15. März 2002

Wilhelm Scherz

Das heutige E-Mail-Interview führten wir mit Wilhelm Scherz (42), dem Webmaster von www.Karpatenwilli.com. Er wurde in Ilmenau / Thüringen geboren, arbeitet als Krankenpfleger in der Altenpflege und wohnt zurzeit in Jüterbog (Land Brandenburg).
Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Webseite mit Reiseinformationen über Rumänien und vor allem über die Bergwelt anzubieten?

Ein Grund dafür war das ungeheuerliche Informationsdefizit hier im Westen. Das Bild, welches auch heute noch über Rumänien in den Medien existiert, ist zumeist von Umweltkatastrophen, Korruption, Armut und Verfall geprägt. Wenige Ausnahmen bilden dabei die Beiträge von "Wunder der Erde", obwohl diese ebenfalls nur zu 3 Prozent das ausgeschöpft haben, was dort an Einmaligkeiten existiert. Bereits zweimal habe ich an die Redaktion eine Mail gesendet und kritisch angemerkt, dass man die Kultur der dortigen Motzen sträflichst vernachlässigt hat. Aber man ist dort höchst erhaben über derlei Anregungen und antwortet nicht auf Kritik :-) !
Meine Homepage baute ich zu Beginn des Jahres 1998 mit nur wenigen Seiten unter dem Titel "Rumänien: Berge & Höhlen" auf. Durch zahlreiche Anfragen und durch den parallel laufenden Aufbau meiner Maramuresch-Seiten, ergänzte ich 2000 den Titel meiner Seiten mit dem Wort: "Traditionen". Also fortan: "Rumänien: Berge, Höhlen, Traditionen". Der Text auf der Hauptseite unter: http://home.t-online.de/home/Karpatenwilli/ ist beinahe unverändert geblieben.

Die Bergwelt Rumäniens hat es dir anscheinend angetan, was fasziniert dich an diesem Karpatenland?

Was mich daran fasziniert, hat vor drei Jahren mal ein guter Freund mit wenigen Worten zum Ausdruck gebracht. Wir waren zu dritt auf Wanderschaft im Anina-Gebirge. Rudi war erstmals in Rumänien und wir fragten ihn, was ihm im Vegleich zu den Alpen hier in Rumänien so gefalle. Er antwortete: "In den Alpen, da sind es die Berge. In Rumänien sind es die Menschen und die Berge". Treffender kann auch ich das nicht wiedergeben. Aber für mich gibt es noch weitere Gründe. Da ich ja gebürtiger Thüringer bin, habe ich ein tiefgehendes Verhältnis zu Bergwäldern. Ein Faktum, das man in anderen Ländern beinahe schon suchen muss. Dazu kommt die Urtümlichkeit dieser Bergregionen, in denen Bär, Wolf und Luchs noch heimisch sind. Und wie schon angedeutet, sind die Kulturen der Bergbauern in den verschiedenen Regionen Rumäniens von einer außerordentlichen Vielfalt und lebendigen Tradition, wie es sie selbst in Russland nicht mehr gibt. Das Prädikat "Einmalig in Europa" ist hier locker verdient! Und auch die Hirten des Landes tragen dazu ihren Teil bei.

Welche Ziele verfolgst du mit deiner Webseite, und wen möchtest du damit erreichen?

