4. Dezember 2006

Leserecho: Wollen wir Sachsen bleiben?

Sachsen gibt es viele, Siebenbürger nicht. Warum also nicht einfach auf den sächsischen Zusatz verzichten, der zu oft zu Missverständnissen führt? Götz Conradt in München nennt einige Gründe, die dafür sprechen.
Die Anregung zu diesen Zeilen geht zurück auf Erkenntnisse von im Bundesland Sachsen lebenden Landsleuten. Es ist eine ebenso heikle, wie brisante Frage, ob unser Volksname „Siebenbürger Sachsen“ zukünftig in der Diaspora noch in dieser Form sinnvoll erscheint. Der in Siebenbürgen übliche Volksname „sas“ (rumänisch) oder „szász“ (ungarisch) steht deshalb nicht zur Diskussion.

Für Friedrich Teutsch gab es im 19. Jahrhundert das „sächsische Volk“ oder die „sächsische Nation“. Der Name wurde zum Begriff und erhielt Symbolkraft in einer Zeit, in der dieses Völkchen tatsächlich in Siebenbürgen lebte, aber im Ausland stets präsent war. Bezeichnenderweise aber immatrikulierten sich siebenbürgisch-sächsische Studenten in Leipzig, Halle oder Jena mit dem Vermerk „aus Siebenbürgen“. Hans Meschendörfer spricht in seinem Buch „Siebenbürger. Der Name und seine Träger im Europa des 13. bis 17.Jahrhunderts“ kaum von „Siebenbürger Sachsen“. Und Harald Zimmermann bemerkt in seinem Vortrag „Herkunft und Zukunft der Siebenbürger Sachsen“ (SbZ 17/2003), dass es allgemein schwierig sei, den „Sachsen“ nicht als Herkunftsnamen zu deuten.

Passt der „Sachse“ im 21. Jahrhundert noch in unseren Volksnamen? Heute leben 99% der Siebenbürger Sachsen außerhalb Siebenbürgens, Tendenz steigend. Aber etwa jeder Zehnte deutsche Bundesbürger bezeichnet sich aufgrund seines Wohnorts oder seiner Herkunft zu Recht als Sachse. Das kann dauerhaft nicht ignoriert werden. Aus heutiger Sicht erscheint die Frage der Zukunftstauglichkeit angesichts der gewaltigen Verschiebung des deutschsprachigen Lebensraums durchaus einer näheren Betrachtung wert. Wie wäre es, wenn wir uns schlicht SIEBENBÜRGER nennen? Ein Herkunftsname, der schon in seiner lateinischen Fassung (Septemcastrensis) in Europa weit verbreitet war.

Die Frage vor allem junger Deutscher siebenbürgischer Herkunft nach dem Sinn des Wortes „Sachsen“ in unserem Volksnamen ist in Kürze und ohne Geschichtskenntnisse kaum zu beantworten. Was haben Siebenbürger Sachsen mit Sachsen, Niedersachsen, Angelsachsen oder Anhaltiner Sachsen gemeinsam? Erzgebirgler und Ostfriesen zum Beispiel liegen sprachlich und ethnisch weit auseinander und haben doch etwas gemeinsam: Sie leben in sächsischen Landen. Und Siebenbürger Sachsen? Wo liegt da die Verwandtschaft, das Gemeinsame? Ratlosigkeit bei den Alten, Unverständnis bei den Jungen, von denen wir mit Recht erwarten, dass sie Bindeglied zur Zukunft sein sollen. Und die sächsische Mundart? Dieser Begriff ist im heutigen deutschen Sprachraum bereits seit Langem anderweitig besetzt.

Da gäbe es noch den Einwand, dass ein neuer Begriff „Siebenbürger“ alle in Siebenbürgen ansässigen Volksgruppen, wie die Ungarn und Rumänen, einschließen würde. Dem ist nicht so, denn im Unterschied zum Banat zum Beispiel, gibt es den Begriff „Siebenbürgen“ nur in der deutschen Sprache. Ob Siebenbürgen und Transsylvanien (Erdély, Ardeal) tatsächlich dasselbe ist, darüber hätte man sich mehr Aufklärung aus berufenem Munde gewünscht. Zum Vergleich: Wer im deutschen Sprachraum von Schlesiern spricht, meint nicht die in Schlesien (immer schon) lebenden Polen oder Sorben. Und Südtiroler sind für uns Menschen deutscher Zunge.

Die Vielfalt ist groß und die Frage ist nicht: Was ist falsch, was richtig? Sondern was ist künftig vermittelbarer? Thomas Nägler (SbZ vom 31.10.2002) hält das siebenbürgische und das sächsische in unserem Volksnamen für untrennbar, aber die historische Betrachtungsweise muss nicht zwangsläufig mit der zukunftsorientierten übereinstimmen. Es hat in der Vergangenheit schon kluge vorausschauende Köpfe gegeben, die auf das „Sächsische“ im Volksnamen im Dienste der Vermittelbarkeit verzichtet haben. Und da ist noch ein bisher wenig beachteter Gesichtspunkt: Mit großer Selbstverständlichkeit nehmen wir für uns in Anspruch, bei Integrationsbemühungen unterstützt zu werden. Da wäre es doch ein Beweis der Glaubwürdigkeit, wenn wir unsererseits in Siebenbürgen lebende und mit uns ausgewanderte Splittergruppen – wie Zipser, Buchenländer, Landler, Banater Schwaben oder Batschka-Deutsche – im Volke der neuen Siebenbürger integrieren.

Zugegeben, der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig und es ist ja weit mehr, als etwa beim Standesamt eine Namensänderung zu beantragen. Das ist keine Abkehr von unserem positiven und einem Gemeinsinn fördernden Geschichtsbild und Selbstverständnis, auch kein Identitätsverlust und hat auch nichts mit der immer wieder prognostizierten „Finis Saxoniae“ zu tun. Wenn dieses Erbe aber durch einen klaren, unmissverständlichen Volksnamen in seinem Fortbestand gestärkt werden könnte oder wenn, wie es der Bundesvorsitzende Volker Dürr auf dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kirchentag 2003 in Heilbronn als unsere Herausforderung formuliert hat, wir dadurch bessere Chancen hätten, uns „auch in den größeren Dimensionen der Gegenwart und der Zukunft“ einzubringen, sollte zumindest laut darüber nachgedacht werden.

Götz Conradt, München

Schlagwörter: Leserecho, Geschichte, Siebenbürger Sachsen

Bewerten:

3 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.