28. November 2012

Evangelische Landeskirche und HOG-Verband wollen Zusammenarbeit verbessern

Zur Fachtagung „Hüben und drüben. Wege der Zusammenarbeit zwischen den siebenbürgischen Heimatortsgemeinschaften und den Heimatverbliebenen“ vom 2. bis 4. November in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen waren Vertreter der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien sowie der Regionalgruppen im Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften eingeladen worden. Veranstalter war die Akademie Mitteleuropa e.V. in Zusammenarbeit mit dem Vorstand des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften (HOG). Gefördert wurde die Tagung über das Haus des Deutschen Ostens München durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen.
Der eine der beiden stellvertretenden Vorsitzenden des HOG-Verbandes, Werner Henning, begrüßte ganz herzlich die angereisten Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien: Dechant Dr. Wolfgang Wünsch, Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Architekt Dr. Hermann Fabini, Dr. Stefan Cosoroabă, die Pfarrer Andreas Hartig aus Zeiden, Walter Sinn aus Semlak, und Johann Zey aus Sächsisch Regen, Steffen Schlandt aus Kronstadt, den Bezirkskirchenkurator aus Hermannstadt, Andreas Huber, Ehepaar Elise und Matthias Kraus aus Großau, Arthur Fleischer aus Hermannstadt sowie Alois Kommer aus Târgu Mureș/Neumarkt am Mieresch. Eine kurze Vorstellungsrunde diente zum gegenseitigen Kennenlernen.

In seinem Grußwort betonte Dr. Stefan Cosoroabă seine Freude, dass das Thema der Tagung auf ein derart lebhaftes Interesse gestoßen und die Verbindung zur Heimat bei den Ausgewanderten immer noch groß sei. Der Austausch zwischen „hüben und drüben“ werde nicht mehr durch Grenzen behindert. Ein solcher Austausch sei dringend nötig, wenn man die Verteilung der Lasten betrachte. Die gesamte Last der Erhaltung des kulturellen Erbes ruhe auf den 13000 Sachsen in Siebenbürgen. Dr. Cosoroabă sprach die Hoffnung aus, dass in diesem Bereich künftig ein Ausgleich erfolgen könne und auch diese Tagung dazu beitrage.

Freitagabend leitete Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, sein Referat „Wo steht die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien heute?“ mit der Vorbemerkung ein: „Ich möchte nicht darüber sprechen, wo die Evangelische Kirche in Rumänien steht, sondern wohin sie sich bewegt.“ Es gebe hierzu das Strategiekonzept „Zukunft Kirche“. Grundton sei die Dankbarkeit, dass Gott diese Kirche in einem nicht einfachen Umfeld erhalte. Zielsetzungen gebe es auf den Gebieten von Kommunikation, Erhaltung des Kulturerbes und der Finanzverwaltung. Im letzteren Bereich sei vor allem wichtig, die Solidarität der im geistlichen und diakonischen Dienst Tätigen entsprechend zu entlohnen. Dafür sei ein Solidaritätsfonds vorgesehen, in den drei bis fünf Prozent aus dem Verkauf rückerstatteter Güter fließen sollten. In der folgenden Diskussion präzisierte Gunesch den Stand der Rückerstattungen: Rückgabeersuchen der Kirche seien erst zur Hälfte erledigt worden. Davon ca. 80% in Natura, ca. 10% als Entschädigung und ca. 10% seien abgewiesen worden. Eine weitere Problematik bei den Rückgaben wurde angesprochen: Viele rückerstattete Objekte könnten nicht genutzt werden. Anders als in Nordsiebenbürgen, wo es seinerzeit ein starkes Interesse bei orthodoxen Kirchengemeinden gab, evangelische Kirchen zu übernehmen, wodurch deren Erhalt gesichert wurde, bestehe ein solches Interesse heute nicht mehr. Orthodoxe Gemeinden würden eigene Kirchen bauen, bürgerliche Gemeinden eigene Schulen und Gemeindesäle. In der Folge stünden manche Gebäude leer.
Tagung in Bad Kissingen, von links: Dr. Stefan ...
Tagung in Bad Kissingen, von links: Dr. Stefan Cosoroabă, Karl-Heinz Brenndörfer, Andreas Huber, Dr. Wolfgang Wünsch, Friedrich Gunesch, Werner Henning. Foto: Hans Georg Baier
Karl-Heinz Brenndörfer, der andere stellvertretende HOG-Vorsitzende, hielt am Samstagmorgen ein Impulsreferat zum Thema: „Wo steht der Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen HOGs heute?“ Brenndörfer sprach über die Parallelentwicklung des Verbands der Siebenbürger Sachsen und der HOGs. Früh habe es auch schon Zusammenschlüsse auf der Ebene ortsgemeindlicher Herkunft gegeben. Erst 1980 sei die Bezeichnung „Heimatortsgemeinschaft“ entstanden, die aber nicht verbindlich sei („Nachbarschaft“, „Heimatgemeinschaft“ o.ä.). 1997 sei der Zusammenschluss zum Verband der Heimatortsgemeinschaften mit anerkannter Gemeinnützigkeit erfolgt, der in neun Regionalgruppen gegliedert ist. Der HOG-Verband habe allerdings nur beratende Funktion. Der Beitritt zum Verband der Siebenbürger Sachsen habe eine Verstärkung für beide Verbände bedeutet. Kontakte zur Heimatkirche würden gepflegt. Gute Beziehungen zu Foren gebe es bisher nur zwischen Kronstadt und der Regionalgruppe Burzenland. Werner Henning stellte fest, dass zwischen Landeskonsistorium und Verband gute Beziehungen beständen. Zwischen Ortskirchengemeinden und HOGs seien die Beziehungen lebendig und vielfältig. Lediglich im mittleren Bereich, zwischen Bezirkskonsistorien und Regionalverbänden, sei die Kommunikation noch unbefriedigend.

