11. November 2009

"Zum Tanzbod’n treibt’s mi hin ..."

Die schiere Masse an Zuschauern, die das Hermann-Oberth-Haus in Drabenderhöhe am 31. Oktober 2009 bevölkert, ist der erste überwältigende Eindruck des 18. Volkstanzwettbewerbes der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD). Diese Veranstaltung der SJD, die wichtigste im Jahreslauf, stellt einen nicht zu unterschätzenden organisatorischen Aufwand dar, den die Jugend jedes Mal mit Bravour meistert.
Die Halle platzt buchstäblich aus allen Nähten – alle wollen teilhaben an diesem „generationenübergreifenden Event, bei dem siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft gelebt und erlebt wird“, wie es in der Einladung zum Wettbewerb heißt. Dreizehn Tanzgruppen aus ganz Deutschland sind angereist, die es kaum erwarten können, den „Tanzbod’n“ zu erobern und sich in einem fairen Wettkampf miteinander zu messen.

Die Spannung ist fast mit Händen zu greifen, erlösend dann der Beginn: Einmarsch der Tanzgruppenvertreter, des Moderatorenduos Ingwelde Juchum-Klamer, stellvertretende Bundesjugendleiterin und Kulturreferentin der SJD, und Michael Schneider, Mitglied der Jugendtanzgruppe Drabenderhöhe, und der Kindertanzgruppe Drabenderhöhe. Bundesjugendleiter Rainer Lehni begrüßt alle teilnehmenden Tanzgruppen und bittet dann „die Kleinsten“, die sich bereits aufgestellt haben, den Auftakt zu machen: Die Kindertanzgruppe Drabenderhöhe unter der Leitung von Christa Brandsch-Böhm zeigt die Tänze „Kolberger Figaro“ und „Maike“ und beweist, dass es an tänzerischem Nachwuchs nicht mangelt – wenn auch die Mädchen in dieser Gruppe in der Überzahl sind.
Die Siebenbürisch-sächsische Jugendtanzgruppe ...
Die Siebenbürisch-sächsische Jugendtanzgruppe München – strahlende Sieger des Volkstanzwettbewerbs 2009. Foto: Udo Schneider
„Zum Tanzbod’n treibt’s mi hin, weil i gern lustig bin …“, mit diesem Ausschnitt aus einem bayerischen Gstanzl beginnt Rainer Lehni seine Begrüßung, die nach einem historischen Abriss über den Volkstanz in der Vorstellung der Ehrengäste ihren ersten Höhepunkt findet. Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Wiehl, Wilfried Bast, ist ebenso gekommen wie Harald Janesch, Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen des siebenbürgischen Verbandes, seine Frau Enni Janesch, Bundesfrauenreferentin und Kreisgruppenvorsitzende in Drabenderhöhe, also „sozusagen Hausherrin“, wie Lehni es formuliert, Käthe Lutsch, Vorsitzende des Frauenvereins Drabenderhöhe, Regine Melzer, Dirigentin des Honterus-Chors Drabenderhöhe, und der ehemalige Bundesjugendleiter Ortwin Bonfert. Auch die Kreisgruppen sind gut vertreten. Lehni kann die Vorsitzende der Kreisgruppe Böblingen, Hildegard Kijek, den Vorsitzenden der Kreisgruppe Stuttgart, Reinhold Zöllner, die Vorsitzende der Kreisgruppe Leverkusen, Anneliese Gross, sowie eine Abordnung der Kreisgruppe Bielefeld begrüßen. Eine „reine Damenriege“ ist die Jury des Wettbewerbs: Barbara Schoch, Helga Sprenger, Christiane Symma und Ingiza Uflacker, alle ausgewiesene Expertinnen auf dem Gebiet des Volkstanzes, werden an diesem Nachmittag ein strenges Auge auf die tänzerischen Darbietungen haben und anhand eines ausgeklügelten Bewertungssystems die beste Tanzgruppe ermitteln. Waltraud Hartig-Hietsch, Kultur- und Frauenreferentin der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, ist zuständig für die Bewertung der Trachten und komplettiert die Jury.

