19. November 2010

Sportlehrerin Mathilde Czoppelt 99-jährig verstorben

Am 20. Oktober verstarb wenige Monate vor ihrem 100. Geburtstag am 11. Mai 2011 im Siebenbürgerheim in Rimsting am Chiemsee Mathilde Czoppelt. Zahlreiche Generationen ehemaliger Kronstädter Schüler, die nahen und weiteren Verwandten, viele Freunde und Bekannte in der alten und neuen Heimat gedenken in Dankbarkeit Tildetante, wie Mathilde Czoppelt oft genannt wurde.
Mathilde Czoppelt, geborene Binder, kam in Heltau zur Welt. Sie verbrachte mit ihren Eltern und Geschwistern eine glückliche Kindheit und Jugend in der Friedenfelsstraße in Hermannstadt. Schon in frühen Jahren war ihr die Beschäftigung mit dem Sport wichtig. So zog sie nach Abschluss des Hermannstädter Mädchengymnasiums 1929 nach Berlin zum Studium an der „Sporthochschule für Leibesübungen“. Nach der Heirat mit Kurt Czoppelt kam sie nach Kronstadt und brachte dort ihre drei Kinder Dietmar, Inge und Helgard zur Welt. Ihre berufliche Laufbahn begann nach der Schulreform 1948, nachdem sie einen von der kommunistisch gesteuerten Schuladministration verordneten Fortbildungskurs abgeschlossen hatte. Kurze Zeit unterrichtete sie an der Bartholomäer und der Han­delsschule. Bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1969 war sie Sportlehrerin am deutschen Honterusgymnasium zu Kronstadt.

Die gerade, menschlich immer offene und disziplinierte Art ihres Soseins, ihr erzieherisch wirkungsvoller Umgang mit Mädchen und Jungen während der Turn- und Sportstunden, im Schulalltag, aber auch bei den Freizeitveranstal­tungen der Schule kennzeichneten ihren beruflichen und privaten Alltag. Sie verkörperte das Ideal einer Sportlehrerin und entsprach exemplarisch den guten Traditionen des siebenbürgisch-sächsischen Schulsports. Die Förderung des Mädchensports, der sich als Breitenphänomen erst nach dem 1. Weltkrieg in Europa und auch in Siebenbürgen entwickeln konnte, war ihr sehr wichtig. Tilde Czoppelt forderte viel von ihren Zöglingen und brachte den Schulsport am deutschen Gymnasium zu Kronstadt zu manchem Höhepunkt. Ohne Umschweife, immer ehrlich und direkt regte sie die Mädchen und Jungen zu kontinuierlichen und nachhaltigen Sportbeschäftigungen an und das unter den nicht gerade idealen Konstellationen der kommunistischen Indoktrination, des überzogenen Massensports und den schlechten materiellen Bedingungen jener Zeiten – fehlten doch oft Turnhallen, Sportgeräte und Einrichtungen des Schulsports.

Mathilde Czoppelt in Rimsting, 2009. ...
Mathilde Czoppelt in Rimsting, 2009.
Die Organisation und Durchführung der Schüler-Sportwettkämpfe und die gute Zusammenarbeit mit den anderen Sportlehrern Kronstadts – Sachsen, Rumänen und Ungarn – bei Veranstaltungen in Stadien, Schwimmbecken oder auf den Skipisten und Loipen des nahen Schulergebietes waren für Frau Czoppelt eine konstante Betätigung, der sie unendlich viele Stunden ihrer Freizeit widmete. Bei der Betreuung von Schülern in Zeltlagern, bei Klassen- und Studienfahrten, bei Orientierungswettläufen war die Sportlehrerin immer präsent. Von zahlreichen lokalen und zentralen Sportveranstaltungen brachten ihre Schülerinnen und Schüler oft die höchsten Auszeichnungen, Medaillen und Titel nach Hause, sei es im Skifahren, beim Handball, in der Gymnastik oder Leichtathletik.

Die Czoppelts lebten in Kronstadt in ihrem eigenen Haus unterhalb des Böttcherrückens in der Oberen Vorstadt. Nach kriegs- und deportationsbedingter Krankheit verstarb Kurt Czoppelt im Jahre 1953. Tilde Czoppelt widmete sich nun neben ihrer beruflichen Tätigkeit intensiv der Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder. Das für Freunde und Bekannte stets gastfreundliche Haus in der După Iniște 21 b wurde besonders durch Tildetante eine Stätte der Offenheit und des sozialen Kontaktes. Im lichtdurchfluteten Wohnzimmer traf man sich z. B. bei Schulaufgaben und oft in größerem Kreis auch bei Geburtstagen oder gezielt angeregten Lesungen und Abendvorträgen.

1977 zog Tilde Czoppelt mit ihren Kindern nach Deutschland. Sie ließ sich in Freiburg nieder, unweit ihrer Schwestern und anderer Verwandter. Im Landwasser, einem Neu­baugebiet im Westen der Breisgaumetropole, pflegte sie alte und neue Freundschaften mit Menschen ihrer Umgebung und wurde aktiv im Besuchsdienst der evangelischen Gemeinde von Landwasser. Jahrzehntelang war sie Ansprechpartnerin, Betreuerin und Beraterin von vielen Gemeindegliedern. Sie unterstützte den Pfarrer in sozusagen allen Belangen, in denen die immer zahlreicheren Siebenbürger dieses Stadtviertels ihre Sozialisation und Integration in der neuen Heimat optimal erfahren konnten. Sie war eine stille Helferin, die bis ins hohe Alter den Menschen mit Rat und Tat beistand. Die letzten acht Jahre wohnte sie in München, nahe der Familie ihres Sohnes Dietmar und dessen Frau Karin. Seit 2008 lebte sie im Siebenbürgerheim in Rims­ting. Auch hier wurde sie trotz ihres hohen Alters Ansprechpartnerin und zentrale Person im sozialen Dasein der Heimbewohner. Täglich von 15.00 bis 17.00 Uhr las sie den Mitbewohnern aus der Zeitung oder aus Büchern vor, ging regelmäßig spazieren und wurde bis in ihre letzten Tage für ihr diszipliniertes, ehrliches und offenes Sosein geschätzt und geachtet.

Mathilde Czoppelt – eine Persönlichkeit, die die Zeichen ihrer Zeiten richtig erkannte, sich immer sinnvoll, z. B. durch das Abgewinnen der positiven Seiten des manipulierten Massensportes in den Jahren der kommunistischen Diktatur, in die Gesellschaft einbringen konnte. Sie war stets für andere da. Ihre Verwandten und Freunde und die vielen ehemaligen Schülerinnen und Schüler werden sie in tiefgründiger und dankbarer Erinnerung behalten.

HvK

Schlagwörter: Kronstadt, Sport, Lehrer, Nachruf

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