13. März 2022

Zum Gedenken an Hans Bergel: Siebenbürgen zu einer universellen Größe erhoben

Der bedeutende Schriftsteller und Journalist Hans Bergel ist am 26. Februar 2022 im Alter von 96 Jahren in Starnberg verstorben. Lesen Sie im Folgenden zwei Nachrufe, die von Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, und dem Ehrenvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius verfasst wurden.
Hans Bergel und seine Gattin Elke bei der ...
Hans Bergel und seine Gattin Elke bei der Festveranstaltung zu seinem 90. Geburtstag am 10. September 2015 im Sudetendeutschen Haus. Foto: Hans-Werner Schuster
Hans Bergel war jahrzehntelang ein Sachwalter siebenbürgisch-sächsischer und südosteuropäischer Kultur weit über die Grenzen Rumäniens und Deutschlands hinaus. Durch seinen Tod verliert die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft einen ihrer bedeutendsten Vertreter und einen „brillanten Sprachbeherrscher“, wie ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung einmal genannt hat. In über 50 Büchern und zahlreichen Novellen, Essays, Zeitungsartikeln oder Reden hat Hans Bergel gezeigt, dass Schreiben sein Leben war. Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland trauert um seinen früheren Schriftleiter der Siebenbürgischen Zeitung, früheren Stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises (1988) und Ehrenvorsitzenden der Kreisgruppe München.

Geboren wurde Hans Bergel am 26. Juli 1925 in Rosenau als erstes von vier Kindern des Lehrers Erich Bergel und seiner Frau Katharina. Er besuchte Schulen in Rosenau, Sächsisch-Regen, Kronstadt und Hermannstadt, wo er 1942 wegen antinazistischer Haltung von der Schule ausgeschlossen wurde. 1945 sollte er – wie viele seiner Generation – zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert werden, ihm gelang jedoch die Flucht aus einem Sammellager. 1946 konnte er sein Abitur ablegen. Ein Fluchtversuch aus Rumänien endete 1947 in Budapest, von wo er nach Rumänien zurückgeschickt und zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. 1948 gelang ihm mit einem Gruppenausbruch die Flucht aus dem Gefängnis in Temeswar. Er wurde erneut verhaftet und zum Wehrdienst eingezogen. Das später begonnene Fernstudium musste er politisch erzwungen 1954 abbrechen.

Nach erneuter Verhaftung im Jahr 1959 wurde Hans Bergel im Rahmen des Kronstädter Schriftstellerprozesses, der sich gegen mehrere siebenbürgisch-sächsische Schriftsteller richtete, zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt. Durch eine Generalamnestie für politische Häftlinge wurde er 1964 entlassen und konnte 1968, dank Fürsprache von Günter Grass, in die Bundesrepublik Deutschland zu seiner Familie ausreisen, die Rumänien bereits 1965 verlassen hatte. Er wurde im Raum München ansässig, war freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks und von 1970 bis 1989 Schriftleiter (Chefredakteur) der Siebenbürgischen Zeitung, zudem von 1989 bis 2009 Mitherausgeber der Südostdeutschen Vierteljahresblätter (seit 2006 Spiegelungen).

Das Verdienst von Hans Bergel ist es, aus der Siebenbürgischen Zeitung, dem Presseorgan der damaligen Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen (heute: Verband der Siebenbürger Sachsen), ein wichtiges politisches Instrument geschaffen zu haben. Bekannt, bei manchen sicher auch gefürchtet, war seine „Politische Schlagzeile“, die über 300 Mal erschienen ist und oft auch von Zeitungen, Zeitschriften und Funkhäusern übernommen wurde.

Bei seinem Ausscheiden aus der Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung dankte ihm der damalige Bundesvorsitzende Dr. Wolfgang Bonfert u.a. mit folgenden Worten: „Hans Bergel hat es verstanden, den vielseitigen Belangen, denen die Zeitung der Landsmannschaft entsprechen musste, voll gerecht zu werden und Gewicht zu geben: Politische und heimatpolitische Aussagen, kulturelles Leben, Widerspiegelung landsmannschaftlicher Aktivitäten, Österreich-Seite, Rechtsfragen, Treffen, Jugendforum, Frauenreferat, Veranstaltungen, Glossen, Leserbriefe usw. – all dies fand in der Zeitung seinen angemessenen Platz unter Bergels redaktioneller Regie.“ Und weiter schreibt Dr. Bonfert in der Siebenbürgischen Zeitung vom 28. Februar 1989: „Über seine Schriftleiterfunktion hinaus war Hans Bergel dem landsmannschaftlichen Leben auf vielfältige Weise und stets in engagierter, temperamentvoller, impulsgebender Form verbunden: als Stellvertretender Bundesvorsitzender, als Fachreferent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressewesen, als glänzender Redner auf unzähligen landsmannschaftlichen Veranstaltungen, als Autor, und Mitwirkender in zahlreichen Bundfunk- und Fernsehsendungen, als eloquenter und streitbarer Verfechter siebenbürgisch-sächsischer Belange.“

