12. September 2018

Hochrangiger deutscher Diplomat – engagierter Siebenbürger Sachse: Nachruf auf Herbert Arz von Straussenburg

Geht man die informativen Register der wertvollen, vom Münchener Institut für Zeitgeschichte herausgegebenen Quellenedition „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ durch, lässt sich auch die Karriere des Diplomaten Herbert Arz von Straussenburg erschließen und nachvollziehen, der am 4. August 2018 in Sankt Augustin-Niederberg im Alter von 92 Jahren gestorben ist.
Herbert Georg Albert Arz von Straussenburg wurde am 5. April 1926 als Sohn des Arztes Dr. Arnold Arz von Straussenburg und seiner Gattin Anna, geborene Schuller, in Hermannstadt geboren. Zu seinen Verwandten gehören, unter vielen anderen wichtigen Persönlichkeiten der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte und Kultur, der letzte österreichisch-ungarische Generalstabschef Arthur Arz von Straussenburg, der Heraldiker und Verfasser des Standardwerks zur siebenbürgischen Wappenkunde Albert Arz von Straussenburg, der Graphiker Helmut Arz von Straussenburg (siehe Nachruf in der SbZ Online vom 10. August 2014) und der Brukenthal-Biograph Georg Adolf Schuller.

Der Schüler der Brukenthalschule flüchtete kurz vor dem Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 nach Deutschland, überlebte im Frühjahr 1945 in Thüringen einen Fronteinsatz als Panzergrenadier und geriet dann in Kriegsgefangenschaft. 1948 konnte er in Freiburg/Br. das Studium der Volkswirtschaft aufnehmen, das er mit Prädikatsexamen als Diplomvolkswirt abschloss. 1954 bewarb er sich erfolgreich für den diplomatischen Dienst und war in den deutschen Botschaften in Athen, London, Rom und Brüssel sowie in der Bonner Zentrale des Auswärtigen Amtes tätig.
Humor- und geistvoll bis ins hohe Alter: Herbert ...
Humor- und geistvoll bis ins hohe Alter: Herbert Arz von Straussenburg in seinem Bungalow in St. Augustin bei Bonn, aufgenommen im April 2017. Im Hintergrund ein Porträt seiner Gattin Audrey, auf dem Kaminsims weitere Familienbilder. Foto: Konrad Klein
Im Mai 1965 nahm er als persönlicher Referent des Staatssekretärs Rolf Lahr am ersten Besuch eines ranghohen politischen Beamten in einem Staat des damaligen Ostblocks, außerhalb der Sowjetunion, teil. Lahr, der eine deutsche Industrieausstellung in Bukarest eröffnet hatte und von der Wochenschrift Die Zeit als „Vorreiter des Auswärtigen Amtes im Ostblock“ bezeichnet wurde, traf sich auch mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Ion Gheorghe Maurer zu einem ausgiebigen Gespräch, das – wie der Staatssekretär in einem Zeit-Interview vom 6. Juni 1965 bekannte, „an Freimut und Aufgeschlossenheit nichts zu wünschen übrig ließ“. Auf die Frage des bekannten Journalisten Werner Höfer – „Es gibt, Herr Staatssekretär, immer noch mehrere Hunderttausend Deutsche in Rumänien, und es gab in Rumänien keine von Bukarest verfügte Vertreibung der Deutschen“ – antwortete Lahr: „Beides ist richtig. Selbstverständlich haben wir mit unseren rumänischen Gesprächspartnern über diese Deutschen gesprochen. Ich habe klar gemacht, dass deren rumänische Staatsangehörigkeit von uns nicht in Frage gestellt wird, dass wir auch nicht daran denken, die Umsiedlung der deutschen Volksgruppe insgesamt anzustreben. Es liege uns nur daran, unter menschlichen Aspekten das Ziel der Familienzusammenführung zu erreichen. Die Formulierung dieser Absicht fand bei den Rumänen eine keineswegs unfreundliche Resonanz, und die Aufgeschlossenheit auf rumänischer Seite wich auch nicht, als ich deutlich machte, dass wir in dieser Frage hartnäckig bleiben würden.“

