchte die hochbetagte Spenderin Ende August den sonntäglichen Gottesdienst in der Bulkescher Gemeinde.

Hans-Christian Habermann engagiert sich zudem für ein archäologisches Forschungs­projekt in Marienburg bei Kronstadt. So konnten mit seiner Unterstützung die 1994 begonnen Untersuchungen des Gräberfeldes im Jahre 2006 fortgesetzt werden, um auf diese Weise präzisere Erkenntnisse über die Anwesenheit der Kreuzritter und die frühesten sächsischen Siedler zu gewinnen.

Aktiv über Siebenbürgen hinaus

Das Ehepaar Hans-Christian Habermann und Dr. Beatrix Habermann hat in Rumänien die Stiftung „Fundația Christian Habermann” ins Leben gerufen. Eine der ersten Handlungen, neben der Unterstützung für den deutschsprachigen Kindergarten der Evangelischen Kirche in Bukarest, war der Ankauf eines typischen Bauernhauses aus Keisd. Das Haus wurde zusammen mit seinen Wirtschaftsgebäuden und einer Trockenanlage für Hopfen in das Dorfmu­seum „Dimitrie Gusti” in Bukarest als Schen­kung überführt.

Zu den von Habermann für dieses Jahr angeregten Initiativen gehört auch die Rumänien­reise mit dem International Directors Board der Peggy Guggenheim Foundation vom 25. bis 31. September. Die Stiftung mit Sitz in Venedig betreut die Sammlung Peggy Guggenheim, das bedeutendste Museum für europäische und ame­rikanische Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts in Italien. Nach einer Besichtigung des Museums für moderne Kunst und des Dorfmu­seums in Bukarest reisen die Teilnehmer über Sinaia (Schloss Peleș) nach Siebenbürgen, wo sie in der ersten Etappe die Kirchenburgen von Honigberg und Tartlau, die Törzburg, Schäß­burg, Malmkrog und Birthälm besichtigen werden. Nach einem zweitägigen Besuch Hermann­stadts trennen sich die Teilnehmer in zwei Gruppen: die eine besucht den „Constantin Brâncuși”-Park in Târgu Jiu, die andere will mehrere Wehrkirchen im Altland und Unter­wald kennen lernen.

Dr. Volker Wollmann

Schlagwörter: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, Kulturhauptstadt, Kirchenburgen

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