28. Juni 2007

290 Schönauer feiern daheim wie einst

Von ihren Festen des Jahres war eines das besondere: das Rinnenfest. Das gab es nur in Schönau an der Kleinen Kokel. Neuer Weg- und TV-Reporter aus Bukarest haben es in guter Erinnerung. Nun, nachdem sie ihren „Rinnenfestwagen“ sogar auf dem Oktoberfestzug in München präsentiert hatten (geschmückt wurde er damals in Zorneding im Münchner Osten), wollten die Schönauer wieder einmal in ihrer Heimatgemeinde feiern. Im Vorfeld gab es monatelange Vorbereitungen. Wie sollte alles glatt über die Bühne gehen, wo von ehemals gut 1 300 Sachsen nur noch eine Handvoll übrig geblieben sind, die Häuser verkauft...?
Die HOG Schönau und ihre fünf Nachbarschaften (in Bayern Süd und Nord, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen) sind gut organisiert. 40 Jugendliche beginnen zu üben. Die traditionellen Lieder (übrigens alle in Hochdeutsch) müssen sie erst lernen. 150 T-Shirts mit dem Aufdruck „Schönau 2007 – Mir kiesen sacksesch“ werden bestellt. Den passenden Koberwagen, in dem mehr als ein Dutzend Burschen auf Baumstämmen Platz finden, gibt es noch in Schönau. Die Pferde leiht man bei einem Ungarn im nahen Klosdorf und das obligate Paar Ochsen kommt per Lkw aus dem Dorf Stremț bei Teiuș. Ein blonder rumänischer Junge in weißer Tracht mit breitem „brăcinar“ (Ledergürtel) spannt sie vor den Festwagen.
Stundenlang zieht der geschmückte Wagen durch die ...
Stundenlang zieht der geschmückte Wagen durch die Gemeinde. Foto: Ewalt Zweyer
Und das Quartier für so viele und für eine ganze Woche? Die Rumänen haben die ehemaligen Hauseigentümer – die meisten waren ja erst 1990 ausgewandert – mit aller Herzlichkeit aufgenommen. Gastfreundschaft ohne Grenzen. Schon am Pfingstsonntag war ganz Schönau von festlich-froher Stimmung erfüllt. Gepredigt haben in der evangelische Kirche an den beiden Feiertagen der Diasporapfarrer Dr. Jürgen Henkel und der Bezirksdechant Pfarrer Gerhard Wagner aus Karlsburg. Beim Festessen im großen Saal waren die rumänischen Gastgeber natürlich dabei. Was dann am Dienstagabend im ehemals herrschaftlichen Schloss von Kokelburg/Cetatea de Baltă geschah, übertraf alle Erwartungen.

Fürstlich bewirtet im Schloss

Liviu Necșulescu (77), der steinreiche Eigentümer des berühmten Seidener Weinguts, dem jetzt schon die ganze „Weinstraße“ an der Kleinen Kokel inklusive Weinbau-Versuchsstation in Blasendorf gehört, hatte alle Schönauer und den aus Zorneding angereisten Jubilate-Chor, noch einmal 45 Personen, eingeladen und auf eigene Rechnung fürstlich bewirtet. Zu der nach allen Regeln der Kunst gebotenen Weinprobe und einem Festmahl passte das komplette Hermannstädter Ensemble „Junii Sibiuliu“, das nicht nur rumänische Lieder und Tänze mit Live-Musik sondern auch fulminante Tänze aus dem internationalen Repertoire bot. Große Klasse!

Leider konnte die Jugend an diesem Abend nicht dabei sein. Die hatten Arbeit. Das mit dem Traktor aus dem Wald herangebrachte Eichenlaub, die vielen Nelken, rot und weiß, die bunten Bänder, das alles musste noch zum Schmuck des Festwagens unter der Leitung von Samuel Roth kunstvoll zusammengefügt werden. Außerdem hat der alte Ortsbrauch seinen praktischen Sinn: Es geht darum, die Wiesenquellen und Feldbrunnen einmal im Jahr ordentlich zu reinigen und, wo es der Fall ist, als Viehtränken herzurichten. Von den fünf „Rinnen“ (dazu gehört eine „Truddenränn und die „Kokeschränn“) hat man sich diesmal auf eine beschränkt: die in Dorfnähe gelegene „Fuchsrinne“. Die wurde dann von den Burschen geschmückt. In einer älteren Schrift hierzu wird festgehalten: „Eichenbohlen, die das Quellwasser im Erdkessel stauen, werden bäuerlich bemalt und das Monogramm des Rinnnenwirts wird angebracht, samt der Jahreszahl im Kerbschnitt. Abflussrohre und Sickerbecken werden gereinigt oder neu gemacht und am Sonntagmorgen frisch eingesetzt.“