In einem Bericht über diese Reise machte Herbert Arz von Straussenburg unter anderem folgende denkwürdige Bemerkung: „Anlass der Reise war die Eröffnung der ersten deutschen Industrieausstellung im kommunistischen Südosteuropa nach dem Krieg. Diese Ausstellung erwies sich als ein äußerst gelungenes Unternehmen. Sie zeigte dem staunenden Volke: Deutschland ist wieder da! Und sie zeigte vor allem, dass die sozialistische Ideologie, derzufolge der dekadente Kapitalismus eigentlich längst am Ende ist, offensichtlich irrt, da diese Ausstellung eigentlich genau das vorführte, was eigentlich die Frucht sozialistischer Planwirtschaft sein sollte, aber nicht ist.“ Zur „Familienzusammenführung“, einem Begriff, der die folgende Entwicklung siebenbürgisch-sächsischer Geschichte nachhaltig beeinflusst hat, schreibt Arz von Straussenburg in seinem Bericht: „Zweck der Reise war die Aufnahme offizieller Kontakte von Regierung zu Regierung. [...] Die für uns entscheidende Frage war jedoch die der 380 000 Deutschen in Siebenbürgen und dem Banat, die von ihren 120 0000 Landsleuten in Westdeutschland seit Kriegsende getrennt sind. Sie wurde als humanitäres Problem dargestellt. Das Stichwort heißt ‚Familienzusammenführung‘. Damit war erreicht, überhaupt Gehör zu finden. [...] Gegeben wurde lediglich die allgemeine Zusicherung, die Familienzusammenführung im Interesse der Intensivierung unserer Beziehungen auch weiterhin großzügig zu handhaben.“

Die weitere Entwicklung ist bekannt, vor allem nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Rumänien 1967, intensivierte sich die Aussiedlung der Rumäniendeutschen. Hermine Pilder Klein, die diesen Bericht Straussenburgs in der Biographie „Karl Kurt Klein. Ein Gelehrtenleben im Umbruch der Zeit“ (Jassy, Konstanz 1997) auszugsweise veröffentlicht hat, merkt dazu treffend an, es zeige sich, „wie zuträglich es auch der deutschen Politik ist, wenn sie sich unter der Mitwirkung eines Kenners der Materie abwickelt“.
Ein Blick in die Tiefen dieses Schrankes zeugt ...
Ein Blick in die Tiefen dieses Schrankes zeugt vom Sinn für Familientradition und Geschichtsbewusstsein im Hause des Verstorbenen. Die Puppe hinten stellt den Generalstabschef der k.u.k. Armee Arthur Arz von Straussenburg dar und gehört zu einer größeren Sammlung von Memorabilia aus dem Umfeld des österreichisch-ungarischen Militärs aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Foto: Konrad Klein
Herbert Arz von Straussenburg hat sich auch in der Folgezeit, als Leiter des Referats „Abrüstung und Rüstungskontrolle“, vor allem aber als Referatsleiter in der Kulturpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, für die Belange seiner Landsleute eingesetzt, etwa bei der Hilfe für die Renovierung der Orgel in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche und bei der Förderung des Deutschen Theaters in Hermannstadt und Temeswar. Nach seiner Pensionierung wirkte er als Bonner Berater der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und nahm an wichtigen Gesprächen ihrer Führung mit rumänischen und deutschen Regierungsvertretern teil.

Herbert Arz von Straussenburg war mit der aus Schottland stammenden Philologin Audrey, geborene Hall (1931-2005), glücklich verheiratet und ist Vater von drei Kindern, der Ärztin Cora, der Historikerin Rona und des heutigen Protokollchefs des Auswärtigen Amtes Konrad Arz von Straussenburg. Für sie, seine Enkel und Urenkel hat er eine vom Großvater und Vater begonnene Familienchronik fortgeführt und auf humorig-geistvolle Weise bereichert („Die Chronik der Familie Arz von Straussenburg. Ein Rückblick auf sieben Generationen in Hermannstadt“, Typoskript, 1994).

Der Verstorbene war Inhaber des Bundesverdienstkreuzes, des österreichischen und weiterer ausländischer Verdienstorden. Die Siebenbürger Sachsen trauern um einen ihrer herausragenden Vertreter, der sich stets für ihre Belange eingesetzt hat.

Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch

Schlagwörter: Nachruf, Politik, Diplomat, Hermannstadt, Bonn

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