7. Oktober 2017

Der Resonanz des Wortes auf der Spur: Michael Markel zum Achtzigsten

Sein vielfältiges Tun und tiefgründiges Wirken in einem Artikel abzustecken, scheint fast unmöglich, und doch zeichnen sich Verbindungslinien ab. Michael Markel, als Bauernsohn am 7. Oktober 1937 in Deutschweißkirch geboren, wurde als Schäßburger Bergschüler geprägt und studierte von 1957 bis 1962 Germanistik und Rumänistik an die Universität Klausenburg, wo er anschließend bis zu seiner Ausreise 1992 als Hochschullehrer und Literaturwissenschaftler wirkte. Im weitesten Sinne des Wortes ist er stets ein lernend Lehrender nach dem Prinzip docendo discimus geblieben. Sein unstillbarer Wissensdurst, der Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen, haben ihn befähigt, nicht nur selbst Bemerkenswertes zu leisten, sondern auch Gleichgesinnte und famuli um sich zu scharen und sie anzuregen als Forscher, als Publizisten oder als Pädagogen Wesentliches zu leisten. In vielen Fällen ist daraus eine lebenslange Freundschaft gewachsen.
Ein solcher Freund ist Hannes Schuster; er schrieb zu dessen 70. Geburtstag (Siebenbürgische Zeitung Online vom 25. Oktober 2007), Michael Markel sei stets auf der Suche nach Ordnungsmustern gewesen und leitet das aus dem familiären Ordnungsgefüge des siebenbürgischen Dorfes her, aus dem er hervorgegangen ist. Seine Tätigkeit am germanistischen Lehrstuhl startete er in wahrhaft finsteren Zeiten. Die Schauprozesse gegen Professoren, Studenten und Schriftteller der deutschen Minderheit waren noch frisch im Gedächtnis. Markel wagte einen Neuanfang als Hochschulpädagoge: Es sollten gute Deutschlehrer, Kenner von Sprache und Literatur herangezogen werden, die sich als selbstständig Denkende die Ästhetik des Wortkunstwerks im Gefüge der geistigen und sozialen Voraussetzungen seines Entstehens und Wirkens zu erschließen imstande sind. Das widersprach den offiziellen Anforderungen eines dogmatischen sozialistischen Realismus, was Wunder also, dass bereits der junge Hochschullehrer argwöhnisch von der Securitate und später sogar von der Stasi beobachtet wurde.

Der Literaturhistoriker Michael Markel, Juni ...
Der Literaturhistoriker Michael Markel, Juni 2017. Foto: Valentina Glajar
Im Sinne dieser Nachwuchspflege veranlasste Markel, dass Schulbücher und Textsammlungen für den Unterricht an den deutschen Gymnasien neu geschrieben werden. Das Team dazu hatte er aus dem Freundeskreis und der neuen Generation von Mitarbeitern herangezogen. Auch regte er eine Sammlung von Textinterpretationen zur deutschen und rumäniendeutschen Lyrik an, die sowohl für Studenten als auch für Deutschlehrer gedacht war. Das wiederum regte Publikationen in der deutschen Tages- und Fachpresse zu Interpretationen auch neuer Gedichte des deutschsprachigen Raums an. Mut gehörte dazu, sich einem zu der Zeit vernachlässigten Gebiet der Germanistik zu nähern, der deutschen Literatur Siebenbürgens und der anderen Provinzen Rumäniens. 1971 erschien „Transsylvanica I. Studien zur Literatur aus Siebenbürgen“ im Dacia Verlag, 1982 Band II ebenda. Der Herausgeber regte die Mitarbeiter zur Beschäftigung mit einzelnen Schriftstellern, mit literarischen Zeitschriften, einzelnen Epochen an, befasste sich aber auch mit Werkveröffentlichungen; 1972 erschien der Band „Ausgewählte Schriften der Anna Schuller Schullerus“ im Kriterion Verlag.