Hier geht es im Prinzip um zwei Dinge:
1. Die Homepage ist ein Sprachrohr meiner Leidenschaften und meiner Liebe zu diesem Land!
2. Nach der Revolution in Rumänien hatten wir in Jüterbog eine "Rumäninehilfe e.V." aufgebaut und sehr viel erreicht. Allerdings kann ich mich nicht mehr damit zufrieden geben, Kleiderspenden und andere Dinge nach Rumänien zu liefern. Teils machen wir das heute noch, aber man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass mit der Fülle solcher Aktionen rumänische Betriebe "kaputt-subventioniert" werden. Zudem sind durch unsensible Hilfsgüterlieferungen mancher Vereine viele Dorfgemeinschaften zerbrochen. Das ist, glaube ich, ein sehr schlechter Tausch gegen ein paar Spendensachen! Die Rumänienhilfe müsste daher heute auf einem viel höheren Niveau ansetzen. Mein Betätigungsfeld ist dabei die Ankurbelung des Individualtourismus. An dem Beispiel der Maramuresch kann man schon heute sehen, wie wunderbar das ist. Es gibt in den Dörfern (bis auf wenige Ausnahmen) keine Hotels. Aber viele Bauern haben in ihren Häusern ein Gästezimmer eingerichtet, und der Besucher findet dadurch auch gleich Kontakt zu den Menschen dieser Region. Für mich ist es immer wieder ein Elebnis zu sehen, wenn eine 90-jährige Bäuerin z.B. einen über den Winter hergestellten traditionellen Wandteppich an einen Amerikaner für wirklich gutes Geld verkaufen kann. In dem ganzen Leben einer solchen Frau hat es bisher nie einen so guten Zusatzverdienst gegeben, und der ist heute für diese Menschen mehr als nur überlebenswichtig. Insbesondere Belgier und Franzosen haben eine großartige touristische Aufbauarbeit in der Maramuresch geleistet.

Was ist das Besondere an deiner Homepage? Was bietet sie, was andere Sites mit ähnlichem Thema nicht haben?

Es ist keine Kritik von mir, aber vielen Seiten fehlt das "menschliche Element". Sie sind für meine Begriffe zu sachlich gehalten. Warum? Ich betonte es schon anfangs: Es ist der ungerechtfertigt schlechte Ruf, den Rumänien auch dank unserer westlichen Medienwelt hat. Diesem kann man mit rein sachlichen Themen nichts entgegensetzen, wenn es ein Ziel sein soll, Menschen für eine Reise nach Rumänien zu motivieren. Der Angstkomplex sitzt hier oft unheimlich tief, und dabei ist es genau das Gegenteil, was einen in Rumänien erwartet. Genau diesen Komplex zu knacken, braucht es im Grundansatz "menschlicher Noten"! Darum ist mir z.B. die Sparte der Rumänien-Reiseberichte so sehr wichtig, und darum habe ich auch lange recherchiert, bis es beinahe durch einen Zufall gelang, die Rechte zur Veröffentlichung der alten "Komm Mit"-Beiträge zu erhalten. Die Wirkung der Beiträge hatte ich früher miterlebt: Schon Monate vor der jährlichen Neuerscheinung liefen die Leute dem jeweiligen Buchhändler die Tür ein.

Wie kommst du sonst an die umfangreichen Informationen (Geschichten, Karten, Adressen usw.) für deine Homepage ran?

Neben den erwähnten "Komm Mit"-Büchern stammt der größte Teil der Informationen aus eigenen Erfahrungen, da ich auf eine Vielzahl von Reisen zurückblicken kann. Dabei habe ich bisher keine 30% meiner Reiseberichte aufarbeiten können. Bildmaterial habe ich ebenfalls reichlich vorliegen. Was das Kartenmaterial anbelangt, da gibt es noch immer einen wahren Engpass. Erfreulichstes Ereignis diesbezüglich sind die Neuerscheinungen des ungarichen Kartenverlegers "Dimap"! Aber das große Defizit an benötigten Wanderkarten auszugleichen, da hatte ich mich dazu entschlossen, einiges Material selbst zu überarbeiten. So stelle ich derzeit nach und nach rumänische Bezirkskarten ins Netz. Ich habe diesbezüglich die Schöpfer jener Kartengrundlagen konsultiert, damit alle Beteiligten ihren Nutzen haben. Einen Datenklau würde ich ja ebenso als schmerzlich empfinden. Darum bin ich hier immer um Kontakte bemüht. Aus diesem Pool schöpfend, kann man auch künftig mal Menschen zusammenbringen, die hier Großes leisten!

