14. Oktober 2021

Das Brukenthalmuseum ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit bringen: Interview mit Alexandru Chituță

Die Statue des Barons Samuel von Brukenthal wurde am 11. September 2021 im Beisein von Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis auf dem Großen Ring in Hermannstadt enthüllt (diese Zeitung berichtete). Das Projekt wurde von der Ausschreibung bis hin zur Einweihung aufs Engste von Dr. Alexandru Constantin Chituță, Direktor der Marketing- und Pädagogikabteilung am Brukenthalmuseum, betreut. Der am 18. April 1986 in Hermannstadt geborene Historiker und Museologe setzt sich mit großer gestalterischer Kraft für Ausstellungen, Denkmäler, die Öffentlichkeitsarbeit und internationale Vernetzung des Brukenthalmuseums ein. Über sein vielseitiges Wirken führte Siegbert Bruss, Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, folgendes Interview mit Dr. Alexandru Constantin Chituță.
Staatspräsident Klaus Johannis (links) und Dr. ...
Staatspräsident Klaus Johannis (links) und Dr. Alexandru Chitută, Direktor der Marketingabteilung des Brukenthalmuseums, bei der Enthüllung der Brukenthal-Statue am 11. September 2021 in Hermannstadt. Foto: presidency.ro
Sie sind Direktor der Marketingabteilung des Brukenthalmuseum. Verraten Sie uns bitte etwas über sich und Ihren Werdegang.

Ich habe an der „Lucian Blaga“ Universität in Hermannstadt von 2007 bis 2011 Geschichte und Theologie studiert und mit einer Abhandlung über „Das religiöse Gesicht Europas nach der Jahrtausendwende“ promoviert. Zahlreiche Marketingkurse und Fortbildungen im Bereich Museologie und Museumspädagogik, schließlich noch ein Aufbaustudium zur rumänischen Kunst qualifizierten mich für die sehr verantwortungsvollen Aufgaben, die mir als Direktor der Marketing- und Pädagogikabteilung am Brukenthal Nationalmuseum zugekommen sind. Seit 2012 bin ich zudem ehrenamtlicher Vorsitzender des Kulturvereins Octavian Smigelschi.
Es war mir einerseits wichtig, das Museum auf ganz unterschiedlichen Kanälen ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu tragen, das „Brukenthalmuseum“ als „Brand“, das heißt über eine Reihe von Produkten als selbstständige, eingetragene Marke am Warenmarkt zu etablieren. Das ist ein bis dato einmaliger Vorgang im musealen Bereich in Rumänien. Wir werben mit „Brukenthal-Kaffee“ und einem „Wein des Barons“, mit „Brukenthal“-Lebkuchen und -Keksen, mit eigener „Baroc Chocolate“, um hier nur einige der wichtigsten und von der Öffentlichkeit sehr geschätzten Spezialwaren zu nennen.
Andrerseits geht es mir hauptsächlich darum, die wissenschaftlichen und Bildungsinhalte dieser herausragenden Institution an ein interessiertes Publikum im Lande und in Europa über Tagungen und Konzerte zu vermitteln. Im Vordergrund steht dabei der Ausstellungsbetrieb. Bis dato habe ich ca. 140 Ausstellungen organisiert, z.T. kuratiert und sie an anspruchsvolle Ausstellungshäuser in Rumänien und Europa vermittelt.

Wo sehen Sie das Brukenthalmuseum in der heutigen europäischen und nationalen Kultur?

