2. Mai 2006

Der Rentenbescheid muss tatsächlich angefochten werden

Das Bundesverfassungsgericht strebt, wie in dieser Zeitung berichtet, eine baldige Entscheidung bei Fremdrentenkürzungen an. Die häufig aufgeworfenen Fragen, die in der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft seither eingegangen sind, beantwortet im Folgenden Rechtsanwalt Dr. Bernd Fabritius, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft, als einer der Anwälte des Anwaltspools der "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen".
Betroffen sind zahlreiche Siebenbürger Sachsen, die seit dem 1. Oktober 1996 in Rente gegangen sind. Durch die Kürzung der Fremdrentenbewertung für Rentenzahlungen um vierzig Prozent müssen sie existenzielle Einschnitte hinnehmen. Auf Initiative der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen wurde vor knapp zehn Jahren die "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen" gegründet, die gegen das vor knapp zehn Jahren verabschiedete Gesetz prozessiert.

Ich bin der Interessengemeinschaft beigetreten. Jetzt habe ich auch den Rentenbescheid erhalten. Muss ich noch etwas wegen der 40-%-Kürzung unternehmen oder reicht es aus, Mitglied der Interessengemeinschaft zu sein.

Die Mitgliedschaft in der "Interessengemeinschaft gegen Frendrentenkürzungen" bedeutet nicht die erforderliche Anfechtung des Bescheides. Es ist also nicht ausreichend, der Interessengemeinschaft fristgerecht beizutreten, sondern es muss der Rentenbescheid eingereicht werden, in dem die 40-Prozent-Kürzung enthalten ist. Nach Einreichung des Bescheides wird das Mitglied von einem Anwalt des Anwaltspools angeschrieben und es wird eine Vollmacht angefordert. Erst mit dieser Vollmacht kann der für den Anwaltspool tätige Anwalt den Bescheid bei der Rentenbehörde anfechten. Wenn also jemand der Interessengemeinschaft beigetreten ist, aber den Bescheid nicht an diese eingesendet hat (z.B. weil der Bescheid zum Zeitpunkt des Beitrittes nicht vorhanden war oder dieses übersehen wurde), dann ist die Anfechtung nicht erfolgt. In diesen Fällen sollten die Betroffenen den Bescheid an die Interessengemeinschaft einsenden und nach Aufforderung die notwendige Vollmacht zur Anfechtung übermitteln.

Mein Ehemann ist schon vor Jahren der Interessengemeinschaft beigetreten. Jetzt habe auch ich den Rentenbescheid bekommen. Reicht die Familienmitgliedschaft aus, damit die Kürzung auch bei mir angefochten ist?

Nein, wie oben erläutert, kann nur der Rentenbescheid tatsächlich angefochten werden, der an die Interessengemeinschaft eingesandt wurde. Jeder Betroffene, der sich gegen die Kürzung wehren will, muss also seinen eigenen Bescheid einsenden. Das sollte zeitgerecht erfolgen, damit Fristen eingehalten werden können. Die "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen" kann nur für jene Familienmitglieder aktiv werden, deren Bescheide überhaupt bekannt sind.

Was machen die Anwälte des Anwaltspools, wenn ich meinen Bescheid an die Interessengemeinschaft eingereicht habe und welche Kosten entstehen dadurch für mich?

Wenn ein Betroffener seinen Bescheid an die Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft sendet, dann wird dieser nach der getroffenen Auswahl im Mitgliedschaftsformular oder nach Wohnsitznähe an den zuständigen Anwalt des Pools übermittelt. Dieser wird den Bescheid wegen der 40-%-Kürzung anfechten (je nach Fall und Erfordernis mit einem Widerspruch, Klageschriften oder einem Antrag gemäß § 44 SGB X) und vom Betroffenen eine Vollmacht anfordern, weil diese für die Anfechtung zwingend erforderlich ist. Fallweise wird er auch weitere Unterlagen und einen Lebenslauf anfordern.
Anhand des eingesandten Lebenslaufes prüft der Anwalt den Bescheid - zusätzlich zur Anfechtung der 40-%-Kürzung - auch auf mögliche andere Fehler im Bescheid und weist den Betroffenen darauf hin (z.B. auf falsche Qualifikationsgruppen, fehlende Nachweisanerkennung und weitere Kürzungen etc).
Sowohl für die Anfechtung des Bescheides wegen der 40-%-Kürzung als auch für die Grobsichtung auf Grundlage des Lebenslaufes, der vollständig und chronologisch sein sollte, fallen für den Betroffenen keine weiteren Kosten als der Mitgliedsbeitrag zur Interessengemeinschaft an.

