3. September 2016

Heinzelmännchen oder gute Fee: Herta Schuster feierte 104. Geburtstag

Eine große Bedeutung im Leben von Herta Schuster, die 1912 in Weingartskirchen in Siebenbürgen geboren wurde, haben ihre Nächsten, ihre Mitmenschen: Familie, Freunde oder Unbekannte – eben da, wo ihre Hilfe, ihr Einsatz gefragt ist. Und das möglichst heimlich und im Stillen. Heinzelmännchen oder gute Fee?
Am 3. August 2016 feierte Herta Schuster ihren 104. Geburtstag. Sie ist damit ältestes Mitglied der Kreisgruppe Fürstenfeldbruck des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. Als Gratulanten waren anwesend der stellvertretende Bürgermeister der Großen Kreisstadt Fürstenfeldbruck Erich Raff und der stellvertretende Landrat Ulrich Schmetz. Sie überbrachten Glückwünsche und Präsente seitens der Stadt und des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Die Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Herta Daniel, übersendete ebenfalls ein Gratulationsschreiben. Vertreter der Kirche und Arbeiterwohlfahrt sowie Freunde, Bekannte und Nachbarn gratulierten. Die Geburtstagsfeier fand zeitnah bei heiterer Stimmung im Familienkreis statt.

Herta Schuster besuchte in Mühlbach das Untergymnasium und in Hermannstadt das Obergymnasium. Sie studierte Altphilologie in Klausenburg und Wien. 1938 heirateten Schuster und Dr. Schobel, doch der Krieg zerstörte die Ehe, sie wurden getrennt. Die Mutter übernimmt die Alleinerziehung des Sohnes Bernddieter. 1951 heiraten in Bukarest Herta Schuster und Dr. Hugo Schuster, der die Tochter Irmgard in die Ehe bringt. 1953 übersiedelte die Familie, Eltern mit Tochter Irmgard, Sohn Bernddieter und dem gemeinsamen Sohn Horst, nach Kronstadt. Dort ging Herta Schuster weiter ihrer Lehrertätigkeit nach unterrichtete jedoch, da bedarf bestand, Mathematik an der Mittelstufe. Sie sagte: „Jemand der lateinische Grammatik versteht, hat auch ein mathematisches Verständnis.“ Später übernahm sie wieder das Fach Latein am Kronstädter Lyzeum sowie das Fach Deutsch als Fremdsprache an einem rumänischen Lyzeum.
Herta Schuster (104) mit ihren drei Kindern, von ...
Herta Schuster (104) mit ihren drei Kindern, von links: Bernddieter, Irmgard und Horst. Foto: Carmen Schuster
Schon Ende der fünfziger Jahre beantragte die Familie die Ausreisegenehmigung. Treibende Kraft für diesen Schritt war Ehemann Hugo, der sagte: „Und wenn ich auch nur einen Tag in Freiheit bin, möchte ich das erleben.“ Nach vielen Hürden war es so weit, im Januar 1970 verließ Familie Schuster Rumänien in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Nach ein paar Monaten im Zwischenlager Traunreut zogen die Eltern mit Sohn Horst in eine gemütliche Wohnung in Fürstenfeldbruck, wo Herta Schuster bis heute lebt.

Als die Kreisgruppe Fürstenfeldbruck am 4. Dezember 1970 gegründet wurde, gehörten Herta und Hugo Schuster zu den Gründungsmitgliedern. Hugo Schuster wurde als Vorstandsvorsitzender der jungen Kreisgruppe gewählt. Auf die Frage, welche Funktion Herta Schuster übernommen hätte, antwortete sie: „Gar keine. Ich war das Heinzelmännchen.“ Und was tut ein Heinzelmännchen? Nun, helfen, wo es Not tut: Karteikarten führen, Rechnungen und Beläge ordnen, höfliche Erinnerungen säumigen Beitragszahlern schreiben, Lebensmittelpakete nach Rumänien schicken, Präsenz in der Öffentlichkeit organisieren.

Damit wurde der Grundstein für das Fortbestehen der Kreisgruppe Fürstenfeldbruck gelegt, die seit bald 46 Jahren eine starke Gemeinschaft darstellt und ihren festen Platz im Fürstenfeldbrucker Leben hat. Dafür ist die Kreisgruppe dankbar. Mehr noch, wenn ein Jubiläum oder eine Festschrift vorbereitet werden, holt man sich bei Herta Schuster gerne Rat bezüglich Anfänge und weitere Entwicklung der Kreisgruppe Fürstenfeldbruck. Die Altersjubilarin blieb auch nach ihrer aktiven Zeit der Kreisgruppe stets verbunden.

Als die Familie seinerzeit nach Deutschland ausreiste, verließ Herta Schuster die alte Heimat auch weinenden Auges, zumal ihre Eltern und zwei Geschwister zurückblieben. Schusters Mutter war gehbehindert und auf Hilfe angewiesen. So weilte die Tochter öfters für längere Zeit in Hermannstadt, um ihre Mutter zu pflegen. Als später ihr Bruder schwer erkrankte, war sie wieder da, um zu helfen, zu pflegen, zu trösten.

Herta Schuster gehört zu den wenigen Menschen, denen es vergönnt ist, ein Jahrhundert bewusst zu erleben. Vier Jahre alt: liebevolle Kindheitserinnerungen an eine heile Welt. 104 Jahre alt: geistig rege und fit. Eine der größten Freuden für sie war 1973 die Geburt ihrer Enkelin Brigitte. Das Jahrhundert bot nicht nur Sonnenschein, auch Schicksalsschläge kamen durch den Verlust lieber Menschen, Krieg, Nachkriegszeit und Kommunismus taten ihr Übriges. Schuster meisterte das mit Geduld und Fassung, verlor nie die Hoffnung und verlor sich nicht in Bitterkeit. Wir wünschen Herta Schuster einen ruhigen Lebensabend im Kreise ihrer Familie.

HC

Schlagwörter: Jubilarin, Fürstenfeldbruck

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