16. Mai 2011

"Die Räuber" in Hermannstadt

Am Nationaltheater „Radu Stanca“ in Hermannstadt hat die deutsche Abteilung unter der Regie von Brigitte Drodtloff am 26. April Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ aufgeführt. Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien befand, dass man „von einer rundum gelungenen Vorstellung sprechen“ könne, und zollte der siebenbürgischen Regisseurin Anerkennung: „Alle Achtung, was die Gastregisseurin Brigitte Drodtloff aus der buntgemischten Truppe herausgeholt hat.“ Nach dieser Premiere sind weitere Vorstellungen in Hermannstadt für die kommende Spielzeit ab September 2011 geplant. Zu ihrer neuesten Inszenierung äußerte sich die 1959 in Bukarest geborene Theaterregisseurin gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung.
Das Zustandekommen dieser Gastregie erklärt die in München lebende Drodtloff so: Die Intendantin der deutschen Abteilung am Nationaltheater „Radu Stanca“, Anna Neamțu habe sie gefragt, ob sie Lust hätte, ein klassisches Stück zu inszenieren. Man wünsche sich schon seit Jahren, wieder einen Klassiker auf der Deutschen Bühne in Hermannstadt zu sehen, und denke an Schillers „Räuber“. - „Meine spontane Antwort war: Ja.“
„Die Räuber“ waren ein Bühnenerfolg in ...
„Die Räuber“ waren ein Bühnenerfolg in Hermannstadt. Die Szenenaufnahme zeigt von links nach rechts: Wolfgang Kandler, Johanna Adam, Daniel Plier, Tomohiko Kogi, Stefano Marcello. Foto: anna neamțu
Auf die Frage, was sie an diesem Schiller-Drama gereizt habe, führt die Regisseurin aus: „Theater ist ein direktes, unverfälschtes Erlebnis, ein ehrliches, reales Erlebnis einer Geschichte, eines Schicksals, das Gefühle und Emotionen, Fragen und Wünsche auslöst. Schiller bietet in seinem Sturm-und-Drang-Stück ‚Die Räuber‘ all das und noch mehr. Er bietet eine Herausforderung für den Regisseur, für die Schauspieler und das Publikum. Denn es geht um ein Familiendrama, um Intrigen, um unerfüllte Liebe und falsche Erwartungen. Eine faszinierende Geschichte, verpackt in eine poetisch-philosophische Sprache, die wir heutzutage als teilweise ungewohnt empfinden.“

Darin freilich erkennt die Theatermacherin aus heutiger Betrachtung das größte Handicap: „Die Geschichte ist spannend, man will alles wissen, alles verstehen und wird von der Sprache – auf den ersten Blick - ausgebremst.“

Ein Klassiker - drei Herausforderungen

Mit drei Herausforderungen sah sich Drodtloff konfrontiert: als Regisseurin, als Dramaturgin und als Künstlerin: „Meine erste Herausforderung, die ich gerne als Regisseurin angenommen habe, war, die Schauspieler so zu führen, dass sie die Sprache ehrlich, direkt und normal behandeln, damit die Emotionen nicht vorgetragen wirken und jeder Zuschauer und Zuhörer die Geschichte mitbekommen kann. Eine Arbeit, die sich die Schauspieler sehr zu Herzen genommen haben. Die zweite Herausforderung für mich, als Dramaturgin, war die Länge des Stückes. Der ‚moderne‘ Zuschauer ist Schnelligkeit und Kurzweiligkeit gewohnt. Den Spagat zwischen ‚Schiller-getreu‘ und dem heutigen Publikum habe ich durch massive Kürzungen erreicht, ohne dabei den Text zu ändern oder zu modernisieren. Die dritte Herausforderung für mich als Künstlerin war die Darstellung des klassischen Dramas in einer Form, die Schiller meinen vollen Respekt zollt. Ich wollte keine Moderne hineininterpretieren und sie auf aktuelle Ereignisse zuschustern. Denn Schillers Geschichte hat die Jahrhunderte überdauert, eben weil sie ewig gültig ist. Was heute in den Medien breit getreten wird, kann morgen wieder langweilige Vergangenheit sein.“ Das Stück zeige zwei Welten, die scheinbar nebeneinander existieren könnten und doch am Ende unausweichlich aufeinander krachten. Es gibt deutliche Anhaltspunkte dafür, dass Drodtloff die (selbst) gestellten Herausforderungen gemeistert hat. Immerhin würdigt auch die Hermannstädter Zeitung die „auf alle Fälle sehenswerte Inszenierung“, für die das Publikum „minutenlangen Applaus“ gespendet habe.

Diesen Publikumserfolg – der Saal war ausverkauft - begründet Regisseurin Drodtloff mit den engagierten Leistungen der Darsteller (Franz Kattesch, Stefano Marcello, Daniel Plier, Enikö Blénessy, Wolfang Kandler, Ali Deac, Johanna Adam, Julia-Maria Pope, Irina Deak und Tomohiko Kogi; die Redaktion), des Bühnenbildners Alin Gavrila sowie ihrer „Lieblingskomponistin“ Anne Nikitin, die sie musikalisch beraten habe. Das gesamte Stück ist von zeitgemäßer Musik des 18. und 19. Jahrhunderts und von abgestimmten Geräuschen begleitet. In ihren Dank schließt Brigitte Drodtloff nicht zuletzt die Intendantin der deutschen Abteilung ein: „Dass ich meine Arbeit so ehrlich und puristisch gestalten konnte, verdanke ich hauptsächlich Anna Neamțu, die an meine Vision der direkten und starken Klassik, die bis heute nicht ihre Gültigkeit verliert, geglaubt hat. Wir mussten viele Kompromisse eingehen: Wir hatten nicht genug Schauspieler. Dementsprechend müssen einige der Akteure in zwei, drei Rollen schlüpfen. Die Räuberbande besteht nicht nur aus Männern. Drei Frauen spielen mit. Und der alte Diener des Hauses Moor wurde durch eine alte Amme ersetzt.“

Was Drodtloff überdies freut: Die Premierenvorstellung am 26. April besuchten „neben dem Stammpublikum und den treuen Fans des Deutschen Theaters in Hermannstadt auch mehr als hundert Schüler des Brukenthal-Gymnasiums, die von der Aufführung hellauf begeistert waren“. Friedrich Schillers Klassiker „Die Räuber“ wird ab September 2011 zum Repertoire der deutschen Abteilung der Hermannstädter Bühne gehören.

Christian Schoger

Schlagwörter: Theater, Hermannstadt

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