27. September 2010

Timur Lenk und sein Einfluss auf die siebenbürgische Geschichte

Kürzlich rief mich mein Sohn aus Samarkand an. Auf den Spuren der Seidenstraße durch das heutige Usbekistan, von Taschkent kommend, stand er vor dem Grabmal des Mongolenherrschers Timur Lenk, auch Tamerlan genannt, und erinnerte sich meiner Hinweise auf eine wichtige Episode unserer siebenbürgischen Geschichte, in der dieser grausame Potentat für unsere Vorfahren kurzfristig ein Glücksfall war.
Taschkent – Samarkand – Buchara – Städte mit berühmten islamischen Bauten, Moscheen und Grabmälern – das sind für mich immer noch märchenhafte, exotische Namen. Mir fällt der in unserer Kindheit sehr beliebte Roman von Kurt Kluge „Der Herr Kortüm“ ein, aus dessen erster Seite ich kurz zitieren darf. Auf die Frage von Klaus Schart: „Wo geht die Straße da hin?“ sprach der dicke Herr im schwarzen Rock: „Nach Taschkent, mein Herr.“ Und nach der zweiten Frage, wo der Weg herkomme, folgte die kurze Antwort: „Von da her – von der Biskaya, wissen Sie?“ (...) „Via alta, die hohe Straße.“ Es war die Traumstraße in eine unendliche, märchenhafte Weite. Zu Timurs Zeiten sah dieses Märchen wohl anders aus.

Timur Lenk (1360-1405) begründete das zweite mongolische Reich mit der Hauptstadt Samarkand, die zu einem Mittelpunkt islamischer Geisteskultur wurde. Als die Europäer anfingen, die Gefahr der Türken für unseren alten Kontinent zu begreifen, schien sich deren Macht wie eine unaufhaltsame Flutwelle auszubreiten. 1352 fassten die osmanischen Türken erstmals Fuß in Europa. 1389 wurde auf dem Amselfeld das serbische Heer vernichtet. 1393/96 wurde Bulgarien zur türkischen Provinz, die Walachei wurde tributpflichtig. 1395 fielen die Türken erstmals in Siebenbürgen ein und verwüsteten das Burzenland. Der ungarische König und spätere deutsche Kaiser Sigismund von Luxemburg rief zum „Kreuzzug gegen die Feinde der Christenheit“ auf (Konrad Gündisch: „Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen“). Das abendländische Ritterheer wurde bei Nikopolis von Bayezid I. vernichtend geschlagen. Der Weg in die Mitte Europas schien für die Türken offen.

In diesem geschichtlich dramatischen Augenblick wurde das Osmanische Reich von Osten her angegriffen. Der Mongolenfürst Timur Läng fiel 1402 in Kleinasien ein und besiegte Bayezid I. entscheidend bei Ankara; er starb in mongolischer Gefangenschaft. Der Niederlage der Osmanen folgten Thronstreitigkeiten und damit war deren Expansion zunächst unterbrochen. Von König Sigismund unterstützt, konnten die Siebenbürger Sachsen eine Atempause von knapp 20 Jahren ausnützen, um die Befestigung ihrer Städte und den Bau der Kirchenburgen voranzubringen. Vor allem Hermannstadt entwickelte sich zur stärksten Festung des Landes, die von den Türken nie erobert werden konnte. Ohne diese unerwartete Atempause hätte unsere Geschichte womöglich schon früher ein Ende gefunden.

Die Kampfpause währte nur kurz. Timur starb schon 1403 und Murad II. (1421-52) konnte die osmanische Vormachtstellung auf dem Balkan wieder festigen. Ab 1420 begannen drei Jahrhunderte des zermürbenden Abwehrkampfes gegen fortwährende türkische Angriffe.

Über die Anfangszeit der türkischen Bedrohung und die Kriegszüge des Mongolenfürsten Timur Läng besitzen wir einen Augenzeugenbericht in deutscher Sprache. Es ist das Buch: „Johann Schiltberger: Als Sklave im Osmanischen Reich und bei den Tataren 1394-1427“, herausgegeben und eingeleitet von Ulrich Schlemmer, Edition Erdmann. Johann Schiltberger, ein junger Adliger aus München, begleitet 1394 im Alter von 14 Jahren einen bayerischen Ritter nach Ungarn in den Krieg gegen die Türken. 1396 gerät er in der Schlacht bei Nikopolis in türkische Gefangenschaft, die 31 Jahre dauern sollte und während der seine Besitzer oft wechselten. Erst 1427 gelingt ihm nach einem abenteuerlichen Leben die Heimkehr nach Bayern, wo er seine Erlebnisse in einem Buch veröffentlicht. Dieser Bericht liegt jetzt zum ersten Mal in neuhochdeutscher Fassung vor. Uns Siebenbürger interessiert hier besonders der oben erwähnte Feldzug des grausamen Mongolenfürsten Timur Lenk gegen die Türken. Schiltberger wurde Gefangener Tamerlans und musste dessen Heer bei weiteren Eroberungen begleiten. Neben den endlosen Kämpfen erfahren wir von Schiltberger viel über die Länder und die Bewohner der osmanischen und der mongolischen Reiche. Es ist der erste Bericht eines Augenzeugen, der in Europa begierig aufgenommen wurde – vergleichbar dem 1481 erschienenen Bericht des „Rumeser Studenten“ (Georgius de Hungaria usw., herausgegeben von Reinhard Klockow, Böhlau Verlag 1993 ). So wird durch einen schlichten Telefonanruf aus Samarkand eine 600 Jahre zurückliegende, dramatische Phase unserer Geschichte für uns wieder lebendig.

Dr. Hans Hager

Schlagwörter: Geschichte, Siebenbürgen, Mongolen

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