Das Brukenthalmuseum baut mit seinem Prestige auf einer einmaligen Geschichte und einem unvergleichlichen Kunst- und Kulturerbe auf. Wir sind stolz darauf, als ältestes Museum im heutigen Rumänien zu gelten, als dritte museale Institution in Europa einer breiten Öffentlichkeit zugängig gewesen zu sein. Solches geschah im Jahr 1817. Heute verwahrt das altehrwürdige Museum eine beeindruckende Sammlung von über einer Million siebenhunderttausend Exponaten. Ein Teil davon ist dem Besucherpublikum über die zum Museum dazugehörigen Einrichtungen zugänglich: das Kunstmuseum im Brukenthalmuseum mit seinen Glanzlichtern zur Europäischen Kunst vergangener Jahrhunderte, die Sammlung zur rumänischen Kunst, das Geschichtsmuseum im Altembergerhaus, das Museum zeitgenössischer Kunst in der Quergasse, die berühmte Bibliothek, das Apothekermuseum auf dem Kleinen Ring, das Naturwissenschaftliche Museum und schließlich das Jagdmuseum auf dem ehemaligen Anwesen des Oberst von Spiess. Eine seit Jahren etablierte „Brukenthal-Achse“ verbindet über mehrere Partnerschaften die Hermannstädter Institution mit rumänischen und prestigeträchtigen Museumseinrichtungen im Ausland. Fachlicher Austausch, wissenschaftliche Gemeinschaftspublikationen und -ausstellungen zeugen von der Lebendigkeit dieser Partnerschaften und erfordern große Verantwortung. Die Schätze des Brukenthalmuseums fanden nach 2000 ihr Publikum weltweit, präsentiert in traditionsreichen Museumshäusern von Amsterdam über München bis Tokio.
Die Anfragen nach Zusammenarbeit kommen von überall. Zurzeit beteiligt sich unser Haus mit einer Kasel aus dem 15. Jahrhundert an einer Ausstellung in Paris. Dieser Austausch und das Interesse zahlreicher Wissenschaftler aus ganz Europa an dem Brukenthalischen Sammlungsschatz veranschaulichen die europäische Dimension unserer Sammlungen. Zudem gehört das Museum bei den vielen Touristen aus aller Welt, die Hermannstadt und Siebenbürgen besuchen, zu einem Muss.

Dr. Alexandru Chitută bei einem Vortrag in ...
Dr. Alexandru Chitută bei einem Vortrag in Hermannstadt, 2019
Sie sind dafür bekannt, dass Sie mit vielen Kulturprojekten in den öffentlichen Raum hinausgehen. Welche Projekte der jüngsten Zeit tragen Ihre Handschrift?

Das stimmt. Zum einen haben die Pandemie-Folgen uns dazu gezwungen, mit Street-Ausstellungen die Menschen auf der Straße zu erreichen. In diesem Zusammenhang habe ich dreizehn Ausstellungen kuratiert in Hermannstadt, in andern Städten Rumäniens, aber auch im Ausland. In diesen Zeiten, in denen Konzertsäle, Theater, Kinosäle und Museen geschlossen wurden, hat die Institution Museum ähnlich der Street-Art einen Weg gefunden, über anschauliche Installationen dem Zufallsbesucher (Menschen auf der Straße) Museumsschätze in Wort und Bild näher zu bringen. Andrerseits habe ich ein Netzwerk von Sponsoren aufgebaut, die unsere Pläne, den öffentlichen Raum kulturell dauerhaft zu besetzen, finanziell möglich gemacht haben. Begonnen habe ich 2018 mit der Aufstellung von zwölf Bronzebüsten jener historischen Persönlichkeiten, die mit der Geschichte und dem Werden der wichtigsten Museen in unserer Stadt eng verbunden sind: zwölf Rumänen und zwölf Sachsen. Sie stehen im neu gestalteten zweiten Innenhof des Brukenthalmuseums, im Geschichtsmuseum im Hof des Alten Rathauses und im Naturhistorischen Museum. Das sind im Brukenthalmuseum die Büsten von Michael Csaki, Samuel Hahnemann, Nicolae Lupu und Cornel Irimie. Im Hof des Altemberger-Hauses empfangen einen der legendäre „Ritter Hermann“, Avram Iancu, Iuliu Maniu und Thomas Nägler. Im Garten des Naturkundemuseums stehen beieinander in Denkmalgestalt Eduard Albert Bielz, Ludwig Johann Neugeboren, Michael Fuß und Carl Friedrich Jickeli.

Wie hat sich das Brukenthalmuseum für den 300. Geburtstag seines Gründers vorbereitet?

