10. September 2004

Transmigration der Landler jährt sich zum 270. Mal

300 Nachkommen gedachten in Bad Goisern den vor 270 Jahren aus Österreich nach Siebenbürgen deportierten Landler. Ein gemeinsamer Aufstieg zum Predigtstuhl, dem einzig sicheren Treffpunkt der Evangelischen in der Zeit des Geheimprotestantismus rundete das vielfältige Festprogramm ab.
270 Jahre seit der ersten Transmigration unter Kaiser Karl VI., der zwangsweisen Umsiedlung evangelischer Landler aus dem Salzkammergut nach Siebenbürgen - dies war Anlass und Thema der Gedenkveranstaltung vom 14.-15. August 2004 in Goisern. Es wurde derjenigen Menschen gedacht, die damals mit rücksichtsloser Härte aus ihrer angestammten Heimat nach Siebenbürgen verbracht wurden, allein deshalb, weil sie ihrem evangelisch-lutherischem Glauben treu bleiben wollten. Es war ein überaus gelungenes und interessantes Treffen, dessen Programm diesem denkwürdigen Ereignis angemessenen gestaltet war.

 Gut besuchter Festgottesdienst in Bad Goisern.  Fotos: Frank Schartner
Gut besuchter Festgottesdienst in Bad Goisern.Fotos: Frank Schartner

Weit über 300 Nachkommen der ehemals Deportierten, allgemein als Landler bekannt, waren angereist, um gemeinsam mit zahlreichen Bürgern der Stadt Goisern an diesen Festlichkeiten teilzunehmen. Das Treffen begann mit einer Gedenkveranstaltung in der voll besetzten evangelischen Kirche von Goisern. Pfarrer Gerhard Koller und Bürgermeister OSR Gert Aigmüller begrüßten die Anwesenden herzlich, insbesondere alle Neppendorfer, Großauer und Großpolder Gäste. Beide gedachten des damaligen Geschehens und würdigten die Charakter- und Glaubensstärke sowie den Fleiß und die Genügsamkeit der Deportierten und ihrer Nachkommen, die in Siebenbürgen, in einer ganz neuen und fremden Umgebung ihren Platz und eine neue Heimat fanden.

Im Namen der drei Landlergemeinden hielt Eva Hoffmann (Neppendorf) einen sehr interessanten Vortrag über Ursachen und Verlauf der Deportation, über die Ankunft und Aufnahme der Betroffenen in Siebenbürgen sowie deren Integration in die vorgefundene evangelische sächsische Gemeinschaft. Die gefühlsmäßige Anspannung der Anwesenden lag fast greifbar in der Luft, als von dem Schicksal der 256 Deportierten, die diesen ersten Transport von 1734 ausmachten, berichtet wurde. Am 4. Juli 1734 startete dieser mit vier gedeckten Schiffen ("Siebner Zillen") von Steeg am Hallstädter See, über die Traun zur Donau und anschließend durch den neuen Bega-Kanal bis Temeschburg. Von dort ging es dann mit Wägen fürs Gepäck und die Kinder, die Restlichen zu Fuß, bis Heltau, nahe Hermannstadt, wo eine Notunterkunft vorbereitet worden war. 47 Tage dauerte diese leidvolle Reise unter Bedingungen, die so kräftezehrend war, dass im Verlaufe des ersten Monats Aufenthalt in Heltau fast 20 Prozent der Transmigranten verstarben. Am 19. September 1734 wurden 168 Deportierte nach Neppendorf gebracht und in leerstehenden Höfen angesiedelt. Nach anfänglichem Misstrauen und enormen Verständigungsschwierigkeiten infolge der großen Dialektunterschiede entstand zwischen den alteingesessenen Sachsen und den Neuankömmlingen nach und nach, aufgrund des gemeinsamen Glaubens und des wachsenden gegenseitigen Vertrauens, ein freundschaftliches, gutnachbarschaftliches Miteinander. Ähnlich verliefen die späteren Transmigranten-Schübe und deren Ansiedlung in Großau, Großpold und anderen Ortschaften im "Alten Land" um Hermannstadt.