Die letzten Jahre in Klausenburg bis zu seiner Ausreise 1992 waren wohl die bedrückendsten. Viele Freunde und Weggefährten waren vorausgegangen, der persönliche und auch der fachliche Kontakt zu ihnen ließ sich für Michael Markel wie für seine Frau, die Volkskundlerin Hanni Markel, nur schwer aufrechterhalten. Und dann der Neuanfang in Nürnberg für die ganze Familie, auch für die Söhne Klaus und Kurt. Doch: „Es rauscht von Mensch zu Mensch das Werden“, wie Heinrich Zillich es in einem Gedicht formuliert, das Markel in seiner Anthologie veröffentlichen sollte, das Werden, verstanden als das Vermitteln an die nächste Generation, wurde wieder zu Markels Hauptbeschäftigung. An der Volkshochschule Landshut brachte er Aussiedlern Deutsch bei, Sprache an ihren Anfängen. Der Forscher aber verlor sein großes Ziel dabei nicht aus dem Auge. Seit 1980 hatte er beharrlich expressionistische Texte in den deutschsprachigen Literaturen Rumäniens mühsam ausgekundschaftet und systematisch erforscht. Die guten Freunde seines Lebens, aber auch seine Frau und seine Söhne bestärkten ihn darin, das Werk zu einem Ende zu bringen.
Der Literaturhistoriker Michael Markel und die ...
Der Literaturhistoriker Michael Markel und die Volkskundlerin Hanni Markel feierten 2015 Goldene Hochzeit. Foto: Klaus Markel
„,In Dornbüschen hat Zeit sich schwer verfangen‘. Expressionismus in den deutschsprachigen Literaturen Rumäniens, eine Anthologie“ konnte 2015 im Verlag Friedrich Pustet in Regensburg erscheinen. Es ist dies die Frucht jahrelanger akribischer Forschung; dichterische Leistungen, die verstreut und unbeachtet „aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden wären, werden als Zeugnis für die Strahlkraft des Expressionismus bis in die östlichsten Nischen der Donaumonarchie“ (S. 295) gewertet, dazu biographisch und bibliographisch ein- und zugeordnet.

Die nun folgende Veröffentlichung ist in besonderem Maße geeignet, die einleitend erwähnte Vielfalt des Wirkens von Michael Markel zu belegen, wie auch seine Suche nach Ordnungsmustern. „Die Deportation der Rumäniendeutschen im Spiegel der schönen Literatur. Versuch einer Bestandaufnahme“ wurde 2016 vom Haus der Heimat in Nürnberg herausgebracht. Der Deutschweißkircher greift ein Thema auf, das alle Rumäniendeutschen auch heute noch schicksalhaft betrifft: die Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion 1945. Markel stellte literarische Bewältigungsversuche dieses Erlebnisses bei zahlreichen Treffen mit Landsleuten vor. Aus Anlass der 70-jährigen Gedenkfeiern interessierte sich sogar die politische und literarische Öffentlichkeit der Bundesrepublik dafür, zumal Herta Müller, im Jahr 2009, in dem auch ihr Roman „Atemschaukel“ erschien, den Literaturnobelpreis bekommen hatte. Auch hier schafft der Literaturwissenschaftler Ordnungsmuster, denn die einzelnen Darstellungen des Themas sind in ihrer Struktur und Aussage durchaus unterschiedlich zu werten. Doch da gibt es eben literarisch Hochwertiges, nicht nur von Hertha Müller, sondern auch von Oskar Pastior.

„Deportationstexte“ von Oskar Pastior sind Gegenstand des umfangreichsten Kapitels dieses Bandes, und das ungeachtet der Details, die in der Zwischenzeit über dessen Biographie bekannt geworden waren. Seine Werke faszinierten Markel schon immer, hier ist ein wissenschaftlicher Geist nötig, der die richtigen Fragen an einen verschlüsselten Text stellt und ihn so erhellt. Ergebnisse dieser Arbeiten waren schon in der angesehenen Literaturzeitschrift Akzente erschienen. Am treffendsten beschreibt Markel selbst diese Wirkung von Literatur in der Einleitung zu seinem Band: „Literatur hat es nicht mit beglaubigten Fakten zu tun, sondern mit Wörtern, die ihre eigenen Fakten schaffen, aber Geschehenes auch aus großer zeitlicher Distanz nacherlebbar machen und in einem inneren Resonanzraum zum Klingen bringen. Wenn es die richtigen Worte sind, behalten wir sie eine Weile und bewegen sie in unserem Herzen.“ (S. 11)

Zu seinem 80. wünschen wir dem Jubilar, er möge jung bleiben in dem Sinne, wie es Heinrich Zillich formuliert hat: „Es rauscht von Mensch zu Mensch das Werden.“ Weiter werden, weiter geben, sein Wissen, seine Einsicht, seine Zuwendung. Und das bei guter Gesundheit im Kreise seiner Familie und seiner Freunde.

Brigitte Stamm

Schlagwörter: Wissenschaft, Germanist, Literaturwissenschaftler, Deutsch-Weißkirch, Klausenburg, Nürnberg

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