22. Januar 2010

Die "Sachsenburg" lebt: Neujahrsempfang auf Schloss Horneck

Ein randvoll besetzter Festsaal, zahlreiche Ehrengäste, gut gesinnte Grußworte, klassische Musik und ein exzellenter Festvortrag – das sind die wichtigsten Schlagworte des Neujahrsempfangs auf Schloss Horneck, der traditionellerweise vom Siebenbürgen-Institut und dem Siebenbürgischen Museum ausgerichtet wird. Eingeladen hatte der Vorsitzende des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates für den 9. Januar 2010 in das winterlich verschneite Gundelsheim am Neckar.
Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Machat, der Kulturratsvorsitzende, begrüßte die Gäste und würdigte die erfolgreiche Arbeit der siebenbürgischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim im abgelaufenen Jahr. Diese Arbeit bezieht immer auch das heutige Siebenbürgen ein, sei es durch die Rettung von Kulturgut (wie 2008 durch das vom Kulturrat betreute Projekt zur Notsicherung des Bistritzer Turms) oder durch die Erforschung und die Pflege von Kulturschätzen, wie es die anatolischen Teppiche im Besitz der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien sind, die 2009 dank eines vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Projektes vollständig inventarisiert werden konnten. Zwei ebenfalls vom BKM geförderte Digitalisierungsprojekte ermöglichten es dem Siebenbürgen-Institut im letzten Jahr, bedeutende Schriftzeugnisse aus der Geschichte der Siebenbürger Sachsen (u. a. die Synodalprotokolle der evangelischen Kirche aus dem Zeitraum 1600-1760) in rumänischen Archiven zu fotografieren, zu speichern und somit der Forschung zugänglich zu machen. Auch das Siebenbürgische Museum hat immer wieder Kooperationsprojekte mit den Museen in Hermannstadt und Kronstadt, 2009 zeigte es die Ausstellung „Kirchenraum im Wandel“ im Emil-Sigerus-Museum in Hermannstadt.

Dr. Christoph Machat, Vorsitzender des ...
Dr. Christoph Machat, Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, würdigte die erfolgreiche Arbeit der Kultureinrichtungen in Gundelsheim. Foto: Jutta Fabritius
Machat betonte die für die Projekte in Rumänien notwendige gute Zusammenarbeit mit den dortigen Entscheidungsträgern und hob in diesem Zusammenhang den Kulturminister der neuen Regierung lobend hervor.

Der Bedarf an elektronisch zugänglichen und via Internet transportierbaren Informationen wächst bei den Nutzern der zum Siebenbürgen-Institut gehörenden Siebenbürgischen Bibliothek mit Archiv. So nahmen 2009 nur rund 700 Nutzer den Weg nach Gundelsheim, dafür beantworteten die Bibliotheks- und Archiv-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tausende von Mail-Anfragen. Um diesem Bedarf verstärkt entgegenzukommen, hat das Institut – ebenfalls dank einer Förderung des BKM – Ende 2009 einen leistungsfähigen Auflichtscanner angeschafft, der Kopien von Dokumenten einschließlich des Formats DIN A2 (also auch von Karten) in hoher Qualität erstellt und digital abspeichert.

Die meisten Anfragen an das Archiv kommen derzeit von Menschen, die an ihrer Familiengeschichte interessiert sind. Die Genealogen des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) sowie die Heimatortsgemeinschaften waren 2009 auch die eifrigsten Nutzer. Aus diesem Kreis kommen aber auch einige der engagiertesten ehrenamtlichen Mitarbeiter. Oft gehen die Rechercheinteressen und die Bereitschaft, für die Gemeinschaft etwa Nützliches zu tun, Hand in Hand. Der Neujahrsempfang bot Gelegenheit, auch den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement zu danken.

In ihrem Grußwort bedankte sich die Bürgermeisterin der Deutschordensstadt Gundelsheim am Neckar, Heike Schokatz, für die bald fünfzigjährige gute Zusammenarbeit mit den siebenbürgischen Einrichtungen und hob hervor, dass die Siebenbürger Sachsen zu Gundelsheim gehörten wie der Neckar, der Michaelsberg und die Weinlagen „Himmelreich“.

Der Vorsitzende des Hilfsvereins der Siebenbürger Sachsen „Johannes Honterus“ e. V., Berndt Schütz, betonte, dass der Hilfsverein mit Sicherheit seine Verdienste im sozialen Bereich habe, aber erst die Siebenbürgische Bibliothek und das Siebenbürgische Museum machten das Heimathaus in Gundelsheim zu einer richtigen „Sachsenburg“ mit den dazugehörenden „Specktürmen“, in denen die Siebenbürger Sachsen – ähnlich wie früher ihre kostbaren Speckseiten – nun ihre wertvollen Kulturschätze pfleglich aufbewahrten.

Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e. V., Dr. Bernd Fabritius, unterstrich, dass Gundelsheim ein Ort der Gegenwart und vor allem der Zukunft für die Siebenbürger Sachsen sei, und rief alle auf, ihren Beitrag für die Erhaltung der erwähnten „Specktürme“ zu leisten. Die zahlreich erschienenen Gäste wertete Fabritius als deutliches Zeichen der Wertschätzung, welche die Gundelsheimer Einrichtungen unter den Siebenbürger Sachsen genießen.