Das Brukenthalmuseum hat anlässlich des 300-jährigen Jubiläums zur Geburt seines großen Gründers, Baron Samuel von Brukenthal, eine vielfältige und über die Grenzen zielende kulturelle Agenda geplant. Ausstellungen im Hause und außerhalb, die hauptsächlich auf den von Brukenthal gesammelten Bilder- und Bücherschatz zurückgreifen; Präsentationen zeitgenössischer Kunst, wobei die Brukenthalischen Sammlungen als Inspirationsquelle für die heutigen Künstler dienten; eine Brukenthal gewidmete Konzertsaison in Zusammenarbeit mit der Hermannstädter Staatsphilharmonie; die Eröffnungsveranstaltung in unserem Hause der internationalen Stradivarius-Tournee, Tagungen, Publikationen.
Das wohl wichtigste Vorhaben war jedoch das Projekt eines Denkmals des Museumsgründers für den Großen Ring. Ich selbst habe mich schon ein Jahr vorher dafür stark gemacht, Befürworter gesucht und zusammengeführt, die Akquise von Drittmitteln vorangetrieben. Schließlich ist es gelungen, die Finanzierung dieses wichtigen Vorhabens zu sichern. Hierfür bedanke ich mich bei den Entscheidungsträgern im Getreide verarbeitenden Großunternehmen Boromir A. G., den hiesigen Rotariern und dem Lions Club, die den Großteil der Kosten getragen haben. Die Projektausschreibung zum Denkmal stieß auf ein großes Echo, zweiundzwanzig Bildhauer aus dem In- und Ausland beteiligten sich daran mit ihren Entwürfen. Daraus wählte eine hochkarätige Jury die Arbeit des in Großwardein lebenden Bildhauers Árpád Deák aus. Nach neun Monaten intensiver Vorbereitungen konnte das Denkmal am 11. September 2021 in Anwesenheit seiner Exzellenz, des Staatspräsidenten von Rumänien Klaus Johannis enthüllt werden.
Auf einem 60 cm hohen Marmorsockel erhebt sich die drei Meter hohe Bronzestatue Samuel von Brukenthals im Gewand der Heiligen Stefan-Ordens vor seinem die Zeiten überdauernden Lebenswerk. Es ist dies mit Abstand eines meiner Lieblingsprojekte, dessen Werden ich von den ersten Überlegungen bis hin zur Realisierung und Aufstellung aufs Engste begleitet habe und für das ich mich, trotz aller Widerstände, mit aller Kraft und Überzeugung eingesetzt habe.

Pflegen Sie Beziehungen zu Kunst- und Kulturinstitutionen der Siebenbürger Sachsen in Deutschland?

Die beständigste Zusammenarbeit verbindet das Brukenthalmuseum mit dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim. Es ist eine beidseitig bereichernde Zusammenarbeit, gleichzeitig aber auch eine von der Selbstständigkeit der Präsentation eines gemeinsamen Kulturraumes geprägt, der ist Siebenbürgen. Zeichenhaft lässt sich diese Verbindung auch an der Person von Dr. Irmgard Sedler festmachen, deren wissenschaftlicher Werdegang im Brukenthalmuseum begann, sich in Deutschland fortsetzte und nun auch im Siebenbürgischen Museum die Weichen stellt. Wir haben mit Frau Dr. Sedler und den Museumskollegen aus Gundelsheim gemeinschaftlich Tagungen sowohl in Deutschland als auch in Rumänien organisiert, Ausstellungen kuratiert, Kataloge herausgegeben und der Öffentlichkeit präsentiert. Gemeinsam haben wir vor einigen Wochen in Hermannstadt eine viel beachtete Ausstellung mit Werken von Gert Fabritius unter dem suggestiven Titel „O, tempora o, mores!“ im Thalia-Theater eröffnet. Derzeit wird am zweisprachigen Katalog gearbeitet, da die Ausstellung in der nächsten Zukunft noch in weiteren rumänischen Museen Station machen wird. Ein weiteres Ausstellungsprojekt ist für das nächste Frühjahr in Arbeit. Hoffentlich spielen uns die gesellschaftliche Entwicklung und Covid 19 hierbei keinen Streich.

Besten Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Ihrem künftigen Wirken!

Schlagwörter: Kultur, Brukenthalmuseum, Hermannstadt, Brukenthal, Denkmal, Museum, Historiker

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