Adressen, ja das ist derzeit mein großes Thema. Insbesondere Unterkunftsadressen. Ich habe kürzlichst ein Unterkunftsregister, nach Landesbezirken geordnet, ins Netz gestellt. Hier sind teils die Hotels noch dominierend. Das ist zum einen nicht schlecht, weil es auch bei besser situierten Reiseinteressierten ein wenig das Vertrauen in die Struktur fördert. Zum anderen ist es natürlich mein großes Ziel, genau hier den einfachen rumänischen Menschen, die ähnlich den Bauern in der Maramuresch mittelfristig ein zusätzliches Einkommen erzielen möchten, ein "Werbeportal" anzubieten. Ich gehe auch immer vor Ort auf die Menschen zu und spreche sie an. Oft brauchen die Bauern nicht einmal anzubauen, denn sie haben immer ein leeres Zimmer, in dem man einen Gast aufnehmen könnte. Und die "traditionelle" Verköstigung stellt überhaupt kein Problem für einen Bauern dar. Auch einfachste Arrangements interessieren mich. So hatte ich im letzten Jahr z.B. einen jungen Mann bei Vulcanii Noroiosi angesprochen, ob er für 100.000 Lei nicht Tagesführungen machen wollte. Klar, sagte dieser, er habe Zeit und sei eh arbeitslos. Und als ich zurück war von meiner Tour, da konnte ich ihm auch schon einen ersten Kontakt vermitteln.

Noch einmal zu den Unterkünften: Ich bitte jeden, der einen privaten Unterkunftstipp, wo immer in Rumänien hat, diesen an mich weiterzuleiten.

Wie viele Besucher zählst du auf deiner Website im Durchschnitt?

Oh je, da zähle ich seit dem letzten Jahr nicht mehr, seitdem ich Probleme mit meinem Counter-Anbieter hatte. Und für die neuen Seiten unter http://www.karpatenwilli.com/ habe ich diesbezüglich noch gar nichts vorgesehen. Aber zur Entwicklung der Zugriffe auf die Hauptseite: Im ersten Jahr waren es keine 300, im zweiten Jahr um die 1800, im Jahr 2000 etwa 12000 und 2001 rund 30000. Auf den anderen Seiten fällt die Statistik natürlich viel niedriger aus. Mit Beginn des Frühjahrs bis in den August hinein habe ich es jedoch mit einer ganz anderen Art von Statistik zu tun: Die Anfragen per Mail häufen sich ganz erheblich, so dass ich allabendlich so um eine Stunde mit der Beantwortung der Mailpost verbringe. Deshalb beeile ich mich auch immer, das Informationsangebot auf meinen Seiten zu vervollständigen :-) !

Wie willst du deine Website weiterentwickeln, planst du Erweiterungen?

Erweiterungen plane ich immer :-), nur mit der Zeit ist es ein Problem. Am Besten wäre es, dass rumänische Tourismusministerium macht mit mir einen Arbeitsvertrag, dann könnte ich wie ich wollte :-))) !
Aber Spaß beiseite, eine Erweiterung stellen ja schon meine Seiten unter www.karpatenwilli.com dar. Die alten Seiten waren mit der Zeit unübersichtlich geworden, ganz zu schweigen vom ewigen Mangel an Speicherplatz. Die Aufarbeitung der Informationen ist mir zurzeit wichtiger, als viel Zeit mit neuem Webdesign zu verschwenden. Aber vielleicht in einigen Jahren, mit der nächsten "Neuauflage" meiner Seiten, wird es auch einen neuen technischen Standard geben. Schaun wir mal.

Welches sind deine Lieblingshobbys, welches ist dein liebstes Reiseland?