Vor gut 30 Jahren hatte ich als Reporter Hans Morgen zu dieser schönen Beschäftigung begleitet. Das Wiedersehen mit dem inzwischen schon zweifachen Großvater war herzerfrischend. Die Familie Morgen ist in Schorndorf in der Nachbarschaft und in der Kreisgruppe der Landsmannschaft ehrenamtlich aktiv. „Rinnenwirt“ oder „Rinnenvater“ ist diesmal Norbert Bloos (28) aus Zorneding bei München. Daher die Initialen auf dem Festwagen „NB“. Er ist ein Enkel des Georg Litschel sen. (71), Rentner und Hausmeister auf dem Herzogplatz in Zorneding. Aus diesem Ort in Oberbayern sind übrigens 20 Festteilnehmer angereist, die alle zu der Großfamilie Gärtner-Litschel-Bloos gehören. Hans Gärtner jun. ist der Vorsitzende der HOG Schönau in Deutschland. Ihm und seiner Frau Gerda gebührt das Hauptverdienst am Zustandekommen und am Gelingen dieses ganzen Projekts. Eine erstaunliche logistische Leistung!
Hans Morgen (55), diesmal verantwortlich für ...
Hans Morgen (55), diesmal verantwortlich für Presse und Kasse. Leicht war das nicht. Foto: Ewalt Zweyer
Der Festumzug am Mittwoch bei strahlend schönem Wetter dauerte erfahrungsgemäß dreieinhalb Stunden. Hundertmal musste der durch die Dorfstraßen schwankende Wagen anhalten. Die Mädchen gossen kübelweise Wasser über das dichte Eichenlaubdach, darunter die singenden Burschen unter Pelerinen saßen. Und sie bekamen natürlich Wein. Viel Wein, der das anfangs leere Fass im Wagen füllte und bestimmt für mehr als nur eine Unterhaltung gereicht hat. Ja, was singen sie denn? „Damit die Quellen nicht versiegen...“ und „..denn alles lebt vom Bauernstand“. Ist das anachronistisch, also nicht mehr in unsere Gegenwart gehörend, sogar zeitwidrig? Wir glauben, dass dem nicht so ist, in Schönau jedenfalls nicht. In dem ehemaligen Leibeigenendorf, zu etwa 90 Prozent von Sachsen bewohnt, waren sie stets fleißig in der Landwirtschaft. Daniel Roth, ein tüchtiger LPG-Präses, war einer der besten in Siebenbürgen. Nach dessen tödlichem Unfall, von dem ein schlichtes Kreuz am Straßenrand kündet, war es sein Nachfolger Michael Reckerth ebenso. Und die Schönauer waren Meister der Unterhaltung. Journalisten haben sich immer wohlgefühlt bei ihnen und hatten manches zu berichten. Diesmal tut’s auch ein Kamerateam vom Bayerischen Rundfunk.

Gäste aus Zorneding auch in Bulkesch

Noch einige Worte zum Jubilate-Chor aus Zorneding. Nach seinem Auftritt am Pfingstsonntag in der Schwarzen Kirche in Kronstadt und vor dem Konzert in der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt war er zu Gast in Schönau und auch zu einem zweistündigen Abstecher im benachbarten Bulkesch. Dort waren über Pfingsten rund 150 Sachsen zum Heimattreffen versammelt, eine andere große Gruppe Bulkescher natürlich in Dinkelsbühl. Horst Bernhard Schuster, der Vorsitzende der HOG Bulkesch, führte die Reisegruppe aus Bayern sachkundig durch die Kirchenburg, die gegenwärtig mit erheblichem Geldaufwand seitens der HOG und der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München renoviert wird. Auch dies eine eindrucksvolle Begegnung für den Chor, der außerdem Schloss Pelesch, Tartlau, Honigberg, Schäßburg, Birthälm, Mediasch und Stolzenburg im Reiseprogramm hatte. Nachdem die Gäste aus Zorneding im Hof von Familie Wilhelm und Anna Miess in Schönau mit Kaffee und „Knaddeln“ (Krapfen) gut bewirtet wurden, gab es in der vollbesetzten Kirche das Konzert mit geistlicher Chormusik der Romantik und solistischen Einlagen an der Orgel (Chorleiter Dr. Mathias Gerstner) und Saxophon (Uli Wiedemann). Der Schönauer Bürgermeister Ioan Horșia, der die vielen „Töchter und Söhne der Heimatgemeinde“ die ganze Zeit über sehr freundlich empfangen, begleitet und mitbetreut hat, war mit allen Gemeinderäten im Publikum, das begeistert war, bis zu den in dieser Dorfkirche wohl erstmaligen „Standing Ovations“. Den gewiss nicht geringen Erlös dieses Konzerts legte der Hauptorganisator, HOG-Vorsitzender Hans Gärtner, in ein Tuch und überreichte es Frau Anna Miess, der tapferen Kuratorin der evangelischen Restgemeinde in Schönau, für die Instandsetzung der Orgel.

Künstlich oder echt? Nach dem ganzen Ablauf sollte man die Frage so nicht mehr stellen. Es war alles gut durchdacht und vorbereitet und auch bestens gelungen. Eine Gemeinschaft, unter den seit 17 Jahren so grundlegend veränderten Bedingungen, in der noch immer schönen Heimatgemeinde wurde gefestigt. Ein Ereignis, das bei vielen wohltuend nachwirkt.

Ewalt Zweyer

Schlagwörter: HOG, Schönau, Treffen

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