15. Juni 2003

Erwin Schmidt und Eva Stotz

Im August und September 2002 drehten der Student der Filmproduktion Erwin Schmidt (26), die Regiestudentin Eva Stotz (26) und der Kamerastudent Henner Besuch (24) in Hammersdorf einen Dokumentarfilm über die letzten Sachsen in dem siebenbürgischen Dorf. "Wie immer bei einem Dokumentarfilm werden wir einen Spagat unternehmen müssen, um das eigene inhaltliche und ästhetische Interesse mit dem Respekt vor den Protagonisten in Einklang zu bringen", ahnte Erwin Schmidt. Alle drei studieren an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Den Kontakt zwischen dem Filmteam und den Hammersdorfern hatte Schmidt, selbst gebürtiger Hammersdorfer, zuvor hergestellt. Über das außergewöhnliche Projekt unterhielt sich Robert Sonnleitner mit der aus Isny im Allgäu stammenden Eva (Stotz) und Erwin (Schmidt).
Wovon handelt euer Film?

Erwin: Der Film ist für mich eine Auseinandersetzung mit der sächsischen Gegenwart in Hammersdorf im Sommer des Jahres 2002.
Eva: Hammersdorf ist ein Stadtteil von Hermannstadt. Vor der Wende lebten dort etwa 1 500 Siebenbürger Sachsen, heute zählt das Dorf nur noch 47 Seelen. Wir versuchen durch Portraitieren des Arbeitsalltages, in Gesprächen und anlässlich der Begegnung unserer Protagonisten mit ehemaligen Freunden und Nachbarn während des "Hammersdorfer Treffens" ein Bild zu schaffen, das die heutige Lebenssituation der deutschen Minderheit in Siebenbürgen beispielhaft wiedergibt.

Pflegen Sie Kontakte nach Rumänien?

Erwin: Ja, ich habe meine Jugend dort verbracht und besuche auch heute noch regelmäßig meine rumänischen Freunde in Hermannstadt. Dabei fahre ich immer auch nach Hammersdorf, um meinen Onkel und die alten Nachbarn und Bekannten zu sehen.
Eva: Den ersten Kontakt zu Rumänien und den Siebenbürger Sachsen knüpfte ich im Winter 2001. Dort drehte ich ebenfalls in Hammersdorf einen kurzen Dokumentarfilm im Rahmen eines Seminars an der Akademie. Mein Interesse für die Siebenbürger Sachsen wurde im Laufe der Dreharbeiten geweckt und der Plan, ihre Geschichte in einem längeren Dokumentarfilm zu erzählen, stand bereits bei meiner Abreise fest.

Warum gerade dieses Thema?

Erwin: Ich hatte ein starkes persönliches Interesse, meine alte Heimat in einem Film einzufangen, solange es sie in dieser Form noch gibt. Interessant für mich waren Fragen wie: Was passiert mit einer Minderheit in Zeiten des Umbruchs? - Wie reflektieren die Menschen die Veränderung? und vor allem: Wie erleben sie die Veränderung und was bedeutet sie für das Leben der Minderheit?
Eva: Ich stellte mir deutsches Leben in Rumänien ganz anders vor und war fasziniert von der dort gelebten "deutschen" Realität. Dieses Identitätsbewusstsein, archaisch über Jahrhunderte aufrecht erhalten, gab mir als junger Deutschen die Möglichkeit, den Begriff Heimat in einer ganz anderen Form zu erfassen. Wie steht es heute mit den Gefühlen zum Heimatbegriff? Wo ist die Heimat? Wie geht es denen, die zurückgeblieben sind in der "alten Heimat". Ich wollte in dem Film diesen Fragen auf den Grund gehen, solange sie noch beantwortet werden können.

Welche Schwierigkeiten gab es vor Ort?

Eva: Wir unterschätzten die angespannte Situation zu Beginn unserer Dreharbeiten. Nach tagelangem Regen verfaulte zum Teil die Ernte auf den Feldern, zusätzlicher Stress wurde durch die Vorbereitungen des Hammersdorfer Treffens verursacht und die viele Arbeit ging den älteren Menschen doch sehr an die Kraftreserven. Wir wurden anfangs als zusätzlicher Stressfaktor wahrgenommen.
Erwin: Mich hat sehr überrascht, wie schnell sich die anfängliche Befangenheit im Beisein der Kamera legte. Beeindruckend empfand ich ebenfalls, wie aufrichtig die Menschen ihre Situation und Gedanken schilderten, sobald sie erkannten, dass von den Filmemachern keine "Gefahr" ausgeht.

Verraten Sie uns den Handlungsverlauf des geplanten Films?

Eva: Wir stellen nach und nach die sechs Hauptpersonen und das Dorf vor. Anfangs werden die Menschen bei ihrer Tätigkeit gezeigt, um einen Eindruck vom Leben in Hammersdorf zu vermitteln. Dann vertiefen Interviews das Gesehene bzw. widerlegen die verführerische Romantik der Bilder, da sie die Situation der Sachsen im heutigen Siebenbürgen erklären. Der Film gipfelt im "Hammersdorfer Treffen", das während unserer Dreharbeiten zum ersten Mal in der alten Heimat stattfand. Mehr als 100 ehemalige Hammersdorfer kehrten zu diesem Fest in ihr Dorf zurück. Rituale wurden zelebriert und Feste gefeiert - wie früher und trotzdem ganz anders. Nach der Abreise der Gäste bleiben wir noch für einen Moment mit unseren Protagonisten in Hammersdorf zurück und beobachten, wie sich ihr Alltag wieder einstellt.

Mit welchen Stilmitteln haben Sie gearbeitet?

Eva: Grundsätzlich haben wir sehr filmisch, d.h. szenisch zu arbeiten versucht. Durch die immer wiederkehrenden Vorgänge war es möglich, diese in durchdachten Bildern einzufangen, Bilder zu finden, die die Stimmung des Dorfes, den Rhythmus der Menschen widerspiegeln. Die traumhafte Landschaft tut ihr übriges.
Erwin: Wir wollten soweit möglich keinen eigenen Kommentar abgeben, sondern "nur" die Kommentare der Protagonisten einfangen. Es wird ein langsamer Film werden, in dem es auf die leisen Töne ankommt.

Wer produziert den Film?

Erwin: Der Film ist eine Eigenproduktion. Die Kosten für die Ausrüstung, den Schnitt und die Tonmischung tragen wir selbst.

Wen möchtet ihr mit diesem Film erreichen?

Erwin: Das wachsende Interesse an Osteuropa und die relative Unkenntnis über die Siebenbürger Sachsen sind gute Voraussetzungen für ein breites Interesse. Die Zuschauer können sich mit unserem Film einen guten Einblick in das "sächsische Leben heute" in Siebenbürgen verschaffen. Nicht zuletzt wird dieser Film bei Menschen mit einer ähnlichen Geschichte Anklang finden.

Wann und wie können Interessenten an den Film herankommen?

Erwin: Voraussichtlich im Herbst 2003 wird der Film fertig (den Schnitt verantworten Claudia Gleisner und Eva Stotz) und dann zu beziehen sein unter: Erwin Schmidt, Fischerinsel 9/1207, 10179 Berlin, Telefon (01 79) 6 96 46 52 oder (00 33) 6 72 88 06 99, E-Mail: orpheos@gmx.at. Der Einzelpreis einer VHS (inkl. Versand) beträgt 18 Euro.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Medien

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