11. Juni 2008

Der Bundesvorsitzende über die Motive seiner Landtagskandidatur

Am 28. September entscheiden die Wählerinnen und Wähler in Bayern über die Zusammensetzung des künftigen Landtags. Wie auf Siebenbuerger.de berichtet, bewirbt sich der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius als Wahlkreiskandidat der CSU (Listenplatz 22) um einen Sitz im Landesparlament. Ein Novum für unseren überparteilichen Verband. Das wirft Fragen auf: Lassen sich Verbands- und Parteipolitik vereinbaren? Welches sind die Chancen, welches die Herausforderungen einer solchen Kandidatur. Seine Beweggründe, für ein politisches Mandat zu kandidieren, erläutert Dr. Bernd Fabritius im Gespräch mit Christian Schoger.
Herr Dr. Fabritius, Ihre Landtagskandidatur unterstützt nicht nur unser Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, sondern auch die Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Russlanddeutschen. Inwiefern ist das auch eine Verpflichtung für Sie?
Ich fühle mich selbstverständlich allen Landsleuten verpflichtet, für deren Interessen ich mich stark mache und um deren Unterstützung ich genau dafür bitte. Ich sehe hier keinerlei Konflikt oder Konkurrenzsituation, weil wir Spätaussiedler eine Schicksalsgemeinschaft sind und daher annähernd gleiche Interessen haben, die endlich mit Nachdruck auch politisch vertreten werden sollen. Deswegen hat die Union der Vertriebenen einen Wahlkreiskandidaten aus dem Personenkreis der Spätaussiedler vorgeschlagen und deswegen wird diese Kandidatur auch von den anderen Verbänden unterstützt.

Zum ersten Mal erscheint ein Bundesvorsitzender unseres überparteilichen Verbandes auf der Wahlliste einer Partei, was in vielen Vertriebenenverbänden eher gängige Praxis ist. Wie beurteilen Sie die Vereinbarkeit von Verbands- und Parteipolitik?
Diese beiden Bereiche haben eine natürliche Schnittmenge, wenn ein Verband nicht nur nach innen wirken möchte. Es gibt Anliegen in unserer Gemeinschaft und damit in unserem Verband, die nur politisch außerhalb des Verbandes gelöst werden können. Daher muss ein Verband im Interesse der Menschen, die er vertritt, auf beiden Ebenen agieren. Hier sehe ich die Notwendigkeit eines allgemeinen politischen Engagements eines Verbandsvertreters.

Wie begründen Sie Ihr Engagement für die Christsozialen?
Es ist bekannt, dass die konservativen Unionsparteien unserem Personenkreis weitaus näher stehen als die anderen Parteien des politischen Spektrums. Das zeigte sich erst in der jüngsten Vergangenheit bei der Debatte um das Zentrum gegen Flucht und Vertreibung in Berlin. Ich glaube, dass hier für unsere Belange am ehesten etwas erreicht werden kann. Sollte es zu Vereinbarkeitsfragen kommen, kann ich aus der Verbundenheit mit meinen Landsleuten, die mich wählen, sicher ausreichend Entscheidungshilfe entnehmen.

Sie kandidieren als Mitglied der CSU auf Listenplatz 22. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, am 28. September in den Landtag gewählt zu werden?
Nun, der Ausgangs-Listenplatz ist eigentlich gar nicht so wichtig, weil die Liste nach der Wahl in der Reihenfolge der erzielten Stimmen neu sortiert wird. Die Chancen hängen existenziell davon ab, wie viele Landsleute die Chance erkennen und für den Kandidaten unseres Verbandes zur Wahl gehen, diesen mit ihrer Zweitstimme wählen und am besten auch andere Bekannte und Freunde um Unterstützung bitten. Auch kommt es auf das Gesamtergebnis an.

Freilich fehlt Ihnen der „Stallgeruch“ der Partei. Wie wollen Sie diesen Wettbewerbsnachteil kompensieren?
Eines muss realistisch gesehen werden: ich bin Quereinsteiger und nicht in einer Partei „aufgewachsen“. Ich bin daher auf die eigenen Landsleute angewiesen. Allerdings kann dieses auch einen Vorteil darstellen. Der klassische Kandidat ist zwar in seinem Stimmkreis gut bekannt und hat dessen Unterstützung. Dem kann ich aber eine überregionale Wählerschaft entgegensetzen, die eine Chance hat, durch eine rege Wahlbeteiligung die Vorteile der örtlichen, parteinahen Kandidaten wettzumachen und mich in der Liste „nach vorne zu wählen“. An einem Beispiel ausgedrückt: Der parteiinterne Mitbewerber aus München bekommt hier zwar sicher mehr Stimmen als ich, dafür ist er in den Ortschaften von Landsberg bis Traunstein so gut wie nicht bekannt. Dort haben wir Mitglieder. Wenn wir möglichst viele Landsleute und deren Freunde in allen Orten in Oberbayern zu einer Unterstützungswahl mobilisieren, könnte es klappen.