Enni Janesch freut sich in ihrem Grußwort darüber, dass der Wettbewerb zum zweiten Mal in Drabenderhöhe stattfindet, und schließt daraus, „dass ihr euch bei uns wohlfühlt“. Sie erinnert an die Verbindung von Kirche und Tradition, die bei diesem Volkstanzwettbewerb besonders zum Tragen kommt, da er am Reformationstag stattfindet. Mit der Feststellung, dass dieser Tag „nicht zum Reden, sondern zum Sehen“ da ist, wünscht sie gutes Gelingen.
Gemeinsamer Aufmarsch der teilnehmenden ...
Gemeinsamer Aufmarsch der teilnehmenden Tanzgruppen vor der Siegerehrung. Foto: Axel Wenzel
„Ich bin überwältigt“, sagt Wilfried Bast zu Beginn seines Grußwortes und meint damit nicht nur das Großereignis Volkstanzwettbewerb, das er zum ersten Mal besucht, sondern das Gemeinschaftsgefühl der Siebenbürger Sachsen insgesamt, das er bei verschiedenen Gelegenheiten erleben durfte, unter anderem im vergangenen Jahr bei einer Reise nach Siebenbürgen, wo er dem Bischof D. Dr. Christoph Klein begegnete, und bei der Feier zur goldenen Hochzeit des Ehepaars Renate und Kurt Franchy aus Drabenderhöhe. Besonders die Beziehung zum Ehepaar Janesch sei mehr als freundschaftlich. „Sie leben das, was siebenbürgisch-sächsische Tradition heißt“, so Bast. „Fühlen Sie sich wohl bei uns in Drabenderhöhe“, ruft er den Tänzern und Gästen zu, „tanzen Sie, pflegen Sie Gemeinschaft, wir freuen uns!“

Harald Janesch bemerkt in seinem Grußwort, dass „eigentlich alles gesagt worden ist“, lässt es sich aber nicht nehmen, die unermüdliche Heike Mai-Lehni zu begrüßen, die an diesem Tag überall gleichzeitig zu sein scheint.

Bevor es endlich mit dem Tanzen losgeht, stellt Rainer Lehni die SJD kurz vor. Wer ist sie, was macht sie, warum sollte ich Mitglied werden? „Tretet der SJD bei. Tretet dem Verband bei. Und zeigt damit eure Verbundenheit mit unserer Gemeinschaft“, appelliert er an die jungen Zuschauer im Saal. Dann wünscht er allen teilnehmenden Tanzgruppen „einen sportlich fairen Wettbewerb“ und gibt den Startschuss zum 18. Volkstanzwettbewerb der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland.

