6. Mai 2011

Rentenerhöhungen und Nachzahlungen möglich

In einer aktuellen Entscheidung hat das Sozialgericht München erneut festgelegt, dass alte Bescheide der Rentenbehörden, in welchen nach altem Recht vorteilhafte Regelungen für Betroffene enthalten sein können, auch bei der Rentengewährung zu berücksichtigen sind, wenn diese nicht ordnungsgemäß nach den geltenden Bestimmungen rechtzeitig und ordnungsgemäß aufgehoben wurden (Urteil vom 10.3.2011, AZ. S 14 R 919/10). Damit setzt das Sozialgericht eine gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und einiger Landessozialgerichte fort und weist eine abweichende Verfahrenspraxis der Rentenbehörden erneut zurück. Prüfungsanträge können zu Rentenerhöhungen und Nachzahlungen führen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte bereits mit Urteil vom 30. März 2004 (AZ. B 4 RA 46/02R) die Rentenbehörde verpflichtet, rentenrechtliche Zeiten aus vorher erlassenen Bescheiden, die nicht ordnungsgemäß aufgehoben worden waren, auch bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und entsprechend höhere monatliche Geldbeträge zu zahlen bzw. nachzuzahlen. In dem Beispielfall hatte die Rentenbehörde in der Vergangenheit nach damals geltendem Recht Ausbildungszeiten als beitragsfreie Zeiten (wegen schulischer Ausbildung) anerkannt. Solche Vormerkungsentscheidungen bleiben selbst nach Rechtsänderungen wirksam und bindend, bis sie durch einen Verwaltungsakt wirksam aufgehoben werden.

Der „Gesetzgeber“ hat dieser Rechtslage dadurch Rechnung getragen, dass er die Rentenversicherungsträger ausdrücklich ermächtigt hat, die Vormerkungsentscheidungen entsprechend der bei der späteren Feststellung des Rechts auf Rente gegebenen Sach- und Rechtslage ganz oder teilweise aufzuheben (§ 149 Abs. 5 Satz 2 SGB VI i. V. mit §§ 44 bis 48 SGB X). Hierbei sind aber Mindestanforderungen einzuhalten, die von den Rententrägern in den meisten Fällen in der Vergangenheit nicht eingehalten wurden. Wenn diese im Rentenbescheid nämlich lediglich festhält: „Ggf. entgegenstehende Bescheide über die Anerkennung von … werden hiermit aufgehoben“, reicht dies nicht aus. Es muss nämlich für den Betroffenen klar erkennbar sein, welcher Bescheid genau und zu welchem Inhalt aufgehoben werden soll. Die meist verwendete allgemeine Erklärung genügt sonst nicht den Mindestanforderungen an die rechtliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten (§ 33 Abs. 1 SGB X). Deshalb bestand die Bindungswirkung der Vormerkungsentscheidungen fort und die Anwartschaften mussten auch nach der Rechtsänderung bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden.

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Betroffene, die in der Vergangenheit Bescheide der Rentenbehörde bekommen haben, die mehr an rentenrechtlichen Zeiten oder bessere Werte (höhere Qualifikationsgruppen, 6/6-Bewertung etc.) ausweisen, als dann bei Rentengewährung im Bescheid berücksichtigt wurden, sollten die Bescheide dringend dahingehend prüfen lassen, ob die Rentenbehörde vorher anerkannte Tatbestände rechtswirksam aufgehoben hat oder ob die Rente nicht doch unter Berücksichtigung dieser Werte höher zu berechnen ist. Da die Rentenbehörde zur Sachbearbeitung Textbausteine verwendet hat, die diesen Fehler bisher enthalten haben, ist zu vermuten, dass in vielen Fällen gegen diese Grundsätze verstoßen wurden und Betroffene eine zu geringe Rente erhalten. Die Prüfung und Korrektur kann auch bei bereits erlassenen Rentenbescheiden erfolgen, Korrekturanträge können auch nach Jahren noch gestellt werden, wobei Rentenbeträge für vier Kalenderjahre rückwirkend nachgezahlt werden. Diese Fehler können bei Prüfung des vollständigen Rentenbescheides anhand der vorher erlassenen Bescheide festgestellt werden.

Beispiele

Rentner A hat im Jahr 2005 einen Rentenbescheid bekommen, in dem seine Zeiten in Rumänien nur noch mit 5/6 bewertet wurden. In dem Rentenbescheid ist ein Zusatz enthalten: „Vorher erlassene Vormerkungsbescheide werden aufgehoben, soweit sie diesem Bescheid widersprechen“. In einem Kontenklärungsbescheid vom 12. Mai 1990 waren diese Zeiten noch mit 6/6 (voll) anerkannt, weil damals bei einer Beschäftigungsdauer von über zehn Jahren automatisch 6/6 anerkannt wurden. Auf Grund dieses alten Bescheides kann A nun fordern, dass die Rente unter 6/6-Anrechnung neu berechnet und zukünftig sowie für vier Jahre rückwirkend (also ab dem 1. Januar 2007) höher gezahlt wird, weil der allgemeine Zusatz zur Aufhebung des Bescheides aus dem Jahre 1990 nicht ausreicht und demzufolge die Zeiten so wie damals festgestellt auch bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

Ein weiteres Beispiel: Rentner B hat im Jahr 2009 einen Rentenbescheid bekommen, in dem seine Ausbildungszeiten nur reduziert anerkannt wurden. Der Rentenbescheid enthält den Zusatz: „Vorher erlassene Vormerkungsbescheide werden aufgehoben, soweit sie diesem Bescheid widersprechen“. In einem Kontenklärungsbescheid vom 2. August 1998 waren noch 36 Monate an Ausbildungszeiten anerkannt. Auf Grund dieses alten Bescheides kann A nun fordern, dass die Rente unter Berücksichtigung der vorher anerkannten 36 Monate Ausbildungszeiten neu berechnet und zukünftig sowie rückwirkend (also ab Rentenbeginn, da dieser noch keine vier Jahre zurückliegt) höher gezahlt wird, weil der allgemeine Zusatz zur Aufhebung des Bescheides aus dem Jahre 1998 nicht ausreicht und demzufolge die Zeiten so wie damals festgestellt auch bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

Rat und Hilfe erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung im Fremdrentenrecht.

RA Dr. Bernd Fabritius, München

Schlagwörter: Rechtsfragen, Rente

Bewerten:

34 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.