20. Februar 2023

Gut besuchte Ausstellungs­eröffnung in Nürnberg: „Die deutsche Minderheit in Rumänien – Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa“

Wie geht es weiter? Gibt es in Rumänien eine Zukunft für die deutsche Minderheit und ihre ideellen und materiellen Werte? Obwohl es auf den Bildtafeln vor allem um Geschichte und Gegenwart der deutschen Minderheit in Rumänien ging, beschäftigte die meisten Zuschauer die Frage nach der Zukunft. In seinem Vortrag zur Ausstellungseröffnung zeigte sich Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien e. V., zuversichtlich und erklärte anhand einiger Beispiele, dass durchaus Hoffnung bestehe.
Eröffnung der Wanderausstellung im HdH: Benjamin ...
Eröffnung der Wanderausstellung im HdH: Benjamin Józsa (Bildmitte) mit den Ehrengästen. Foto: Inge Alzner
Pünktlich um 15.00 Uhr wurde am 29. Januar die Wanderausstellung im voll besetzten Saal im Haus der Heimat (HdH) Nürnberg von Klarinettenklängen eröffnet. Michael Bielz, der Leiter der Siebenbürgischen Blasmusik Nürnberg und Siebenbürger Sachse aus Kleinprobstdorf, und sein Musikantenfreund Franz Dugonitsch, gebürtiger Banater Schwabe aus Biled, spielten zunächst das „Duo für zwei Klarinetten“ von Anton Stadler und nach der Begrüßung durch Annette Folkendt, Vorsitzende des Kreisverbands Nürnberg, erfreuten sie das zahlreich erschienene Publikum mit dem Stück „Hüttenzauber“ von Walter Schneider-Argenbühl. Die Moderation des Nachmittags hatte Angelika Meltzer inne. Werner Henning, der Vorsitzende des Vereins des Hauses der Heimat Nürnberg e. V., begrüßte die zahlreichen Ehrengäste: Monika Jacob, Vorsitzende der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben Nürnberg, Stadträtin Hermine Buchsbaum und Herta Funar, beide Vorstandsmitglieder der Landsmannschaft der Banater Schwaben Nürnberg, Josef Lutz, Ehrenvorsitzender der HOG Sanktanna/ Banat, Ronnie Kradi, Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft Noris Banatoris Nürnberg, Valentin Sighişorean, Mitglied der Ungarischen Tanzgruppe Nürnberg, Horst Göbbel, Ehrenvorsitzender des Kreisverbands Nürnberg, Doris Hutter, Stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Bundeskulturreferentin Dagmar Seck.

Der Siebenbürgische Liederkranz Nürnberg unter der Leitung von Angelika Meltzer setzte die musikalische Umrahmung mit einem Lied in Mundart fort: „Ech steand do iuwen affem Rej“ (Josef Lehrer, Andreas Nikolaus). Doris Hutter, auch Geschäftsleiterin des HdH, zeigte in ihrem Grußwort die vielen Gemeinsamkeiten auf, die die verschiedenen deutschen Minderheiten in Rumänien verbinden, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeiten eingewandert waren und in verschiedenen Landesteilen lebten und noch leben. Am Ende brachte Doris Hutter ihre Bewunderung und ihren Respekt für die beachtlichen Leistungen zum Ausdruck, die von den noch in Rumänien lebenden Deutschen erwirkt wurden und werden. Dem stimmte das Publikum mit einem spontanen Applaus bei. Anschließend sang der Liederkranz „Die Gipfel der Karpaten“ (Rudolf Neumeister, Friedrich Binder).

Darauf folgte ein musikalischer Hochgenuss – die Melodie des obigen Liedes, als Variationen bearbeitet von Paul Richter (1875-1950) und am Klavier gespielt von Eckart Schlandt, dem bekannten Kantor i. R. der Schwarzen Kirche. Die Moderatorin unterstrich die enge Verbundenheit des Namens „Schlandt“ mit seiner Heimatstadt Kronstadt. Im Sommer konnte man im Rahmen der „Organ Nights“ (die auch über YouTube übertragen werden, Juni bis September, jeweils Samstag 18.00 Uhr rumänische Zeit) drei aktive Generationen Schlandt an der großen Buchholz-Orgel der Schwarzen Kirche erleben: Eckart Schlandt mit Sohn Steffen Schlandt und dem elfjährigen Enkel Felix Schlandt, der auch schon gekonnt in die Tasten greift. Diese Darbietung brachte Eckart Schlandt zu Ehren von Rosel Potoradi, die einige Tage zuvor ihren 90. Geburtstag gefeiert hatte.

