28. April 2009

Katharina Kessel: Fraihjohrslåst

In unserer Rubrik „Saksesch Wält“ bemühen wir uns, möglichst alle Wohn- bzw. Sprachlandschaften unserer siebenbürgischen Heimat zu Wort kommen zu lassen. Deshalb freuen wir uns, dass wir diesmal ein Frühlingsgedicht in nordsiebenbürgischer Mundart (Paßbusch mit Weilauer Einschlag) veröffentlichen können.
Um Gruem de Wäin, däi wann schu dräim,
Palmitzker fankeln u den Stäin.
De Schniekläkeltcher graiße mich,
de Sånn, dai schäint mir åft Gesicht.

Der ålt Wanter, diër maiß nau gu,
ånd äich säi derfor och recht fruh.
De Veggel flettn em den Marsch,
verstaache maiß hië sich hander den Basch.

Nau kitt och ålles richtich schniël,
åf ämol säi de Wiese giël.
Giëllitze säi, wåt asu blaih,
nau wird och ålles gånz schniël grai.

De Fraihjohrsblaume tummeln sich,
gewass och vill Vergissmeinnicht
ånd Miërzvåltcher ånd och Kothräintcher
åf ihre zuertn klenne Stäintcher.

Ja, ja, det Fraihjohr as de Johreszäit,
wo sich nau fråi och ålle Läit.
Ånd wunn de Bääm dennoch och blaih,
säi de Verlaiwtn och schniël hai.

Ånder munch enem geblaihn Boom
hu sai gedroomt den heschn Droom.
De Laiwt hu sai sich dou versprooche
for aine, nat nur for zwou Wooche.

Äos munch enem verlaiwten Puer
as och antstånn a Ehepoer.
Dai ding och hait noch giërn zerack:
Am Fraihjohr huet geblaiht ihr Glack.

Die Autorin, Katharina Kessel, geborene Moser, wurde 1946 in Paßbusch geboren, wohin ihre Eltern nach der Flucht wieder zurückgekehrt waren. Über sich selbst schreibt sie Folgendes:

Zau mäinder Person

Geboorn säi äich an Poßpesch,
gefrändert an de Weele.
An Nürnberg säi äich nau dehäm,
zem Såchsetum äich mich bekän.

Såchsesch Kultur hu äich sihr giërn,
dervu äich och gånz giërn mol riën.
A Såchs, dir sän Kultur och känt,
as sänder Hiërkunft nai beschämt.

Zer „Sachsesch Wält“ dru äich giërn bai,
am dåt stu män Gedichter hai ...
Wunn ihr sai liëst, såfd nat arfährt:
Asu wird et bai aus geriëdt.

Die südsiebenbürgischen Leser sollten sich an den vorletzten Vers halten und nicht arfährt, nicht erschreckt sein ob der unbekannten/ungewohnten Laute. Ein wenig Denksport dürfte die Entsprechungen Südsiebenbürgisch (ssb.) – Nösnisch (genauer: Paßbuscher Mundart mit Weilauer Einschlag) erschließen. Nösnisch bän ich nicht, sondern äich säi, mit der Befehlsform såfd – seid! In Veggel gibt es kein j (ssb. Vijjel), aber in -glöck(el)chen – Schniekläkeltcher K-Anlaut (und langen Vokal). Allgemein spart das Nordsiebenbürgische, wie wir gelegentlich bereits bemerkt haben, manches Endungs-n aus, aber nach anderen Regeln als das Südsiebenbürgische: Blaume, Wooche (Plural); blaih, grai, fråi (freuen), dru, gu, stu (ssb. droon, gohn, stohn); es „verschluckt“ Laute durch Angleichung: ding, bekän (ssb. dinken, bekännen); Wäin – Weiden, dräim – treiben, riën – reden, wann – wollen, vergleiche auch: geblaihn – geblühten (6. Strophe, aber: geblaiht) oder heschn (zu hescht, ssb. heschten) oder aber antstånn – entstanden. Hingegen ist -d – in mänder, sänder (zu män, sän) kein Schreibfehler, sondern echter Einschub. Nun wären innerhalb der sowieso überaus uneinheitlichen Blumennamen noch Giëllitze und Kothräintche als Löwenzahn und Stiefmütterchen sowie das südsiebenbürgisch nicht gebräuchliche Wort Staude, Stäudchen aufzulösen, das in der Lautung Stäin, Stäintcher (1. und 4. Strophe) steckt; es bedeutet Strauch, Busch, Steckling, Staude.

Trotz – oder gerade! – wegen solch kleiner, feiner Unterschiede: Auch weiterhin Spaß am Sächsischen wünschen

Hanni Markel und Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Mundart, Gedicht

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