6. Februar 2010

Die Landesgruppe Baden-Württemberg auf ein tragfähiges Fundament gestellt: Richard Löw zum Gedenken

Am 21. Januar 2010 ist Richard Löw, der Ehrenvorsitzende und ehemalige Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., nach längerer und schwerer Krankheit im Alter von 82 Jahren in seinem Wohnort Bietigheim-Bissingen gestorben. Er wurde unter der Teilnahme einer großen Zahl von ehemaligen Weggefährten und Landsleuten am 27. Januar auf dem Friedhof Sankt-Peter in Bietigheim beerdigt. Den Nachruf seitens des Verbandes im Trauergottesdienst, von Pfarrer Helmut Wolf (ehemals Hermannstadt) gestaltet, hielt der Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Alfred Mrass. Zwei Kränze mit blau-roter Schleife, von der Landesgruppe Baden-Württemberg und seitens des Bundesvorstandes sowie des Sozialwerkes gestellt, bezeugten die Trauer um Richard Löw und die Wertschätzung, die er genoss.
Richard Alfred Löw wurde am 21. Februar 1927 in Schäßburg geboren. Sein Vater Richard Josef Löw war Mitinhaber einer industriellen Weberei und Buntfärberei in Schäßburg, ehemals die erste mechanische Baumwoll-Buntweberei und Dampffärberei Siebenbürgens. Seine Mutter Emma stammte aus dem Sudetenland. Er war der Älteste der drei Brüder Richard, Horst und Peter. Richard Löw besuchte in seiner Heimatstadt die Grundschule und anschließend das Bischof-Teutsch-Gymnasium, wo er 1947 sein Abitur ablegte („Bakkalaureat“). In den Ferien und in einem schulfreien Jahr gleich nach dem Krieg arbeitete er im väterlichen Betrieb und absolvierte eine Lehre zum Weber, der er nach dem Abitur auch eine Weiterbildung zum Webmeister folgen ließ. Ein Studium war für ihn, als Sohn eines Fabrikanten, damals nicht möglich. 1948 wurde der Betrieb seines Vaters entschädigungslos enteignet, verstaatlicht und mit den anderen in Schäßburg existierenden Webereien zusammengelegt. Er war weiter als angestellter Webmeister tätig. Über diese schwere Zeit erzählte er später, dass ihm immer wieder Sabotage unterstellt wurde. War doch sein Vater, einzig und alleine, weil er eine Fabrik besessen hatte, zu einer Gefängnisstrafe mit Schwerstarbeit am Donau-Schwarzmeer-Kanal verurteilt worden.

1950 wurde Richard Löw zum Militärdienst eingezogen, den er in Petroschen ablegte. Hier wurde er zum Elektriker und danach auch zum Buchhalter ausgebildet. Von dem kargen Soldatensold kaufte er Lebensmittel und schickte Pakete an die Familie daheim, die ohne jedes Einkommen war. Nach der 1953 erfolgten Entlassung vom Militär arbeitete er bis 1970 als kaufmännischer Angestellten in der Ziegelfabrik von Schäßburg, eine Gründung seines Großvaters Wilhelm Löw. Seine buchhalterischen und kaufmännischen Kenntnisse konnte er nach der Aussiedlung im Jahr 1970 in den Deutschen Linoleumwerken (DLW) in Bietigheim-Bissingen anwenden, wo er bis zu seinem Rentenbeginn 1989 tätig war. Dort arbeitete er sich kontinuierlich hoch und hatte zuletzt die Funktion des Abteilungsleiters Materialverwaltung inne.

Richard Löw (1927-2010) ...
Richard Löw (1927-2010)
Über das Handballsspiel - er war mit der legendären Schäßburger Mannschaft „Viktoria“ 1946 und 1948 rumänischer Landesmeister - hatte er Martha Siegmund kennengelernt. 1954 heiratete das Paar in Schäßburg. Dort wurden auch die drei Kinder Christa, Astrid und Richard geboren.

Richard Löws ehrenamtliche Tätigkeit entsprang seinem Bestreben, zum Wohlergehen der sächsischen Gemeinschaft beizutragen. Das Schicksal der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und in der alten Heimat hat ihn ständig beschäftigt. Die Wurzeln seines ausgeprägten Gemeinsinns lagen in seinem Elternhaus. Sein sehr sozial eingestellter Vater unterstützte alle gemeinschaftlichen Einrichtungen. Auch die Bergschule und die althergebrachten Gemeinschaftseinrichtungen wie die Nachbarschaften haben Richard Löw geprägt. So konnte es nicht ausbleiben, dass er sich nach seiner Ankunft in Deutschland in den Dienst der Gemeinschaft stellte. Er wurde Kassier in der 1975 gegründeten Kreisgruppe Bietigheim-Bissingen und 1984 deren Vorsitzender. Von 1978 bis 1986 war er stellvertretender Landesvorsitzender und Kassenwart der Landesgruppe Baden-Württemberg. Nach dem 1985 erfolgten Wegzug des damaligen Landesvorsitzenden Hans-Wolfram Theil wurde Richard Löw am 22. Februar 1986 zum Vorsitzenden der Landesgruppe Baden-Württemberg gewählt. Diese Funktion übte er bis 1995 aus. Zwischen 1992 und 1999 war Löw auch stellvertretender Bundesvorsitzender, von 1994 bis 2007 stellvertretender Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen. Daneben war er Mitglied im Vorstand des Hilfsvereins Johannes Honterus Stuttgart e.V., der HOG Schäßburg, des Vereins „Bergschule Schäßburg e.V.“ und des Kirchengemeinderats der Paulus-Kirche Bietigheim.