Zum Thema „Leben in einer Welt – Leben in zwei Welten?“ sprach Dr. Stefan Cosoroabă, Referent für institutionelle Kooperation der Landeskirche. Die Vorstellung vom „Leben in zwei Welten“ sei verbunden gewesen mit dem sogenannten „Containerdenken“ der Nationalstaaten: Wer aussiedelte, stieg gewissermaßen aus dem rumänischen Container in einen andern um. Man lebe nun nicht mehr in geographischen Räumen, sondern in sozialen Netzwerken, wie auch der HOG-Verband eines sei. Transmigration, plurilokale Existenz sei zu beobachten, etwa bei den „Sommersachsen“. Eine Umfrage habe ergeben, dass zwar 70% aller Ausgewanderten sich mit der alten Heimat verbunden fühlten, aber kaum jemand habe angegeben, dort eine Aufgabe zu haben. Andererseits werde häufig die Evangelische Kirche in Siebenbürgen als die Kirche oder gar „unsere“ Kirche empfunden. Wie der Referent erklärte, sei die Mitgliedschaft in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien für Privatpersonen nur durch Mitgliedschaft in einer örtlichen Kirchengemeinde möglich. Die alte Regel, dass man 183 Tage im Jahr dort anwesend sein müsse, gelte nicht mehr. Die Kirchenordnung sehe zwei Arten der Mitgliedschaft vor: die Vollmitgliedschaft und die Mitgliedschaft im Sonderstatus. Die Vollmitgliedschaft stehe ­jedem Ausgesiedelten offen. Ein Austritt aus seiner bisherigen Kirchengemeinde sei nicht notwendig, da es ein Abkommen mit der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa gebe, das eine Doppelmitgliedschaft möglich mache. Allerdings setze die Vollmitgliedschaft auch Pflichten voraus, die in der Regel nur durch Präsenz am Ort erfüllbar seien. Es liege im Ermessen jedes Einzelnen zu prüfen, ob für ihn nicht eine Mitgliedschaft im Sonderstatus eher in Frage komme. Er sei dann zahlendes Mitglied der Gemeinde, ohne aktives und passives Wahlrecht.

Seinen „Bericht über Denkmalpflege an siebenbürgisch-sächsischen Baudenkmälern“ erstattete danach Architekt Dr. Hermann Fabini. Seit 1968 gebe es eine Bauabteilung. Bis zur Wende habe die Kirche eine Gruppe eigener Handwerker halten können. Nach der Wende sei dies nicht mehr möglich. Zurzeit gebe es 18 EU-Projekte. An sechs davon sei er selber beteiligt. Wo es möglich sei, werde versucht, die Einheit von Kirche, Pfarrhaus und eventuell Schule zu erhalten. Vor allem in den Städten sei aber nicht alles stilvoll, was gebaut werde.