In diesem Jahr ist das Los auf den „Wolgaster“ als Pflichttanz gefallen. Jede Tanzgruppe zeigt neben diesem Pflicht- auch einen Kürtanz, den sie frei wählen darf. Die Jugendtanzgruppe Ingolstadt hat die schwere Aufgabe, den Eisbrecher zu geben, und startet den Wettbewerb mit der „Mühlenpolka“. Die Siebenbürgisch-Sächsische Bruder- und Schwesternschaft Setterich, bereits 1954 gegründet und somit die Gruppe mit der längsten Tradition, folgt mit der „Walzquadrille“, die Karpatentänzer aus Wolfsburg zeigen den „Lüneburger Windmüller“. Die Wolfsburger nehmen zum ersten Mal am Volkstanzwettbewerb teil und sind sichtlich nervös, aber sie strahlen und sind die erste Gruppe, die eine Hebefigur zeigt – anerkennender Applaus und Johlen begleiten sie. Nach ihnen präsentiert die Jugendtanzgruppe Biberach, die viele Fans mitgebracht hat, die „Bunte Quadrille“, die Jugendtanzgruppe Herzogenaurach zieht nach mit der Polka „Jenny Lint“. Den Abschluss des ersten Teils bildet die Tanzgruppe Aschaffenburg, ebenfalls zum ersten Mal beim Volkstanzwettbewerb, mit dem „Schaulustig“. Eine willkommene Kaffeepause schließt sich an, die den Zuschauern im Saal die Möglichkeit gibt „durchzuschnaufen“: Man schnappt vor dem Hermann-Oberth-Haus an diesem kühlen, aber goldenen Herbsttag frische Luft, lässt das Gesehene Revue passieren und stellt erste Spekulationen über den Ausgang des Wettbewerbs an. War schon eine Gruppe dabei, die einen der vorderen Plätze belegen könnte?
Die Siebenbürgisch-sächsische Tanzgruppe ...
Die Siebenbürgisch-sächsische Tanzgruppe Aschaffenburg nahm zum ersten Mal am Wettbewerb teil. Foto: Axel Wenzel
Nach dem zügigen Auf- und Abbau des Kuchenbüfetts geht es weiter mit der Tanzgruppe Köln, die den Tanz „Dr Seppl“ aufs Parkett bringt, gefolgt von den Zweitplatzierten aus dem vergangenen Jahr, der Jugendtanzgruppe München, die routiniert und mit viel Spaß die „Holsteiner Dreitour“ tanzt, einmal mehr ein Tanz mit einer Hebefigur, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Die Lokalmatadoren, die Jugendtanzgruppe Drabenderhöhe, hat naturgemäß den größten Rückhalt bei den Zuschauern und zeigt den „Lüneburger Windmüller“, dem sich die Tanzgruppe Nürnberg, immer wieder eine Augenweide in ihrer Nordsiebenbürger Wintertracht, mit dem „Figurenwalzer“ anschließt, den sie präzise und mit gutem Blick für die Raumaufteilung tanzt. Spannung macht sich breit beim Auftritt der Jugendtanzgruppe Heilbronn, Sieger des Wettbewerbs 2008 in Untergruppenbach. Werden die Tänzerinnen und Tänzer ihrer Favoritenrolle gerecht? Sie tanzen sehr routiniert und schwungvoll den „Cylinder-Kontra“, so schwungvoll, dass sogar der Gürtel einer Dame aufgeht. Die Jugendtanzgruppe Geretsried wirkt beim „Föhringer Kontra“ beschwingt, locker und frisch, wozu auch die hauptsächlich weißen Trachten der Damen beitragen, und erntet frenetischen Applaus, vor allem von den Mitstreitern aus München. Als Letzte kommt die Jugendtanzgruppe Augsburg mit der „Holsteiner Dreitour“ auf die Fläche, eine Gruppe, der leider ein paar Herren fehlen, was aber der Darbietung keinen Abbruch tut – die zum Großteil noch sehr jungen Mitglieder tanzen mit jugendlichem Elan und sorgen für den passenden Abschluss des Wettbewerbs.

Jetzt beginnt das Warten auf das Ergebnis. Die Bewertungsbögen der Jury werden eingesammelt, fieberhaft wird gerechnet und hinter verschlossenen Türen diskutiert. Das Publikum stellt derweil seine eigenen Überlegungen an – und wartet und wartet und wartet … Für Ablenkung sorgt der Aufmarsch mit Paaren aus allen Tanzgruppen. Für alle Teilnehmer des Wettbewerbs ist auf der Tanzfläche kein Platz, aber auch so wird der kunstvolle Aufmarsch zu einer Bewährungsprobe in Sachen Raumnutzung. Enni Janesch stellt in ihrer Abschlussrede fest, dass der Volkstanzwettbewerb mit dem Heimattag in Dinkelsbühl vergleichbar sei, und bedankt sich bei allen Tanzgruppen, den Organisatoren und Helfern. Rainer Lehni macht deutlich, dass eine solche Veranstaltung „Spaß macht, aber auch anstrengend ist“, und bedankt sich – stellvertretend für alle Helfer, die für den reibungslosen Ablauf sorgen – bei Ingwelde Juchum-Klamer. Die Jurorinnen erhalten zum Dank für ihren nicht einfachen Job an diesem Tag die Festschrift zum 60-jährigen Jubiläum des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, die in diesem Jahr erschienen ist. Da das Ergebnis immer noch nicht feststeht, beginnt Rainer Lehni mit der Verleihung der Teilnehmerurkunden an alle dreizehn Tanzgruppen, die jeweils von einem Tanzpaar in Empfang genommen werden.