Seinen Vortrag stellte Benjamin Józsa unter die oft gestellte Frage „… und, wie geht es weiter?“. Die Ausstellung „Die deutsche Minderheit in Rumänien – Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa“ wurde vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Bukarest konzipiert. Die Wanderausstellung, die aus 30 Roll-Ups (mit viel Bildmaterial sowie deutschen und rumänischen Texten) und einem sehr umfangreichen Begleitbuch besteht, umfasst alle heute in Rumänien lebenden deutschen Volksgruppen: von den Siebenbürger Sachsen und Landlern über die Banater und Sathmarer Schwaben bis zu Berglanddeutschen, Zipsern, Bukowinadeutschen und Dobrudschadeutschen. Ihre Premiere hatte die Schau bereits 2015 in Hermannstadt und beleuchtet alle Lebensbereiche der Einheit und Vielfalt der deutschen Minderheiten in Rumänien, die da sind: historische Zeiträume, kulturelle Identität, soziale Netzwerke, materielles Erbe und Denkmalpflege, Engagement für das Gemeinwesen (Konzertreihen, Ausstellungen, Regionaltreffen der deutschen Minderheit, Beantragung von Fördermaßnahmen zur Erforschung und Vermittlung des Kulturerbes, Zusammenarbeit mit Stiftungen, Brückenfunktion der deutschen Minderheit im politischen Dialog …).

Der Referent erklärte, dass das DFDR keine politische Partei, sondern eine Minderheitenselbstvertretung sei, die nach Lösungen suche und konstruktive Gespräche anbiete. Im Augenblick sei das DFDR etwa bemüht, die Ergebnisse der Volkszählung, die 2021 in Rumänien mangelhaft organisiert und 2022 durchgeführt worden sei, nachrechnen zu lassen, denn bei den evangelischen deutschen Minderheiten z.B. erschienen nur 3000 Personen, obwohl in der evangelischen Landeskirche etwa 10 000 Personen deutscher Ethnie registriert seien. Die ungarische Bevölkerung sei laut der neuen Statistik um unglaubliche 500 000 Personen geschrumpft. Dass alle materiellen Werte gerettet werden könnten, sei nicht realistisch, aber die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien und die Stiftung Kirchenburgen verfolgten das Ziel, das Kulturerbe möglichst langfristig zu erhalten und zu pflegen. Auch etliche Heimatortsgemeinschaften trügen zum Erhalt ihrer Kirchenburgen bei. Die gotische Hallenkirche in Felldorf werde sogar mit der Initiative einer Einzelperson restauriert.

Die meisten Sorgen, so Benjamin Józsa, mache er sich jedoch um den Erhalt der ideellen Werte: die siebenbürgisch-sächsische Mundart werde von der jüngeren Generation immer weniger gesprochen, Bräuche und Bälle im Zusammenhang mit den Namens- und Feiertagen würden nur vereinzelt begangen. Allein das Urzellaufen in Agnetheln erfreue sich zunehmender Beliebtheit und erfahre erfreulicherweise auch Zuwachs von Jugendlichen.

Ferner erfuhr das Publikum, dass der Fachlehrermangel an den Schulen mit deutscher Unterrichtssprache, deren Bedarf – trotz einer sehr geringen Zahl von Schülern mit deutscher Muttersprache – wachse, geradezu enorm sei. Immerhin sei es durch die Bemühungen des DFDR in den letzten fünf Jahren gelungen, 50 rumänische Schulbücher ins Deutsche zu übersetzen. Abschließend betonte der Redner, dass die deutsche Minderheit wohl eine Zukunft habe, wenn zwei Sachen zusammenkommen: „Leute, die etwas tun wollen, und Leute, die erstere tun lassen“.

In der anschließenden Fragerunde betonte Józsa, dass der Sitz des DFDR zwar in Hermannstadt sei, aber alle deutschen Minderheiten von ihm betreut würden. Es bestünden gute Beziehungen zu den Institutionen der aus Rumänien ausgewanderten Deutschen in Deutschland ebenso wie zu den anderen deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa.

Abschließend spielte Eckart Schlandt die Variationen 6-10 zur Melodie „Die Gipfel der Karpaten“ von Paul Richter. Annette Folkendt bedankte sich bei allen Beteiligten, die zum guten Gelingen des Nachmittags beigetragen hatten.

Die ausgestellten Tafeln wurden interessiert betrachtet und bei Kaffee, Harlekin- und Greta-Garbo-Schnitten sowie Grammel-Pogatschen in Grüppchen angeregt diskutiert.

Der Ausstellungskatalog kann nach Absprache mit Annette Folkendt, Telefon: (09 11) 8 00 26 38, im Haus der Heimat, Imbuschstraße 1, neben Endstation U1, Langwasser-Süd, ausgeliehen bzw. für eine Geldspende erworben werden. Gleichzeitig kann die Wanderausstellung kostenlos ausgeliehen und per PKW transportiert werden.

Angelika Meltzer

Schlagwörter: Nürnberg, Ausstellung, Haus der Heimat, deutsche Minderheit, DFDR

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