Der Verband trug 2009 verstärkt zur Stabilisierung der Personalsituation am Siebenbürgen-Institut bei, das seit 2005 trotz seiner vielfältigen Aufgabenbereiche nur vom Land Baden-Württemberg mit der gleichbleibenden Summe von rund 52 000 Euro institutionell gefördert wird. Mit rund 20 000 Euro Spendengelder übernahm 2009 der Verband einen Teil der Kosten für das Bibliothekspersonal, die Mitarbeiterin im Bildarchiv und die Geschäftsführerin. Der Bundesvorsitzende setzte sich darüber hinaus mit Erfolg dafür ein, dass in einem Projekt des BKM bis Ende 2011 eine wissenschaftliche Mitarbeiterin dem Institut vorstehen wird. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Alfred Mrass konnte bei der Landesregierung Baden-Württemberg die Projektanträge des Siebenbürgen-Instituts unterstützen, so dass die Aufarbeitung neu eingegangener Nachlässe und auch Arbeiten im Bildarchiv von Stuttgart teilfinanziert wurden. Freilich handelt es sich bei allen Projekten immer nur um Teilfinanzierungen, so dass auch bei weiterer erfolgreicher Projektanwerbung die Anstrengungen der Siebenbürger Sachsen zur „Speckturm“-Pflege auch 2010 nicht nachlassen dürfen.

Seitens des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien überbrachte der Leiter des Referats „Museen und Archive zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“, Regierungsdirektor Dr. Thomas Lindner, die besten Grüße und Wünsche für 2010 und teilte mit, dass die seit 2005 von der Bundesregierung ausgebaute Förderung des deutschen Kulturerbes in und aus dem östlichen Europa von der aktuellen Regierung unverändert fortgeführt werde. Er bezeichnete die Siebenbürger Sachsen als „lebendige und engagierte“ Gruppe, die ihre deutsche Herkunft mit einer „Prise romanischer Leichtigkeit des Seins“ verbinde.

Die bedeutende Neurologin Hannah Monyer hielt den ...
Die bedeutende Neurologin Hannah Monyer hielt den Festvortrag in Gundelsheim. Foto: Anneliese Vater
Den Festvortrag hielt die Neurobiologin Prof. Dr. med. Hannah Monyer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg, zum Thema „Lernen und Vergessen. Wie leistungsfähig ist unser Gehirn?“ Prof. Monyer, geboren im siebenbürgischen Großlasseln, ist ärztliche Direktorin der Abteilung Klinische Neurobiologie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg und Trägerin des Leibniz-Preises, der renommiertesten deutschen wissenschaftlichen Auszeichnung. In ihrem hoch interessanten Vortrag berichtete sie über aktuelle Ergebnisse ihres Heidelberger Forschungsteams in der Hirnforschung. Unser Gehirn reagiert auf Informationen, die es empfängt, nicht wie ein konventioneller Speicher, sondern indem es sich verändert. Diese Fähigkeit zur Veränderung und dadurch zum Lernen bezeichnet die Wissenschaft als „Plastizität“. Genetische Veranlagung, aber auch Anregung und Übung beeinflussen die Lernfähigkeit unseres Gehirns. Auch wenn die Plastizität der Gehirnzellen im Alter abnehme, sei Lernen kein Privileg der Jugend. Dass geistige Fitness jedoch zwingend eine rege – auch körperliche – Aktivität erfordere, dass nur stetiges Trainieren des Gehirns dieses leistungsfähig erhalte, brachte Prof. Monyer mit folgendem Schlagwort auf den Punkt: Use it or lose it! – Benütze es oder du verlierst es!
Ingrid Hutter (Fagott) und Horst Henning ...
Ingrid Hutter (Fagott) und Horst Henning (Klavier) umrahmten den Neujahrsempfang mit klassischer Musik. Foto: Jutta Fabritius
Im Anschluss an den Vortrag kam es zu einem bewegenden Wiedersehen mit der ehemaligen Englisch-Lehrerin der Referentin, der sie stellvertretend für die sehr gute, in Rumänien genossene Schulbildung dankte.

Die Festveranstaltung wurde musikalisch umrahmt von Ingrid Hutter (Fagott) und Horst Henning (Klavier). Hutter stammt – wie auch Henning – aus Agnetheln, sie ist Musikstudentin in Köln und spielt im renommierten Jugendorchester Junge Deutsche Philharmonie.
Ausstellungseröffnung in Gundelsheim, ...
Ausstellungseröffnung in Gundelsheim, Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius, Bürgermeisterin Heike Schokatz, Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums, und Regierungsdirektor Dr. Thomas Lindner. Foto: Werner Sedler
Ein weiterer Höhepunkt des Neujahrsempfangs war die Eröffnung der Ausstellung „Neues aus den Sammlungen“ im Siebenbürgischen Museum durch Dr. Irmgard Sedler. Die Ausstellung wurde maßgeblich vom Museumskustos Marius Joachim Tătaru gestaltet, der jedoch kurz vor dem Tag der Eröffnung erkrankt war und nicht anwesend sein konnte. Gezeigt werden Neuzugänge der letzten drei Jahre, und zwar nicht nur jene des Museums, sondern auch eine Auswahl von Schriften, die das Archiv des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg in den letzten Jahren aufgenommen hat. Seit Jahren besteht zwischen Museum und Institut ein Abkommen, dass bei Schenkungen das Museum die dreidimensionalen Gegenstände übernimmt und das Institut die zweidimensionalen, also die Schriften und Fotos. Diese Zusammenarbeit soll in den nächsten Jahren verstärkt auch auf gemeinsame Projekte und Ausstellungen ausgeweitet werden, wie Dr. des. Annemarie Weber, die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Siebenbürgen-Instituts, und Dr. Irmgard Sedler, die Vorsitzende des Museumsvereins, übereinstimmend bekräftigten.

J. Binder, A. Weber

Schlagwörter: Siebenbürgen-Institut, Siebenbürgisches Museum, Gundelsheim, Kulturrat, Schloss Horneck

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  • 22.01.2010, 10:43 Uhr von Karin Decker: Zitat: „Machat betonte die für die Projekte in Rumänien notwendige gute Zusammenarbeit mit den ... [weiter]

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