15. Mai 2014

Einzigartige Kulturlandschaft erhalten: Interview über die neue "Stiftung Kirchenburgen"

Größtenteils haben die rund 200 Kirchenburgen in Siebenbürgen in ihrer Vielfalt und ursprünglichen Bausubstanz die Jahrhunderte überdauert – zwar erhalten sie dadurch international einen einzigartigen Stellenwert, doch garantiert dies noch lange nicht ihre künftige Instandhaltung. Viele der alten Bauten befinden sich in prekärer Lage, abseits vom Interesse der Touristen oder von den Sanierungs- und Finanzierungsprojekten, die sie retten könnten. Genau an dieser Stelle setzt die Ende April ins Leben gerufene Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien an. Sie hat sich den Erhalt und die nachhaltige Nutzung dieser Kulturlandschaft zum Ziel gesetzt. Über die Struktur und die konkreten Pläne der neuen Stiftung sprach SbZ-Korrespondentin Christine Chiriac mit Friedrich Gunesch, Hauptanwalt der Kanzlei des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), und Philipp Harfmann, der künftig die Leitung des Stiftungsbüros in der Stiftung Kirchenburgen übernehmen wird.
Herr Gunesch, wieso hat die Evangelische Kirche in Rumänien eine eigene Nichtregierungsorganisation nötig?

Gunesch: Die Stiftung Kirchenburgen wird gegründet, weil die EKR eine Organisation schaffen möchte, die sich außerhalb des Tagesgeschäfts auf den Erhalt und die Pflege der Kirchenburgenlandschaft und des kirchlichen Kulturgutes insgesamt konzentrieren kann. Damit wollen wir ausdrücklich auch Regionen und Orte wie zum Beispiel das Banat oder Bukarest einschließen, die sich außerhalb Siebenbürgens befinden und in denen es aber ebenfalls wertvolle Kulturgüter der EKR gibt.

Wichtig war uns, die vorhandenen Strukturen weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch die Verbesserung der Möglichkeiten zur Einwerbung von Projektgeldern. Als Kirche sind wir in vielen Fällen nur eingeschränkt oder gar nicht zur Beantragung von Fördermitteln berechtigt. Mit der Stiftung Kirchenburgen schaffen wir eine Nichtregierungsorganisation, die auf Grund ihres Status deutlich breitere Möglichkeiten hat. So hoffen wir, zusätzliche finanzielle Quellen für den Erhalt unserer Kirchenburgenlandschaft zu erschließen.

Die Stiftung Kirchenburgen hat die Schirmherrschaft der Staatspräsidenten Joachim Gauck und Traian Băsescu für sich gewonnen. Wie kam es dazu?

Harfmann: Über das Zustandekommen der Doppelschirmherrschaft freuen wir uns sehr, weil sie etwas ganz besonderes ist: Deutsche Bundespräsidenten übernehmen generell nur selten Schirmherrschaften und für ausländische Organisationen meines Wissens bisher überhaupt nicht. Von Seiten des rumänischen Präsidenten hat es ebenfalls noch keine vergleichbare Schirmherrschaft gegeben. Wir waren dazu mit Vertretern beider Präsidenten seit längerem in intensivem Austausch, der von Anfang an von dem Willen getragen wurde, mit einer Doppelschirmherrschaft für die Stiftung ein deutliches Zeichen für den Erhalt des Kulturerbes der EKR zu setzen.

Wir sind in den Vorgesprächen auf großes Interesse gestoßen und konnten beide Präsidenten von unserer Arbeit und der Thematik begeistern. Sie haben uns signalisiert, dass sie uns in ihrer neuen Rolle nach Kräften unterstützen wollen.
Hauptanwalt Gunesch (rechts) und Philipp Harfmann ...
Hauptanwalt Gunesch (rechts) und Philipp Harfmann (links) am 28. April 2014 während eines Gesprächs mit Projektpartnern über die Stiftung Kirchenburgen. Foto: Stefan Bichler
Welches ist der Zusammenhang zwischen der Leitstelle Kirchenburgen und der neuen Stiftung?

Gunesch: Die Stiftung Kirchenburgen wird die Arbeit der Leitstelle Kirchenburgen, die seit knapp acht Jahren als eine Abteilung innerhalb des Landeskonsistoriums der EKR erfolgreich tätig ist, fortführen und weiterentwickeln. So wollen wir Kontinuität sicherstellen, im Sinne der praktischen Arbeit, aber auch im Sinne des Personals und der gesammelten Erfahrungen. Mittelfristig wird die Stiftung Kirchenburgen ihre Aktivitäten ausweiten und so auf eine noch stärkere Koordination und Bündelung der vorhandenen Initiativen zum Erhalt der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft hinwirken.

Welche konkreten Aktivitäten sind für die nächsten Monate und Jahre geplant?