Ebenfalls hoch interessant war der nachfolgende Filmvortrag von Religionslehrer Gerhard Schilcher über Brigitta Wallner aus Gosau, ein Film, der unter seiner Federführung von Schülern und Konfirmanden der HS Goisern gedreht wurde. Thema ist das Leben der mutigen Holzknechtswitwe Brigitta Wallner, einer bekennenden Protestantin, deren Wirken und Verfolgung in der Zeit des Geheimprotestantismus. Der evangelische Glauben galt als Staatsverbrechen und wurde entsprechend hart bestraft. Trotzdem ging sie immer wieder zu Fuß nach Deutschland, um an evangelischen Gottesdiensten teilzunehmen. Auf ihrem Rückweg brachte sie dann in ihrem Tragkorb wertvolle Bibeln und Schriften mit nach Hause. Sie wurde dabei mehrmals gefasst und zu schweren Kerkerstrafen verurteilt.

 Blick in das Landlermuseum
Blick in das Landlermuseum

Für Großau las Josef Ramsauer zwei Gedichte vor: in landlerischer Mundart "Gibt`s e Mehrzahl fi Huamet? " von Michael Liebhardt, und "Unvergessen" von Altlehrer Josef Beer. Ebenfalls in ihrer landlerischen Mundart lasen Maria Glatz und Georg Kramer für Großpold aus den Texten des Großpolder Dichters Otto Piringer, eines der beliebtesten Siebenbürger Humoristen vor, darunter das für alle Landler symbolische Gedicht "Nit loss di, eh! ". Musikalisch untermalt wurde die gesamte Festveranstaltung mit Einlagen der "Goiserer" Neppendörfer, unterstützt durch das Duo Kurt Reisenauer & Siegfried Hundt (Augsburg). Sie brachten zwischen den einzelnen Beiträgen volkstümliche Weisen in professioneller Qualität. Mit Charme und Humor stellte der Kurator der evangelischen Kirche Goisern, Herbert Kefer, das Programm für den Sonntag vor. Gemeinsam sangen dann Landler und Goiserer die Landeshymne von Oberösterreich. Mit dem Segen von Pfarrer Koller und dem Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" schloss die von Josef Ramsauer (Großau) gekonnt moderierte Festveranstaltung.

Es folgte der unterhaltsame Teil des Tages im vollen Vereinssaal von Goisern. Bei guter Verköstigung und wunderbarer Musik wurde getanzt und "geschwätzt" bis 3 Uhr morgens. Das Duo Kurt Reisenauer & Siegfried und die "Familienkapelle" Reisenauer & Rastel der "Goiserer" Neppendörfer sorgten gemeinsam für eine stimmungsvolle Tanzmusik. In seiner Ansprache würdigte der Vizebürgermeister von Goisern, Günther Siegel, ganz besonders diese vier Neppendorfer Familien, die nach dem politischen Umbruch in Rumänien, gemeinsam als Großfamilie, in Goisern ihre neue Heimat fanden. Sie seien geradezu ein Paradebeispiel an Integrationsfähigkeit in ihre neue Umgebung. Durch ihren Fleiß und Schaffenskraft, den gemeinsamen Bau ihrer Familienhäuser hätten sie die volle Anerkennung ihrer Nachbarn erreicht und wären dank ihrer aktiven Beiträge zum Vereins- und Musikleben der Stadt zu wahren Goiserern geworden. An dieser Stelle ein besonders herzlicher Dank an alle Musizierenden für ihre Darbietungen sowohl bei der Gedenkveranstaltung in der Kirche als auch abends beim gemütlichen Teil. Dass sie dies sehr gerne kostenlos gemacht haben, verdient besondere Anerkennung.