Wenn ich eine umfassende Prüfung oder eine Anfechtung der aufgezeigten Fehler möchte, erfolgt dieses ebenfalls im Rahmen der Interessengemeinschaft?

Nein, diese weitergehende Tätigkeit ist nicht mehr Aufgabe der Interessengemeinschaft. Wenn Betroffene einen weitergehenden Auftrag zur Anfechtung möglicher anderer Fehler als der 40-%-Kürzung oder eine Vollprüfung des Rentenkontos in Auftrag geben wollen, kann der Poolanwalt entsprechend tätig werden und hierfür (also für den weitergehenden Auftrag, der mit der 40-Prozent-Kürzung nichts zu tun hat) die dafür anfallenden gesetzlichen Kosten in Rechnung stellen.

Kann ich meinen Bescheid auch selbst angreifen?

Jeder Betroffene kann seinen Bescheid selbst angreifen. Erforderlich ist ein Schreiben an die Rentenbehörde, in welchem die Absicht einer Anfechtung der Kürzung erklärt wird. Besondere Formvorschriften bestehen nicht. Die Bezeichnung des Schreibens als "Widerspruch" ist zwar hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich, da die Rentenbehörde das Begehren des Betroffenen durch Auslegung ermitteln muss. Das Schreiben muss an die Rentenbehörde gerichtet sein. Auch Schreiben an eine andere Behörde (z.B. die Stadtverwaltung oder das Landratsamt) reichen aus, wenn daraus ersichtlich ist, dass der Rentenbescheid angegriffen sein soll. Diese Stellen würden das Schreiben dann an die Rentenbehörde weiterleiten.
Wird der Widerspruch nur an eine andere Stelle als eine Behörde (also z.B. an die Landsmannschaft oder andere Vereine) eingereicht, dann hat das noch keine Anfechtungswirkung.

Ich habe meinen Bescheid selbst angefochten. Daraufhin antwortete die Rentenbehörde negativ. Muss ich noch etwas unternehmen?

Das hängt sehr von der Antwort der Rentenbehörde ab. Grundsätzlich reicht es aus, wenn Betroffene selbst wie beschrieben die Rentenbescheide anfechten. Wichtig ist, dass die Verfahren "offen" bleiben, also entweder förmlich oder tatsächlich ruhen. Sie dürfen nicht durch eine negative Entscheidung abgeschlossen sein. Wenn also die Behörde nur den Eingang bestätigt hat oder auch mitgeteilt hat, das Verfahren würde ruhen, dann muss der Betroffene nichts weiter unternehmen und kann weitere Vorgänge (z.B. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes) abwarten.
Hat allerdings die Rentenbehörde oder später ein Gericht negativ entschieden (den Antrag auf ungekürzte Rente abgelehnt), dann muss auch diese Entscheidung angegriffen werden. Fristen sind zu beachten. Negative Entscheidungen beenden nämlich das Verfahren, wenn sie nicht weiter angefochten werden. Hat jemand eine solche negative Entscheidung bekommen und sich nicht dagegen gewehrt, dann sollte er prüfen lassen, wie weiter zu verfahren ist, damit ein "offenes Verfahren" geschaffen wird.

Ich habe gehört, in Rumänien würde ein Ausgleich für die 40-%-Kürzung gezahlt werden. Ist das zutreffend?

Nein, das ist eine schlichte Fehlinformation oder ein Missverständnis. Rumänien zahlt keinerlei Leistungen zum Ausgleich einer Kürzung in Deutschland. Einige Landsleute verwechseln einfach die manchmal nach rumänischem Recht mögliche (reguläre) Rentenzahlung in Rumänien. Für Beitragszeiten, die in Rumänien zurückgelegt worden sind, kann unter bestimmten Voraussetzungen nach rumänischem Recht dort eine Rente beantragt werden. Diese hat mit der 40-Prozent-Kürzung gar nichts zu tun. Meist sind jedoch die Verfahrenskosten höher als die in Rumänien zu erzielende rumänische Rente. Ein Antrag lohnt sich daher in aller Regel nicht. Auch würde diese Rente aus Rumänien von der deutschen Rente abgezogen werden. Die Rentenzahlung aus Rumänien müsste der deutschen Rentenbehörde angezeigt werden.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2006, Seite 3)

Schlagwörter: Rechtsfragen, Rente, Verbandspolitik

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