Harfmann: Die Stiftung befindet sich derzeit noch in Gründung. Bis zum Sommer 2014 wird die Eintragung beim Gericht erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt werden der Aufsichtsrat und der Vorstand der Stiftung durch das Landeskonsistorium berufen. Das erforderliche Gründungkapital bildet einen unantastbaren Kapitalstock, der mittelfristig durch Zustiftungen und Spenden ausgebaut wird. Nach der Eintragung der Stiftung beginnt die Aufbauphase, in der einerseits die Aktivitäten der Leitstelle Kirchenburgen fortgesetzt werden. Andererseits liegt ein Arbeitsschwerpunkt im konzeptionellen Bereich, es werden eine Strategie für die Arbeit der Stiftung sowie ein Aktionsplan für die kommenden Monate und Jahre entwickelt. Bei allen Aktivitäten wollen wir das Rad natürlich nicht neu erfinden. Deshalb ist uns eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren vorhandenen Partnern ebenso wichtig wie die mit neuen; wir streben Kooperationen mit relevanten Akteuren vor Ort sowie auf nationaler und internationaler Ebene an.

Wie wird die Stiftung verwaltet? Wer sind die Mitglieder der Leitungsgremien?

Gunesch: Die Stiftung wurde aufgrund des rumänischen Stiftungsrechts entwickelt, das viele Gestaltungsmöglichkeiten zulässt. Außerdem haben wir uns an europäischen Richtlinien orientiert sowie an namhaften, erfolgreich arbeitenden Stiftungen aus ganz Europa. Daraus haben wir eine Struktur entwickelt, die sich zusammensetzt aus einem Kuratorium im Sinne eines Aufsichtsrates, einem Vorstand, der die eigentlichen Stiftungsgeschicke lenkt, sowie einem Stiftungsbüro, das die praktische Arbeit durchführt und den Namen „Leitstelle Kirchenburgen“ fortführen wird. Hinzu kommt ein wissenschaftlicher Beirat, der in wichtigen Fragen berät sowie ein Freundes- und Förderkreis, der die Arbeit der Stiftung inhaltlich und finanziell unterstützt. Abgesehen vom Stiftungsbüro setzen sich alle Gremien aus ehrenamtlichen Mitgliedern zusammen. Wir freuen uns sehr über prominente Zusagen von Fachleuten aus Rumänien und dem europäischen Ausland, die jeweils unterschiedliche Themenfelder und Kompetenzbereiche vertreten. Der Vorsitzende der Stiftung wird qua Amt der Bischof der EKR sein.

Welches sind die Partnerorganisationen der Stiftung?

Gunesch: Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere bisherige Arbeit durch eine Vielzahl von Partnern unterstützt wurde und wird. Dazu zählen nicht nur die Heimatortsgemeinschaften, die Verbände der Siebenbürger Sachsen im Ausland und ihre politische Vertretung in Rumänien, sondern auch wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitäten aus europäischen Ländern, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen, Tourismusverbände sowie weitere Akteure, die einen Bezug zur Kirchenburgenlandschaft haben. Wir wollen diese Kooperationen weiter stärken, um gemeinsam noch mehr für den Erhalt der Kirchenburgenlandschaft zu erreichen.

Welche Kirchenburgen stehen auf der Prioritätenliste der Stiftung?

Gunesch: Ein wichtiges Vorhaben der Stiftung wird eben das der Priorisierung der siebenbürgischen Kirchenburgen nach verschiedenen Kriterien sein. Dazu sind wir bereits seit längerem mit ausländischen Partnern im Gespräch und hoffen mit Hilfe europäischer Gelder in einem ersten Schritt die Datenbank Kirchenburgen entscheidend weiterzuentwickeln. Sie wird nicht nur für zukünftige Überlegungen zu Priorisierungen, sondern auch für die Arbeit der Stiftung Kirchenburgen insgesamt eine wichtige Arbeitsgrundlage sein.

Laut Bischof Reinhart Guib soll die Stiftung eine Strategie zu Erhalt, Sanierung und Nutzung der Kirchenburgen ausarbeiten. Wie könnten die Kirchenburgen genutzt werden?

Harfmann: Für die siebenbürgischen Kirchenburgen gibt es eine Vielzahl denkbarer Formen der Nutzungserweiterung und Nachnutzung, die weit über die häufig diskutierte Variante Tourismus hinausgehen. Dabei kann man sich auch an Entwicklungen in anderen europäischen Ländern mit ähnlichen Problemlagen orientieren, ohne alle im Ausland praktizierten Modelle gleich eins zu eins nach Siebenbürgen zu übertragen. Eine wichtige Grundvoraussetzung ist es, vor Ort einen verlässlichen Kooperationspartner zu haben, sei es ein zuverlässiger Burghüter, einen Verein oder einen anderen Akteur, der sich nicht nur für den Erhalt der Kirchenburg einsetzt, sondern der auch bei der Planung, Vorbereitung und Umsetzung von Vorhaben aller Art eingebunden werden kann.

Was wird konkret getan, um die Kirchenburgen ins Bewusstsein der Mehrheitsbevölkerung zu rücken?

Gunesch: Die Stiftung wird die von der Leitstelle Kirchenburgen begonnenen Aktivitäten in der Bildungsarbeit sowie die Auftritte auf Messen und Fachveranstaltungen im In- und Ausland gezielt fortsetzen. Auch die enge Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Partnern wird weiterhin wichtig sein – ungeachtet dessen, ob sie Mitglieder der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft und der EKR sind.

Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen!

Schlagwörter: Kultur, Kirchenburgen, Kulturerbe, Denkmalpflege

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Neueste Kommentare

  • 17.07.2014, 09:01 Uhr von gogesch: Gibt es inzwischen Konkreteres zu dem von Hr. Gunesch angesprochenen "Freundes- und Förderkreis"? [weiter]

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