Eine Zusammenstellung großformatiger Fotografien zeigte Peter Jacobi unter dem Titel „Gefährdetes siebenbürgisches Kulturerbe“. Der siebenbürgische Künstler bot nicht nur Bilder verlassener Objekte, sondern auch suggestive Großaufnahmen, und betonte, dass nicht allein das Dokumentieren des Verlassenen Zweck seiner Bilder sei, vielmehr habe er versucht, auch die Bilder des Verlassenen in der Art von Stillleben zu gestalten.

Dieter Lomb aus Kassel berichtete über den Förderverein Ausbildungszentrum Kirchenburgen e.V. mit Sitz in Kassel. Unter Trägerschaft des Kirchenbezirkes Mediasch laufe derzeit das Projekt „Jugendbauhütte Pretai“, bei dem junge Menschen in bauhandwerklichen Berufen ausgebildet würden.

Dr. Wolfram Theilemann (Nordhausen) referierte über „Gesichertes kirchliches Archivgut. Das Zentralarchiv der EKR“. Obwohl nicht mehr in Hermannstadt beschäftigt, kann Dr. Theilemann auf Grund seiner Kenntnis durch die dortige Tätigkeit berichten: Das Archivgut der Evangelischen Kirche in Rumänien könne zum Großteil in kirchlicher Obhut als gesichert gelten. Im Zentralarchiv als Fachabteilung des Landeskonsistoriums im Friedrich-Teutsch-Haus befänden sich die Unterlagen der Kirchenleitung, Bezirkskonsistorien und Dekanatämter, landeskirchlicher Ämter und Werke sowie von 280 Gemeindearchiven. Dazu: Bildarchiv mit 30 000 Verzeichniseinheiten (zur Hälfte erschlossen), Notenmaterial, historische Drucke, Gesangbuchsammlung, Nachlässe Emil und Josef Fischer, Vorlass Eginald Schlattner, Filmrollen von Frieder Schuller und eine Siegelsammlung. Eine wichtige Frage, die gestellt wurde, betraf den Umgang mit Gedenkbüchern. Dr. Theilemann zufolge werde beim Landeskonsistorium eine Schutzfrist von 70 Jahren beachtet. Karl-Heinz Brenndörfer wies darauf hin, dass, wer aus einer HOG im landeskirchlichen Archiv arbeiten will, sich von ihm eine Bescheinigung ausstellen lassen solle.

Steffen Schlandt (Kronstadt), Organist, Dirigent des Bachchors und anderer Chöre, Forumsmitglied, sprach über „Kulturvermittlung durch Siebenbürger Sachsen im veränderten Kontext“. Obwohl sich der Vortrag auf Kronstadt beschränkte, wurden so viele Arbeitsfelder und Möglichkeiten der Kulturvermittlung aufgezählt, dass hier nur exemplarisch einige herausgegriffen werden können. Als Vermittler von deutschsprachiger Kultur in Kronstadt wurden Kirche, Forum, Schulen, Kulturgruppen, Publikationen aufgezählt. Zum Profil der Gruppen sagte Schlandt: „Die Bindung an die Gruppe erfolgt durch den/die Leiter/-in und nicht durch finanzielle Stimulation“, also durch Gemeinschaftsgefühl.

Am Samstagabend setzten sich die Regionalgruppen zu internen Besprechungen zusammen. Der Sonntag begann mit einem Gottesdienst nach siebenbürgischer Ordnung, den Dechant Dr. Wolfgang Wünsch (Petersdorf) hielt. Die abschließende Podiumsdiskussion stellte der Moderator Dr. Cosoroabă unter die leicht provokante Frage: „Wovon träumst du?“. Die Fülle der geäußerten Meinungen, Anregungen und Wünsche kann hier nicht wiedergegeben werden. Auch Nachdenkliches war zu hören, etwa dass es in einigen HOGs intern auch Widerstand gegen eine zu enge Zusammenarbeit mit der heimatlichen Landeskirche gebe. Mag mancher Wunsch nur Wunschtraum bleiben. Ein guter Schritt auf einem guten Weg wurde getan. Das bestätigte nicht zuletzt Hauptanwalt Gunesch, der befand, dass diese Tagung in ihrem Verlauf besser gewesen sei als alle vergleichbaren davor. Er sprach vielen Teilnehmern aus dem Herzen, als er Studienleiter Gustav Binder für die ausgezeichnete Organisation und die fürsorgliche Betreuung der Gäste im Tagungsverlauf dankte.

Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Tagung, Bad Kissingen, Landeskirche, HOG-Verband

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