Höhepunkt seines landsmannschaftlichen Wirkens war seine Rede am 4. Dezember 1982 vor dem Kölner Dom, wo rund 6.000 Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben gegen das kommunistische Regime in Bukarest demonstrierten, das kurz zuvor eine Freikaufsumme für seine deutschen ausreisewilligen Bürger eingeführt hatte. „Es gibt eine Grenze des Hinnehmens und Schweigens, die zu überschreiten den Verrat am Gebot der politischen Vernunft bedeutet. Alles Zumutbare ist nur so lange erträglich, solange die Würde des Menschen nicht verletzt wird. In dem Fall, von dem hier die Rede ist, wird menschliche Würde mit Füßen getreten. Wer dazu schweigt, macht sich schuldig nicht allein am sittlichen Auftrag, den jeder von uns wahrzunehmen angehalten ist, er handelt zugleich im Sinne der Menschen- und Menschenrechtsverächter. Wir, die wir uns hier versammelt haben, sind entschlossen, jenen Verächtern diesen Gefallen nicht zu tun.“ Seine Rede wurde zu einem flammenden Plädoyer zur Ächtung des Regimes in Bukarest, das die elementarsten Menschenrechte mit Füßen trat und mit der im Herbst 1982 eingeführten Freikaufgesetz einen weiteren, einen zweiten Eisernen Vorhang vor die Deutschen in Siebenbürgen und dem Banat legte. Bergel prangerte mit drastischen Worten die Schikanen an, denen die deutsche Minderheit in Rumänien seit Ende des Zweiten Weltkrieges ausgesetzt waren, die „am Ort der Vertreibung festgehalten“ wurden. Kurz darauf wurde dieses Dekret von den kommunistischen Machthabern in Rumänien wieder zurückgezogen.

Hans Bergel wird uns allen als Verfechter der Demokratie und als eine der profiliertesten siebenbürgisch-sächsischen Persönlichkeiten der Gegenwart in Erinnerung bleiben. Er hat durch sein Wirken die siebenbürgisch-sächsische Welt enorm bereichert, sie in ihrer europäischen Dimension beleuchtet und zu einer universellen Größe erhoben.

Wir trauern um einen großen Schriftsteller, einen engagierten Publizisten und wertvollen Menschen, dem wir alle viel zu verdanken haben. Hans Bergel möge in Frieden ruhen.

Rainer Lehni, Bundesvorsitzender

Siebenbürger Sachse von europäischem Format

Als Schriftsteller und Journalist ist Hans Bergel eine Größe von europäischem Format. Mit seiner Belletristik, mit seinen humorvollen und zugleich ernsthaften, stilistisch brillanten und stets wahrhaftigen literarischen Darstellungen von Siebenbürgen und seinen Menschen hat Hans Bergel einen breiten Leserkreis im In- und Ausland erreicht. Seine mit bewundernswerter Sprachgewalt und Sachkenntnis verfassten Erzählungen eröffnen immer wieder neue Perspektiven und machen die siebenbürgisch-sächsische Kultur auch für Menschen zugänglich, die zu Siebenbürgen und seinen Grundthemen, Geschichte, Landschaft, Burgen, Mehrvölkerraum, vorher keine Berührung hatten. Hans Bergel ist in der Tat ein Brückenbauer.

Rund 19 Jahre war er Schriftleiter der Siebenbürgischen Zeitung. Er war es, der aus dem Mitteilungsblatt eines Vereines für seine Mitglieder ein Kommunikationsorgan und politisches Handlungsinstrument gemacht hat, um zu Ceaușescus Zeiten die krassen Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und die Beheimatung seiner Landsleute in Deutschland zu fördern.

Sein weitgespanntes Lebenswerk verbindet Raum und Zeit. In seiner neuen und alten Heimat gilt er gleichermaßen als Autor, dem Vielfalt der Ausdrucksebenen, Beherrschung unterschiedlicher Genres, Meisterschaft als Novellist, Romancier, Lyriker, Essayist und Übersetzer bescheinigt werden. In seinem Werk reflektiert er sein langes Leben und macht uns Zeugen eines ganzen Europa in einer neuen Epoche, ja beinahe eines kompletten Jahrhunderts voller Umschwünge gezeichnet durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen, aber auch gesegnet durch ein geeintes, friedliches, demokratisches und wohlhabendes Europa. Dank seines literarischen Wirkens hat Bergel einen festen Platz im Kanon der siebenbürgisch-sächsischen Literatur und des sächsischen Kulturerbes. Der Witwe, den Kindern und Enkelkindern gilt meine herzliche Anteilnahme. Wir alle trauern um einen großen und wertvollen Siebenbürger Sachsen.

Dr. Bernd Fabritius, Ehrenvorsitzender des Verbandes

Schlagwörter: Kultur, Hans Bergel, Schriftsteller, Publizist, Siebenbürgische Zeitung, Rosenau, München, Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland

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