13. April 2025

Kreisverband Nürnberg trauert um Johann Rehner (1955-2025)

In einer seiner denkwürdigen Predigten in der Reformations-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg meinte Pfarrer Johann Rehner am 4. November 2012, es tue gut, darüber nachzudenken, was für Menschen wir seien, wie wir entschieden, um möglichst gut durchs Leben zu kommen. Dabei stelle jeder fest, jedem von uns gelinge nicht alles, was wir uns vornehmen, tun oder sagen. „Mensch, hätte ich das gewusst!“, sagen wir dann und ärgern uns über unsere Fehler, die wir machen, und über die Irrwege, die wir gehen. „Aber all das ist menschlich! Keine Fehler machen nur Menschen, die nichts tun, oder schon tot sind, wirklich oder auch nur innerlich. Vor einem solchen Rückzug in vermeintliche Sicherheit, vor einem zögerlichen und ängstlichen Leben möchte uns die Bibel bewahren.“
Pfarrer Johann Rehner am 27. September 2020 in ...
Pfarrer Johann Rehner am 27. September 2020 in der Reformations-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg. Foto: Annette Folkendt
Eine der größten und tiefgehendsten Überlegungen stelle dazu der Apostel Paulus im Römerbrief an, aus dem auch Martin Luther seine reformatorischen Erkenntnisse gezogen habe. Im 7. Kapitel des Römerbriefes (Verse 14-25) heißt es u.a.: „Wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was ich tue, denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. (…) Willen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. (…) Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem totverfallenen Leibe?“

Von dieser Passage ausgehend, erzählte Pfarrer Rehner zur Verdeutlichung seiner Aussagen eine Fabel: „Ein Storch fliegt kreuz und quer über einen sehr großen Wald und stellt fest, dass an mehreren Stellen ein Waldbrand ausgebrochen ist. In einem Halbkreis frisst sich das Feuer vorwärts. Er fliegt weiter und weiter und nach einiger Zeit erreicht er eine tiefe Schlucht, etwa 15 Meter breit und sehr tief, die sich kilometerlang durch den Wald zieht. Er denkt sich: Ich muss die Tiere warnen, denn sie sind eingeschlossen. Hinter ihnen ist die Feuerwand und vor ihnen die Schlucht. Also sucht er nach Tieren, um sie zu warnen und findet ein Schwein, das noch keine Ahnung von dem Feuer hat. Er warnt es eindringlich, schlägt ihm vor, abzunehmen, damit es über die Schlucht fliegen könne. Das Schwein bedankt sich für die Warnung und geht seiner Wege. Es will zwar abnehmen und nimmt sich fest vor, soviel abzunehmen, um fliegen zu können. Aber das Schwein ist eben ein Schwein und hat auch den Hunger eines Schweines. Es will zwar abnehmen, aber es kann nicht widerstehen. Es bleibt einfach zu schwer für die 15 Meter breite Kluft.“

Wer oder was ist bei Paulus nun der Storch und wer das Schwein? In unserer Fabel ist der Storch das Gesetz. Die Zehn Gebote zeigen uns, was vor Gott richtig und was falsch ist. Das Gesetz sagt uns: Achtung, es brennt, dir droht der Tod. Wenn du aber Gottes Forderungen einhältst, dann wirst du nicht sterben. Wenn du leicht genug zum Fliegen bist, dann wirst du gerettet. Das ist Gottes Wille.

Und wer ist nun das Schwein, das abnehmen will und die Diät nicht durchhält? Das ist Paulus selbst, das sind wir alle. Er bekennt: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Wir merken immer wieder: Wir wollen das eigentlich gar nicht, aber wir tun es trotzdem. Diese Erfahrung hat auch Martin Luther gemacht: Er kämpft als Mönch gegen seine innere Zerrissenheit, hadert mit sich und Gott, bis er sich ganz der Gnade und Barmherzigkeit Gottes anvertraut und erkennt: Christus allein kann mich retten, sein Wille geschehe! Dies möge auch unsere Erkenntnis sein: Ich schaffe es nicht aus eigener Kraft, ich brauche den Erlöser. So Johann Rehner 2012.

