28. Juli 2008

Fiktivabzug ist rechtswidrig

Nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union haben die Rentenbehörden in Deutsch­land die Vorschriften des Europäischen Sozialrechts dahingehend angewandt, dass sie von der deutschen Rente eine fiktive Rente aus Rumänien abziehen. Dieser Abzug ist gesetzlich nicht vorgesehen. Deshalb haben Sozialgerichte diese unzulässige Praxis der Rentenbehörden übereinstimmend verboten (siehe Siebenbürgische Zeitung Online).
Durch eine Entscheidung vom 2. Juli 2008 (AZ. L 14 B 469/08 R ER) hat das Bayerische Landessozialge­richt die Position unseres Verbandes bestätigt. Auch das Landessozialgericht Baden-Württem­berg hat durch Beschluss vom 17. Juli (L 11 R 3191/08 ER-B) eine Beschwerde der Rententräger gegen positive Entscheidungen der Sozialgerichte als unbegründet zurückgewiesen.

Wie mehrfach in dieser Zeitung berichtet, kön­nen Antragsteller einer Altersrente in Deutsch­land den im Europäischen Sozialrecht vorgesehenen gleichzeitigen Beginn der Renten in allen anderen EU-Ländern, also auch in Rumänien, aufschieben. Die meisten Landsleute haben zu Recht von dieser Möglichkeit durch Abgabe der Aufschuberklärung gegenüber der Deutschen Rentenbehörde Gebrauch gemacht, um einen Rentenbezug in Lei aus Rumänien mit gleichzeitiger Kürzung ihrer deutschen Rente zu verhindern. Dies hat die Rentenbehörde veranlasst, ei­nen gesetzlich nicht zugelassenen fiktiven Abzug von der deutschen Rente vorzunehmen. Sozial­gerichte haben diese rechtswidrige Praxis verbo­ten. Die Rentenbehörde legte dagegen Rechts­mittel ein. Darüber haben das Bayerische und das Baden-Württembergische Landessozialge­richt nun positiv – im Sinne unseres Verbandes – entschieden.

In der Begründung führt das Bayerische Landessozialgericht aus: „Für die von der Antragsgegnerin vorgenommene Herabsetzung des monatlichen Zahlbetrages der laufenden Altersrente der Antragstellerin um den Betrag einer fiktiven, tatsächlich nicht geleisteten Rente aus der rumänischen Rentenversicherung ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.“ Die Behörde wurde verpflichtet, die Rente sofort ungekürzt zu zahlen.

Dieses begründete das Gericht wie folgt: „Die Antragstellerin hat an­gesichts der geringen Höhe der monatlich ausgezahlten Rente (870,99 Euro) auch ein berechtigtes Interesse daran, ihre mit Bescheid vom (...) festgestellte Rente ungekürzt zu beziehen, um ihren laufenden Lebens­unterhalt zu bestreiten. Dieses Erfüllungsinter­esse ist in die Interessensabwägung unabhängig davon einzubeziehen, ob durch die Rentenkür­zung eine besondere Härte, insbesondere im Sin­ne der Sozialhilfebedürftigkeit droht.“ Wie das Gericht weiter ausführt, dürfen Betroffene auch nicht darauf verwiesen werden, die Kürzung ge­rade durch den Bezug der ausländischen Rente auszugleichen. Dieses würde dazu führen, dass ein nicht mehr rückgängig zu machender Rechts­­ver­lust eintritt. Betroffenen wird daher weiterhin empfohlen, den ungerechten Fiktivabzug anzufechten.

Umsetzung der 40-Prozent-Kürzungen abgeschlossen

Zur Frage der Kürzung der Rentenanwart­schaften um 40 Prozent sind die laufenden Ver­fahren zur Einbeziehung in die Übergangsvorschriften bei den Rententrägern weitgehend abgeschlossen. Wenn jemand, dessen Rente im Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 1996 und 30. Juni 2000 begonnen hat, selbst oder durch Bevollmächtigte die Kürzung angegriffen, aber bis heute noch keinen Bescheid über die einmalige Nachzahlung bekommen hat, dann sollte er die Rentenbehörde oder seinen Bevollmäch­tigten daran erinnern, dass der Bescheid mit der Nachzahlung noch fehlt. In einigen Fällen haben Rentenbehörden das Schreiben mit dem Widerspruch oder dem Prüfungsantrag aus technischen Gründen nicht gespeichert. In diesen Fällen sind diese Stellen darauf angewiesen, an den Erlass des Beschei­des erinnert zu werden. Dafür reicht ein einfacher Brief etwa mit dem Wortlaut: „Ich habe die Kürzung um 40 % angefochten, bis heute aber keinen Bescheid bekommen. Ich bitte um Erlass des Bescheides mit der Nachzahlung.“

Hilfestellung erteilen bei Bedarf Rechtsan­wälte mit besonderer Erfahrung im Fremdren­tenrecht.

Dr. Bernd Fabritius

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Übersicht der Artikel zum Thema Rente in der Siebenbürgischen Zeitung

Schlagwörter: Rente, Rechtsfragen

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