Welche Vorstellungen und Erwartungen verknüpfen Sie persönlich mit der Ausübung eines politischen Mandates?
In einem politischen Mandat sehe ich die große Chance der Mitbestimmung und der aktiven Zukunftsmitgestaltung. Ich möchte nicht länger passiv zuschauen, wie andere Menschen über uns und unsere Belange abstimmen, ich möchte dort zumindest mitreden und den einen oder anderen Aspekt in die Überlegungen mit einbringen und dann auch mit abstimmen. Die Politik hat sich aus meiner Sicht zu weit von Bürgernähe entfernt.

(Ironisch) Dann also bitte schön auch mehr Siebenbürgernähe!
(Lacht) Genau. Hier möchte ich entgegenwirken und für Anliegen an der Basis Sprachrohr und Verfechter sein. Auch sehe ich es als Chance dafür, die vielen Vorurteile gegen und Fehlinformationen über unseren Personenkreis auf politischer Ebene richtig zu stellen und zu einer objektiveren Sicht der Dinge beizutragen.

Könnten Sie Ihre Aussage bitte konkretisieren?
Schon alleine die zahlreichen falschen Zweckargumente, die politisch zur Rechtfertigung der ungerechten Rentenkürzungen bei Spätaussiedlern angeführt wurden, machen mich wütend und müssen so oft es geht richtig gestellt werden. Ich könnte die Liste lange fortsetzen. Mit einem politischen Mandat verknüpfe ich daher auch die Erwartung eines wirksameren Gehörs für unsere Anliegen.

Die Integrations- und die Aussiedlerpolitik in Bayern ist ein wichtiges Feld politischen Engagements. Gibt es besondere siebenbürgisch-sächsische Belange, die im Bayerischen Landtag künftig stärker berücksichtigt und gefördert werden sollten?
Auch diese Liste würde lang werden, wollte ich sie erschöpfend darstellen. Ich nenne nur einige Beispiele: Landsleute, die nach Änderung der Regeln zur Anerkennung als Spätaussiedler mit Ausländerstatus in Bayern leben müssen, bedürfen einer politischen Lösung, die trotz Bemühungen bis heute nicht durchsetzbar war. Auch die Bewahrung und Förderung unserer siebenbürgisch-sächsischen Kultur als Teil des gesamtdeutschen Erbes ist wichtig. In Bayern leben die meisten Siebenbürger Sachsen, so dass hier Verbesserungsbedarf besteht. Ein weiteres Betätigungsfeld wären die grenzüberschreitenden Beziehungen zu unserem Herkunftsgebiet: Ich denke, dass die Möglichkeiten politischer Begleitung der Interessen unserer Gemeinschaft noch nicht ausgeschöpft sind.

Herr Dr. Fabritius, Sie sind als Rechtsanwalt in München berufstätig. Seit November 2007 sind Sie Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., zudem Vorsitzender der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen und haben darüber hinaus weitere ehrenamtliche Funktionen und Verpflichtungen. Ihre Wahlkampfauftritte werden viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Woher schöpfen Sie die Kraft, all diese Aufgaben erfolgreich zu bewältigen?
Das ist schnell beantwortet: aus der Einbindung in unsere Gemeinschaft, die Zuversicht gibt; aus der Unterstützung meiner Familie, die voll hinter mir steht, und aus der guten Zusammenarbeit im Team von Mitstreitern. Eine Portion Idealismus gehört dazu.

Beabsichtigen Sie in manchen Tätigkeitsfeldern kürzer zu treten?
Ja, ich werde einige Bereiche zurückstellen, um mich auf die Komplexe, die für mich Priorität haben, voll konzentrieren zu können: Innerhalb unseres Verbandes haben wir uns im letzten Jahr einiges vorgenommen. Hier sind Weichenstellungen konsequent weiter zu verfolgen. Dafür ist mir jeder Aufwand recht. In engem Zusammenhang damit stehen das politische Engagement und die Landtagskandidatur. Beides sind ehrenamtliche Tätigkeiten, die dem gleichen Interesse dienen und die ich nur dank meiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt überhaupt wahrnehmen kann. Das ist der dritte und letzte Bereich, wo zwar gerade jetzt viel Aufwand anfällt – der aber dank eines guten Teams bei der notwendigen Sorgfältigkeit bewältigt werden kann. Andere Engagements, wie z. B. die unterschiedlichen Lehrtätigkeiten an den Hochschulen in Meißen und Hermannstadt, stelle ich bei den genannten Herausforderungen gerne zurück. Es ist eine Frage der Präferenzen, die ich für mich klar entschieden habe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Link: www.bernd.fabritius.de

Schlagwörter: Landtagswahlen, Fabritius

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  • 11.06.2008, 08:44 Uhr von Landler: Jemanden wählen zu können, der meine Interessen vertritt - darauf musste ich 2 Jahrzehnte lang ... [weiter]

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