Johann Rehner wurde am 9. Juni 1955 in Ludwigsdorf in Nordsiebenbürgen geboren, verbrachte seine Kindheit mit einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester im Heimatort, besuchte hier die Grundschule und von 1970 bis 1974 die deutsche Abteilung des Bistritzer Gymnasiums. 1975-1979 folgte das Studium der evangelischen Theologie am Theologischen Institut in Hermannstadt, das Vikariat in Wolkendorf und Honigberg (bei Kronstadt). Er heiratete im Sommer 1979 Rosina, geborene Kessel, aus Weilau. Von Oktober 1979 bis Oktober 1980 hatte er über ein Stipendium für Auslandsstudium die Gelegenheit, an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal seine theologischen Kenntnisse zu erweitern. Hier ergab sich die Gelegenheit zu einer Reise nach Israel, was für ihn etwas Besonderes war. Von November 1980 bis Juni 1990 diente er als Gemeindepfarrer in Deutsch-Tekes (bei Reps), damals noch eine Gemeinde mit viel Brauchtum und Tradition. Hier wurden die beiden Töchter Dietlinde (1981) und Anette (1983) geboren. Die zehn Jahre in Deutsch-Tekes waren für die gesamte Familie prägend. Er übernahm in dieser Zeit auch die Vertretung in umliegenden Gemeinden im Repser Ländchen (Galt, Meschendorf, Deutsch-Kreuz, Schirkanyen). Im Juli 1990 folgte die Aussiedlung nach Deutschland, wo die Familie in Nürnberg blieb. Die erste Zeit von rund zweieinhalb Jahren Arbeitslosigkeit nach erfolgreichem jahrelangem Wirken in Siebenbürgen war sehr belastend. In der Kirchengemeinde St. Leonhard bot er sich an, helfend in vielerlei Hinsicht wirksam zu sein. Unter Pfarrer Giese hat er ehrenamtliche Aufgaben übernommen und machte unter anderem viele Hausbesuche bei Landsleuten und Aussiedlern im Durchgangswohnheim. Da er als Gemeindepfarrer in Nürnberg keine Stelle erhielt, musste er sich beruflich neu orientieren und war ab Februar 1993 als Religionslehrer am BAW Nürnberg (an einer Berufsschule) bis zu seiner Pensionierung tätig. Die Anfangszeit war nicht einfach, da es ein neuer Arbeitsbereich für ihn war. Unter anderem mit Fortbildungen konnte er sich immer mehr im neuen Feld einfinden. Nach einiger Zeit machte ihm die Arbeit dann mehr und mehr Freude und es erfüllte ihn, den Jugendlichen Wissen zu vermitteln und sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten und zu stärken. Unter den Kollegen war er geschätzt und es herrschte ein gutes Miteinander. Während der letzten drei Jahrzehnte hat er jahrelang innerhalb des Vorstandes der damaligen Landsmannschaft, heute des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, aktiv und kreativ gewirkt. Insbesondere kirchliche Aufgaben – sprich Gottesdienstgestaltungen und Predigten für verschiedene regelmäßige Zusammenkünfte übernahm er in Nürnberg und an zahlreichen weiteren Orten gerne und führte sie mit viel Engagement und Freundlichkeit aus. Neben seinem beruflichen Wirken als Religionspädagoge hielt er auch sehr viele Gottesdienste für siebenbürgische Gemeinden und begleitete auch viele Landsleute bei Trauungen, Taufen und Beerdigungen. Ernsthaft und gleichzeitig sehr verlässlich konnte er die Grundlagen unseres christlichen Glaubens darlegen, den Zusammenhalt der Menschen stärken, der Gemeinschaft in hohem Maße dienen. Besonders die regelmäßigen Gottesdienste in der Reformations-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg – praktisch von ihm initiiert – sowie zahlreiche Advents- und Weihnachtsgottesdienste unseres Kreisverbandes in der Sebalduskirche – von ihm betreut – werden unvergessen bleiben. Er begleitete auch viele Landsleute bei Trauungen, Taufen und Beerdigungen. Verantwortung hat er jahrelang zusätzlich im Rahmen des Gustav-Adolf-Werks übernommen. Johann Rehner hat uns beeindruckt: Mit seiner über Jahre hinweg positiven Lebenseinstellung, mit seinem gutgedachten Tun, mit seinem fortwährenden Interesse an all dem, was christlicher Glaube und Gemeinschaft ausmacht, mit seiner breit angelegten Hilfsbereitschaft. Er schöpfte Kraft und Ausdauer aus seinem christlichen Glauben, aus seiner Familie und der großen siebenbürgischen Gemeinschaft, etwa der Landsleute aus Ludwigsdorf, Wolkendorf, Honigberg, Weilau, Deutsch-Tekes, Galt, Meschendorf, Deutsch-Kreuz oder Schirkanyen. Johann Rehner starb am 13. März 2025 in Nürnberg. Bewahren wir ihm ein ehrendes Andenken.

Horst Göbbel

Schlagwörter: Nachruf, Pfarrer, Nürnberg

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