10. Juli 2001

Landler- und Sachsentreffen in Bad Goisern

„Tradition heißt nicht, Asche zu bewahren, sondern eine Flamme am Brennen zu halten“, sagte Jean Jaures, ein französischer Politiker des vorigen Jahrhunderts. Wie wichtig und zutreffend auch für Veranstaltungen der Siebenbürger diese Feststellung sein kann, hat das dritte Landler- und Sachsentreffen, das am 9. und 10. Juni in Bad Goisern im österreichischen Salzkammergut stattfand, erneut bestätigt. Bilder des Treffens wurden in einem Fotoalbum festgehalten.
Leider unter regnerischem Himmel, aber im Zeichen großer Gastfreundschaft der Einheimischen hatten sich in Bad Goisern rund 1 200 Gäste aus den drei so genannten Landlergemeinden Neppendorf, Großau und Großpold sowie von dort stammende Landsleute, die heute verstreut in der Bundesrepublik und Österreich leben, zu einem gemütlichen Beisammensein und Kennenlernen eingefunden. Anlass des Treffens waren die zehn Jahre, seit drei Neppendorfer Familien in ihre angestammte Heimat, Bad Goisern, zurückgekehrt waren.
Für die Organisation dieses dritten großen Landlertreffens in Bad Goisern hatte sich die gebürtige Neppendorferin Eva Hoffmann aus Eningen besonders eingesetzt. Sie scheute keine Mühen, um mit der Gemeindeverwaltung Bad Goisern, Mag. Wilfrid Kefer sowie Lore Lotte Hassfurther und mit tatkräftiger Unterstützung des Bürgermeisters Reinhard Winterauer sowie guter und intensiver Zusammenarbeit mit den Vertretern der andern beiden Landlergemeinden, namentlich mit Maria Schenker (Großau, heute Augsburg) und Christa Wandschneider (Großpold, jetzt in München lebend), ein reichhaltiges Rahmenprogramm auf die Beine zu stellen.
In einem großen Zelt auf dem Marktplatz von Bad Goisern fanden sich schon am Samstagvormittag viele Gäste aus Siebenbürgen und der neuen Heimat ein. Den musikalischen Auftakt des Treffens gestaltete die Landlermusikkapelle Neppendorf unter der Leitung von Matthias Hubner. Es folgten Grußworte des Neppendorfer Kurators Samuel Gromen und des Pfarrer a.D. Heinz Galter. Der Kulturreferent der Gemeindeverwaltung vor Ort, Mag. Wilfrid Kefer, hatte alle Mühe, den Geräuschpegel, der neu ankommenden Landsleute zu minimieren. Hochrangige Gäste waren zu dem Festtag erschienen und richteten zu Herzen gehende aber auch kritische Worte über politische Entscheidung in den vergangen Jahren an die Versammlung. Zu wenig Gehör schenkten die Zuhörer dem Grußwort des eigens zu diesem Treffen angereisten Landeshauptmanns von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer .
In seiner Festansprache würdigte Superintendenten Mag. Hansjörg Eichmeyer das Schicksal der Transmigrantenfamilien und ihre fast reibungslos verlaufene Integration in die multikulturelle Kulturlandschaft Siebenbürgens. Die Darbietungen des Großpolder Chores unter der Leitung von Karl-Heinz Piringer und die Tanzeinlage der Großauer Jugend waren Zeugnis gelebten und gepflegten Kulturgutes auch über die politischen Grenzen von Ländern hinweg.
Fast unbemerkt blieben leider die Darbietungen des Gesangsvereins Bergheimat und der Goiserer Geig’n Dischgu. Beim nächsten Treffen wird man sicher besser mit technischen Mitteln ausgestattet sein, um allen Mitwirkenden gerecht zu werden.
Am späten Nachmittag besuchten viele Gäste die Ausstellung im Rathaus und hörten gespannt den Referenten Dr. Franz Grieshofer und Dr. Wilfried Schabus bei die Buchpräsentation “Spurensicherung und Lebenslinien der Landler“ zu.
Aus den vorausgegangenen Programmpunkten ergaben sich viele interessante Gespräche und bei einem Glas Wein und gutem Grillteller merkte man nicht, wie schnell der Tag zur Neige ging. Die Landlermusikkapelle Neppendorf spielte zum Tanz auf. In den Unterkünften wurde bis in die frühen Morgenstunden weiter erzählt und sogar getanzt.
Am Sonntag begann das Treffen mit einem denkwürdigen Kirchgang in die evangelische Kirche in Bad Goisern. Trachtenträger aller drei Landlergemeinden säumten den Weg zum Gotteshaus, und bald war auch der letzte Platz in der Kirche belegt. Beim Einzug der Goiserer Fahnenträger wurde es still, und der gemeinsame Gesang des Goiserer Kirchenchores und des Landlerchores Großpold verliehen dem Festgottesdienst den gebührenden Rahmen.
Pfarrer Mag. Mathias Stieger aus Großau verstand es sehr gut in seiner Predigt, alle Facetten des Landlerlebens in der alten und neuen Heimat mit viel Einfühlungsvermögen und kritischem Hinterfragen in den Gottesdienst einzubinden. Oberkirchenrat Dr. Hannelore Reiner zollte unsern Landsleuten in ihrer andächtigen Ansprache hohen Respekt und würdigte den Aufopferungswillen und Mut der vorausgegangenen Generationen.
Nach dem Gottesdienst versöhnte uns die Sonne für eine kurze Zeit, und so konnten die vielen Zuschauer den Trachtenumzug der Bad Goiserer und Gosauern sowie der zahlreichen siebenbürgischen Landler und einiger Sachsen bewundern.
Die Stunden des Abschieds rückten immer näher, auch wenn die Neppendorfer Musikanten flott spielten und den Anschein erweckten, als wollten sie das Fest erst beginnen.
Einer der Teilnehmer, Hans Roszak aus Berlin, nannte es „ein Fest der Begegnungen mit Freude und Wehmut“ und freute sich wie viele andere Besucher über die wunderschönen Stunden des Beisammenseins.

Hannelore und Jürgen Scheiber


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2001, Seite 27)

Schlagwörter: Landler, Österreich

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