Sonntagmorgens hielt Pfarrer Mathias Stieger für Landler und Goiserer in der vollen evangelischen Kirche einen Festgottesdienst, musikalisch mitgestaltet an der Orgel von dessen Tochter Christine. Für das Ereignis der Deportation vor 270 Jahren und die damit verbundenen tragischen Schicksale der Betroffenen fand er die richtigen Worte. Herzlichen Dank dafür an Pfarrer Mathias Stieger und an Christine für ihr einfühlsames Orgelspiel.

Durch die Kollekte dieses Gottesdienstes, die eingegangenen Spenden und den Erlös aus dem Abzeichenverkauf vom Vorabend konnte den Kirchengemeinden Goisern, Neppendorf, Großau und Großpold je 450 Euro für soziale Zwecke übergeben und die entstandenen Unkosten der Veranstaltung gedeckt werden.

Beim Besuch des Landlermuseums wurden die Erwartungen vieler angereister Besucher weit übertroffen. Das 1992 im Erdgeschoss des Goiserer Heimatmuseums eingerichtete Landlermuseum dokumentiert in eindrucksvoller Weise anhand von alten und neueren Dokumenten, Briefen, Fotos, Werkzeugen, Trachten, Möbeln usw. in vier Ausstellungsräumen die Geschichte und die Lebensweise der Landler, von der Deportation nach Siebenbürgen bis zu ihrer Aussiedlung nach 1989. Die Stadt Goisern hat mit der Einrichtung dieses einmaligen Museums ihr besonderes Verhältnis zu den Landlern und ihrer schicksalhaften Vergangenheit überzeugend dokumentiert.


Die zweitägige Veranstaltung in Goisern fand ihren krönenden Abschluss in einer gemeinsamen Wanderung zum Predigtstuhl und dem darunter liegenden Bibelloch. Der Predigstuhl auf einer Felsenspitze über Goisern in 1 176 m Höhe war ein sicherer Treffpunkt der Evangelischen in der Zeit des Geheimprotestantismus. In dem schwer zugänglichen Bibelloch wurden die verbotenen Bibeln und evangelische Schriften versteckt. Unter der ortskundigen Leitung von Kirchenkurator Kefer und dessen Sohn oben auf dem Predigtstuhl angekommen, entschädigte uns ein wunderbarer Ausblick auf den Hallstätter See und die Gletscher des Dachsteinmassivs für die vorherigen Anstrengungen.

 Oben auf dem Predigtstuhl; Versteck für die verbotenen Bibeln und evangelischen Schriften
Oben auf dem Predigtstuhl; Versteck für die verbotenen Bibeln und evangelischen Schriften

Nach dem einstündigen Abstieg folgten wir der Einladung von Herbert Ellmer, Gastwirt der hoch über Goisern gelegenen Rathluck`n Hütte. Bei strahlendem Sonnenschein, gutem Kaffee und Kuchen und volkstümlicher Live-Musik konnte man die Erlebnisse der beiden Tage nochmals Revue passieren lassen. Der Gastwirt, durch viele Hilfstransporte für die Landlergemeinden seit 1989 bekannt, hatte seine Chor- und Musikfreunde in seinem Gasthaus mobilisiert, um den eingekehrten Landlern ein Ständchen zu bringen.

Die wunderbare Gastfreundschaft und Aufgeschlossenheit der Goiserer beeindrucken immer wieder und machten auch dieses Treffen zu einem unvergesslichen Erlebnis. Zum Schluss nochmals vielen Dank an alle, die zum Gelingen des Treffens beigetragen haben, ganz besonders an Pfarrer Mathias Stieger, Kurator Kefer und die unermüdliche Eva Hoffmann als kompetente Landlervertreterin, für die sehr gute Organisation dieser Gedenkveranstaltung.

Frank Schartner

Fotostrecke Gedenkfeier 270 Jahre Transmigration der Landler in Bad Goisern 2004

Schlagwörter: Landler, Deportation, Österreich, Transmigration

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