Richard Löw hat als Landesvorsitzender die Funktionsfähigkeit der Landesgruppe konsequent und verantwortungsbewusst verbessert. Bei dem Nachruf im Trauergottesdienst wurde gesagt, er hätte das Haus der Landesgruppe Baden-Württemberg aus dem Rohbau in einen funktionsfähigen Ausbau und Endzustand gebracht. Noch heute gilt in Baden-Württemberg die von ihm vorgenommene Zuteilung der einzelnen Ortsgruppen zu den landsmannschaftlichen Kreisgruppen. Er hat die Finanzen der Landesgruppe neu geregelt und auf tragfähige Beine gestellt. Die Mitgliederverwaltung und Beitragsverwaltung wurde auf EDV umgestellt. In seiner Amtszeit wurden Verträge zur Haftpflicht- und Unfallversicherung für die landsmannschaftlichen Aktivitäten abgeschlossen. Die Kreisgruppen aus Baden-Württemberg entfalten ihre musikalischen Aktivitäten heute noch aufgrund eines speziellen Vertrages mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte (GEMA), der von Richard Löw 1988 erstmals unterzeichnet wurde. In der Zeit des Landesvorsitzenden Löw nahm die Kulturtätigkeit einen großen Aufschwung, der mit der 40-Jahrfeier der Landesgruppe 1989 auf dem Killesberg und mit ihrem substantiellen Beitrag zur 850-Jahrfeier der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen in der Frankfurter Pauls-Kirche gipfelte.

Eine besondere Herausforderung für den landsmannschaftlichen Vorstand unter der Führung von Richard Löw stellte der große Zuzug von Landsleuten nach der politischen Wende aus Rumänien dar. In 94 Wohnheimen aus Baden-Württemberg wurden Neuankömmlinge von der Landsmannschaft betreut. 1993 organisierte man eine Hilfssendung mit einem Sattelschlepper nach Rumänien.

Richard Löw hat durch sein ehrliches Bekenntnis zur sächsischen Gemeinschaft viele Mitglieder der Landmannschaft bzw. des Verbandes der Siebenbürger Sachsen positiv beeinflusst. Er war durch sein Verhalten und seine Arbeit beispielgebend. Für ihn war die Landsmannschaft die Lokomotive des sächsischen Zuges in Deutschland. Auf die Frage, welches das Verhältnis der Heimatortsgemeinschaften zu der Landsmannschaft sein sollte, antwortete er 1997: „Ich bin Ehrenvorsitzender des Bergschulvereines und Mitglied im Ältestenrat der HOG Schäßburg, also den Heimatortsgemeinschaften nicht abgeneigt, wie oft behauptet wird. Aber ich bin heute noch strikt dagegen, wenn aus Gedankenlosigkeit oder aus falschem Ehrgeiz hier in den neuen Heimatorten anstatt miteinander, nebeneinander oder gar gegeneinander gearbeitet wird. Wir wollen doch die gleichen Menschen ansprechen! Das Zusammenwachsen hier, der durch das Schicksal kunterbunt zusammen gewürfelten Landsleute, ist doch vorrangig! Wenn das nicht gelingt, sind alle weiteren Überlegungen unnütz. Wunderbare Chöre, Brauchtumsgruppen könnten wir haben, wenn vor Ort etwas mehr zusammengearbeitet würde. Wir sollten noch mehr zusammenrücken, nur gemeinsam sind wir stark!“

Das Haus Löw aus Bietigheim-Bissingen selbst war ein Hort sächsischer Kultur und Brauchtumspflege. Martha Löw leitete jahrelang Chöre der Kreisgruppen Bietigheim und Sachsenheim. Alle drei Kinder von Richard und Martha Löw haben viele Jahre in sächsischen Tanz-, Trachten- oder Theatergruppen mitgewirkt und Verantwortung getragen. Darauf war der Verstorbene sehr stolz. Der Südwestrundfunk hat aus dem Hause Richard Löws eine Sendung über siebenbürgisch-sächsische Kochrezepte und Speisen gebracht.

Für seine verdienstvolle Ehrenamtstätigkeit wurde Richard Löw vom Bundesvorsitzenden Dr. Wilhelm Bruckner 1978 mit dem Goldenen Ehrenwappen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und von Ministerpräsident Günther Oettinger 2006 mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

In der am 28. November 2009 erschienenen Festschrift „Siebenbürger Sachsen in Baden-Württemberg – 60 Jahre Landesgruppe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.“ schreibt der Ehrenvorsitzende Richard Löw in seinem Grußwort: „Was für unser Weiterleben wichtig war und ist: Wir haben uns nicht verzettelt, sondern haben uns zu einer neuen Gemeinschaft zusammen gefunden. Wir feiern unsere Feste, pflegen unsere Bräuche und unsere Kultur, halten die Verbindung zur alten Heimat aufrecht. Das soziale Engagement liegt uns am Herzen und wird gewissenhaft in Taten umgesetzt. Was war, ist uns bekannt - was aber bringt die Zukunft unserer Gemeinschaft? Mein innigster Wunsch: dass sich die nachfolgenden Generationen auch weiterhin zur Verfügung stellen, auch weiterhin unsere Traditionen pflegen. Eine immer bessere Zusammenarbeit zwischen den Kreisgruppen und den Heimatortsgemeinschaften wird stets wichtiger werden. Dann ist mir für das Weiterleben unserer Gemeinschaft nicht bange. Man denke nur an die erfreulich zahlreiche Jugend bei den Heimattagen“. Es könnte dieses als das Vermächtnis von Richard Löw gewertet werden.

Alfred Mrass

Schlagwörter: Verbandsleben, Nachruf, Baden-Württemberg

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