1. Januar 2007

50 Jahre deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Theaters in Hermannstadt

Seit dem 7. Februar diesen Jahres leitet Anna Neamțu die deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Nationaltheaters, die Ende November mit einer Ausstellung und mehreren Stücken sowohl ihr 50-jähriges Jubiläum als auch 425 Jahre deutsches Theater in Hermannstadt feierte. Mit Anna Neamțu sprach Ruxandra Stănescu. In Hermannstadt ist das deutsche Theater seit dem 16. Jahrhundert urkundlich belegt. 1788 wurde das erste Theater eröffnet, das im 19. Jahrhundert zum Stadttheater wurde. Mit dem Dekret Nr. 56771 ist am 17. November 1956 die deutsche Abteilung am Hermannstädter Staatstheater gegründet worden.
Herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag! Jeden Mittwochabend ist der Theatersaal voll, denn die deutsche Abteilung spielt. Das deutsche Theater ist also nicht vom Aussterben bedroht?

Keinesfalls. Wir haben jetzt ein fantastisches Publikum. Wir verkaufen 90 bis 100 Karten pro Abend, da auch die Sitzplätze meistens auf der Bühne sind. Früher wurden pro Spielzeit 1500 Karten verkauft. Seit 2004 verkaufen wir 3 000 bis 4 000 Karten pro Spielzeit. Das ist kein Boom, sondern das hält tatsächlich an.

Bei der letzten Aufführung wirkten zwei junge Akteure mit, die nicht deutsch gesprochen haben. Wie kommt das?

Seit drei Jahren haben wir rumänische Untertitelung und dadurch viel mehr rumänisches Publikum, das auf unsere Stücke aufmerksam geworden ist. Wir sind viel zugänglicher geworden. Zudem sind wir flexibler geworden und können uns den Wünschen des Publikums anpassen. So sind wir inzwischen nicht mehr an den Theatersaal gebunden und haben Stücke, die auch in Kellern und Kirchen gespielt werden können.

Früher war die deutsche Minderheit das Zielpublikum. Heute nicht mehr?

Früher hat man geschaut, dass die Minderheit zusammen bleibt. Man hat deswegen auch Stücke mit entsprechenden Bezügen gespielt. Unsere Zielgruppe heutzutage ist mannigfaltig. Einerseits ist es die deutsche Minderheit, dann auch sind es Deutsche, die in Rumänien leben und arbeiten. Darüber hinaus kommen Touristen sowie deutschsprechende Schüler und Studenten. Wir müssen alle diese Spalten ansprechen. Wir haben vier oder sogar fünf Premieren pro Spielzeit. Früher waren es zwei, maximal drei. Dadurch halten wir das Interesse des Publikums wach.

Nach 1990 gab es eine schwere Zeit für die deutsche Abteilung.

Aber sie hat überlebt, wenn auch nur mit einer Premiere pro Spielzeit. Das ist Renate Müller-Nica zu verdanken, die gekämpft hat, die deutsche Abteilung zu erhalten, selbst wenn nur drei Schauspieler da waren. Sie hat immer dran geglaubt, dass die Abteilung Zuwachs bekommen würde, was dann auch geschehen ist. Wir steigen jetzt auf.

Wie sprechen Sie das junge Publikum an?

Sehr wichtig ist es, dass wir mit Radu Alexandru Nica (Die Redaktion: Sohn der Schauspielerin Renate Müller-Nica) einen jungen Hausregisseur haben. Im Zuge meiner Recherchen für die Vorbereitung der Feierlichkeiten habe ich herausgefunden, dass die deutsche Abteilung eigentlich nur zwei voll ausgebildete Hausregisseure hatte: Hanns Schuschnig und Radu Nica. Wir waren sehr glücklich, dass Herr Nica nach seinem Studienabschluss uns ausgewählt hat. Er ist nämlich hier im Theater aufgewachsen, kennt die Schauspieler und das Haus sehr gut und auch die Technik, die ihm zur Verfügung steht. Das ist sowohl für ihn als auch für uns ein Pluspunkt.

Hat Radu Nica die Weichen neu gestellt?

Wenn man sich die letzten drei Jahr anschaut, merkt man, dass wir eine neue Richtung eingeschlagen haben. Wir sind in die junge Theaterszene eingedrungen, haben einen europäischen "Touch" und probieren neue Sachen aus. Radu Nica hat neue Ideen und wir haben Produktionen, mit denen wir uns wirklich zeigen können. Durch diese Produktionen sind wir auf dem rumänischen Theatermarkt richtig bekannt geworden. Wir sind z. B. in Buzău Hausgäste, waren auf mehreren Theaterfestivals. Unser Team ist jung im Herzen und voller Energie.

Stimmt es, dass Sie Schauspieler suchen?

Zurzeit haben wir eine Stelle frei. Aber ich suche immer neue Gesichter, damit das Publikum uns nicht langweilig findet. Anderseits profitiert auch unser Ensemble von neuen Mitarbeitern. Publikum gibt's, gute Stücke ebenso, das Theater funktioniert, aber wir suchen weiterhin Schauspieler. Nur ist es sehr schwierig, in Rumänien Schauspieler für die deutsche Abteilung zu finden. Wir haben viele Bewerber aus Deutschland, doch die kann man nicht finanzieren. Unser Gehalt ist nicht eben attraktiv. Am besten wären Schauspieler aus Rumänien, die deutsch sprechen.

Wie ist es um den Schauspielnachwuchs bestellt?

In Temeswar werden an der Hochschule Schauspieler für deutsche Abteilungen ausgebildet. Die meisten werden allerdings im Staatstheater Temeswar angestellt. Seit kurzem haben wir auch in Hermannstadt zwei Plätze für die deutsche Abteilung an der hiesigen Schauspielschule. Die werden vom rumänischen Staat finanziert. Jetzt müssen wir aber abwarten, bis die erste Generation den Abschluss macht. Übrigens werden im nächsten Jahr zwei Studenten beim "Faust" dabei sein, das ist eine große gemeinsame Produktion der beiden Abteilungen des Radu-Stanca-Nationaltheaters.

Haben Sie besondere Pläne für das Kulturhauptstadtjahr 2007?

Wir wollen ab 2007 die schon lange geplante Sommerspielzeit einführen. Wir möchten das Kulturhauptstadtjahr für Projekte nutzen, die wir ansonsten gar nicht gemacht hätten oder wenigstens nicht alle in einem Jahr. Neben einer Koproduktion mit dem Antagon-Theater aus Frankfurt (Straßentheater) planen wir eine Koproduktion mit dem Züricher Theater am Neumarkt für einen Film, und dann noch eine Koproduktion mit Essen, bekanntlich 2010 Europäische Kulturhauptstadt. Dabei werden acht Hermannstädter und acht Essener Schauspieler "Die Räuber" von Schiller in einem unkonventionellen Raum, z. B. einer Industriehalle, aufführen. In einigen kleineren Projekten werden Regisseure und Dramaturgen aus Deutschland mit uns zusammen arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Kultur, Hermannstadt, Theater, Kulturhauptstadt

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