Mein Lieblingshobby ist das Wandern. Ich bin auch gern im Garten, war früher mal in einer kleinen Band, und habe später über einige Jahre im hiesigen Laientheater mitgewirkt. Die Gestaltung meiner Webseiten könnte ich noch hinzufügen. In meiner Jugend hatte mich auch die Elektronik ein wenig in den Bann gezogen.
Mein liebstes Reiseland, da gibt es keine Fragen, ist natürlich Rumänien, gefolgt von Island. Dort habe ich bisher drei große Touren mit dem Fahrrad durch das ganze Land unternommen. In den Jahren 1992, 1994 und 1998 habe ich dort etwas ganz Wichtiges erlebt, nämlich die Entwicklung des Individualtourismus! Der Aufwärtstrend dort ist außerordentlich, und ähnlich wie in Rumänien gibt es in Island nur wenige Hotels. Es gibt viele Privatunterkünfte, in denen auch Reisegruppen unter gebracht werden. Dort sieht man die Sache sogar so unkompliziert, dass man die Gäste zum Frühstück in den nahe gelegenen Tankstellenkomplex schickt :-). In jedem noch so kleinen Dorf gibt es (zumeist in den Tankstellen, eine kleine Gaststätte, teils ein Einkaufsladen, ...) ein Infocenter für Touristen. Man schaut an die Pinwand, was der eine oder andere Bauer der Umgebung anbietet: Boots- und Angeltouren, Jeeptouren, Wanderführungen, Reitausflüge... .Ist man interessiert, meldet man sich beim Tankwart, nd der ruft den entsprechenden Farmer oder Lehrer oder was auch immer an. Und dann kann es losgehen.

Allein die ganzjährige Haltung der Islandpferde rechnet sich jetzt durch die Einnahmen aus Reittouren. Diese Entwicklung ist unglaublich. Die Leute sind sehr hilfsbereit und helfen, wann immer ein Reisender in Not geraten ist. Man kann sich dort also wohl fühlen, obwohl die Preise für einen etwas luxuriöseren Urlaub einem die Beine wegschlagen :-). Ein Mittagessen kann mal locker ab 30 Euro aufwärts gehen. Rumänien hat diesbezüglich einen großen Vorteil!

1992 wurde Island von noch wenigen bereist, zumeist Individualisten. Arne Körtzinger hat mal ein Buch geschrieben: "Allein durch Island mit dem Fahrrad". Dem sind mittlerweile abertausende Radler gefolgt! Soll das nicht auch in Rumänien möglich sein? Die Möglichkeiten sind ja dort im Prinzip unerschöpflich.

Welches war das prägendste Erlebnis auf deinen Rumänien-Touren?

Es gibt für mich keinen Höhepunkt in Bezug auf meine Rumänienreisen. Ich liebe den Blick fürs Detail: Kleinigkeiten an Menschen oder in der Natur begeistern mich ebenso wie größere Ereignisse. Eines fällt mir bei jeder neuen Reise auf. Ich denke immer darüber nach, ob das Erlebte der letzten Reise nicht doch irgendwie das Maximum gewesen sein könnte. Aber dann stelle ich fest, dass es in Rumänien immer eine Steigerung geben wird :-) ! Das Interessante ist, dass Reisen in wenig besuchte Gegenden, denen man eben auch wenig "Superlativen" zuspricht, dann oft viel mehr zu bieten haben, als man es je erwarten könnte. Und es gibt auch einen Grundsatz: Viele Erlebnisse werden einem erst durch die Menchen vor Ort möglich. Sich mit ihnen einzulassen, ist eines der größten "Geheimnisse" meiner Reisen.

Welches sind deine Lieblingslinks im Internet?

Ganz spontan verweise ich auf die Webseite vom Björn Reinhardt unter: http://www.sibiweb.de/zipser/ Da ist so viel Witz und "Bürgernähe" mit eingebracht, dass es einen warm ums Herz wird!
Weitere Seiten stehen in meiner Linkliste unter: http://www.karpatenwilli.com/links.htm
Was die Leute dieser Webseiten an Arbeit leisten, ist hoch anzuerkennen. Rumänien braucht jeden Einzelnen von ihnen!

Gibt es Fragen, die du gerne an unsere Leser richten würdest?

Ja, ich erwähnte es schon: Wer Tipps von Privatunterkünften in Rumänien hat, dem wäre ich dankbar. Und alle, die eine Reise in Rumänien gemacht haben, sind natürlich herzlichst eingeladen, eine eigene Reisegeschichte in meine Seiten zu stellen!

Vielen Dank für das Gespräch

Schlagwörter: Interview, Medien, Internet

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