Dann – endlich – die Erlösung: Ingwelde Juchum-Klamer kommt aus ihrem „mobilen Büro“ auf die Tanzfläche, eine geheimnisvolle blaue Mappe in der Hand, die die Urkunden für die erst-, zweit- und drittplatzierte Gruppe enthält. Die Jury bescheinige allen Gruppen ein sehr hohes Niveau, so die stellvertretende Bundesjugendleiterin, und das Ergebnis sei sehr knapp, nur wenige Punkte trennen die drei Gruppen auf den vorderen Rängen. Länger kann sie die Zuschauer aber nicht mehr auf die Folter spannen und verkündet: Auf dem dritten Platz ist die Jugendtanzgruppe Biberach gelandet. Gekreisch ist die Antwort. Die Biberacher feiern ausgelassen und nehmen ihren Pokal voller Stolz entgegen. Der zweite Platz geht an die Jugendtanzgruppe Heilbronn – noch mehr Gekreisch füllt die Halle. Die Heilbronner sind keinesfalls enttäuscht, dass sie ihren Titel aus dem letzten Jahr nicht verteidigt haben, sondern beklatschen sich frenetisch. Jetzt wird es zum letzten Mal richtig spannend. Wer ist der Sieger, wenn nicht die Titelverteidiger aus Heilbronn? Es ist die Jugendtanzgruppe München. Ohrenbetäubender Jubel bricht los, und Ingwelde Juchum-Klamer kann gerade noch „Lasst die Tische stehen!“ rufen, dann bricht sich die Freude in Singen, Trampeln, Klatschen, Johlen Bahn. Das Feiern auf der Tanzfläche, wo die Gruppe den Siegerpokal in die Höhe reckt, will kein Ende nehmen, bis sie doch noch zu einem Siegertanz überredet werden kann. Mit strahlenden Gesichtern tanzen die Münchner noch einmal die „Holsteiner Dreitour“ – und der Volkstanzwettbewerb 2009 in Drabenderhöhe geht ausgelassen zu Ende.

Doris Roth

Teilnehmer des 18. Volkstanzwettbewerbes (in Startreihenfolge)

Jugendtanzgruppe Ingolstadt
Leitung: Ingrid Mattes

Siebenbürgisch-Sächsische Bruder- und Schwesternschaft Setterich
Leitung: Jens Schwager, Ruth Breuer

Karpatentänzer Wolfsburg
Leitung: Gerhard Schunn

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Biberach
Leitung: Astrid Göddert, Evelyn Schuster

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Herzogenaurach
Leitung: Brigitte Krempels

Siebenbürgisch-Sächsische Tanzgruppe Aschaffenburg
Leitung: Anna Krech, Helmut Szegedi

Siebenbürgisch-Sächsische Tanzgruppe Köln
Leitung: Rainer Lehni

Siebenbürgisch-Sächsische Jugendtanzgruppe München
Leitung: Heidi Krempels, Andreas Roth

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Drabenderhöhe
Leitung: Christa Brandsch-Böhm

Siebenbürgische Tanzgruppe Nürnberg
Leitung: Roswitha Bartel

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Heilbronn
Leitung: Christine Göltsch, Ines Wenzel

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Geretsried
Leitung: Thomas Kieltsch, Heike Kraus

Siebenbürgische Jugendtanzgruppe Augsburg
Leitung: Ute Schuller, Rosemarie Schwarz

Online-Bildergalerien:

Volkstanzwettbewerb 2009, Teil 1

Volkstanzwettbewerb 2009 auf der Homepage der Tanzgruppe Augsburg

Schlagwörter: SJD, Volkstanzwettbewerb, Tanzgruppen, Drabenderhöhe

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