27. Mai 2012

Sächsisches Theater so wie einst

„Ich fühlte mich wie in die alten Zeiten versetzt“, strahlte eine hochbetagte Siebenbürgerin nach der Aufführung des Bauernschwankes „De Tumesnuecht“. Es war das Verdienst der sächsischen Laienspielgruppe aus Heilbronn, angeleitet von Christa Andree, die sich Ende April mit dem bisher unbekannten Einakter von Frida Binder-Radler dem Augsburger Publikum vorstellte.
Da fünf der Darsteller ausfielen, sollte nun auch die Vorstellung ausfallen? Auf keinen Fall! Es sprangen fünf Beherzte ein und „retteten das Vaterland“, wie ein Mitglied der Truppe berichtete. In die anspruchsvolle Hauptrolle des Nachtwächters Mächelíhm schlüpfte Edgar Gall und meisterte seine Sache hervorragend. Das begeisterte Publikum bemerkte kaum die verzeihbaren Aussetzer der Amateure, die, trotz erschwerter Umstände, den von den Gastgebern ersehnten Besuch nicht ins Wasser fallen gelassen hatten. Sie eroberten die Zuschauer, und zu Recht wurde das gelungene Spiel der Enthusiasten mit Applaus bestätigt.

Die Thomasnacht war schon immer eine Nacht, in der sich besonders die Jugendlichen manchen Schabernack erlaubten. Die übermütigen Streiche wurden mit gespannter Neugier erwartet und über die mehr oder weniger gelungenen Einfälle – besonders der Burschen – nachträglich Kommentare abgegeben. Ohne gelungenen Streich war die Thomasnacht in einigen Orten unserer Heimat ungewöhnlich langweilig.
Die Theatergruppe Heilbronn führte „De ...
Die Theatergruppe Heilbronn führte „De Tumesnuecht“ in Augsburg auf. Foto: Hans Bogesch
Das Spiel der Heilbronner erinnerte besonders die Senioren an Menschentypen, wie es sie oft in unseren Gemeinden gab. So war der Nachtwächter ein Hüter der Moral und Ordnung, der Rauchfangkehrer (Samuel Depner) galt als Glücksbringer. Die komische Alte (Senta Wonner) als die Allwissende und Übergescheite focht für den Erhalt vergessener Bräuche und wusste immer besser als andere, was recht sein musste. Manche Frau war damit beschäftigt, sensationelle Neuigkeiten lauffeuerartig zu verbreiten. Die Mädchen standen für Fleiß und Unschuld, erwiesen sich aber mitunter als neugierig und naiv. Die Burschen hingegen waren gutmütige, zu Scherzen aufgelegte Witzbolde. Manch Witwe oder Witwer sehnte sich nach einer neuen Beziehung, was selbstverständlich nicht eingestanden wurde.

Die Charaktere wurden von den 20 Darsteller/Innen – die leider nicht alle namentlich ­genannt werden können – sehr natürlich und überzeugend gespielt. Und dass einige der Jugendlichen für ihren Auftritt sogar die Mundart ihrer Vorfahren gepaukt hatten, rührte das in der Mehrheit betagte und äußerst dankbare Publikum. In ihrer Bescheidenheit entschuldigten sich die Gäste wegen angeblicher „Aussetzer“. Tatsächlich wurden aber nicht zuletzt diese von den wohlgesinnten Zuschauern mit Sympathiebekundung erwidert.

Veranstaltungen wie diese, die auf Initiative der Augsburger Theatergruppe zustande gekommen war – Maria Schenker sei gedankt! –, haben in der Stadt zwischen Wertach und Lech langjährige Tradition und werden besonders von den Landsleuten besucht, die den ersten und längsten Teil ihres Lebens in der alten Heimat verbracht haben: unsere Seniorinnen und Senioren. Dass jüngere Kontingente dennoch auf der Bühne und im Saal relativ zahlreich mitgemacht haben, ist eine zu begrüßende Tradition der beiden Kreisgruppen, die uns diesen wunderbaren Nachmittag erleben ließen. Ihnen sei gedankt!

Wolfgang Gerhard Binder

Schlagwörter: Theater, Mundart, Augsburg, Heilbronn

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