2. Oktober 2011

"Vedderstuf" im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim eröffnet

Nachdem in den letzten zehn Jahren bereits Räume zur Präsentation der siebenbürgisch-sächsischen Kulturgeschichte und des Nachbarschaftswesen sowie ein Bereich für künstlerische Sonderausstellungen eingerichtet worden waren, wurde nun das vierte Projekt abgeschlossen. Unter dem Titel „Wohnkultur und bemalte Wohneinrichtung im ländlichen Siebenbürgen“ fand am 17. September die offizielle Einweihung der guten Stube im Siebenbürgischen Museum auf Schloss Horneck statt.
Georg Schell erinnert sich. Damals, als er zusammen mit seinen Geschwistern bei der Großmutter bettelte, dass sie ihnen ein Märchen vorlas. Das Buch der Gebrüder Grimm wurde in der unteren der beiden Schubladen des Wandschränkchens in Omas Zimmer aufbewahrt. Es erschleicht ihn ein Gänsehaut-Gefühl, als dieses Einrichtungsstück nach mehr als dreißig Jahren wieder in sein Blickfeld rückt. Im neuen Raum des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim.

Anfang der neunziger Jahre bemühte man sich um die Sicherung des Kulturgutes in Siebenbürgen. Volker Wollmann, einer der Verantwortlichen dieser Aktion, fand dabei zum Teil unberührte, gut erhaltene Objekte. Weitere kamen durch Schenkungen und gezielten Ankauf hinzu.
Die „Vedderstuf“, neuer Raum im Siebenbürgischen ...
Die „Vedderstuf“, neuer Raum im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim.
Als viertes Projekt zur räumlichen Gestaltung des Siebenbürgischen Museum in den letzten zehn Jahren wurde die „Vedderstuf“, die gute Stube, in Angriff genommen. Deren feierliche Eröffnung dient Hildegard Bergel-Boettcher als Anlass zur Präsentation siebenbürgischer Volkslieder. Im prunkvollen Festsaal erschallt die Stimme der Mezzosopranistin in Gitarrenbegleitung von Andrea Gatzke mal ruhig, mal fröhlich, bei Zeiten auch fetzig und dramatisch. Wechselnde Mimik und Gestik unterstreicht die verschiedenen besungenen Charaktere. Eindrücke in das Alltagsleben der siebenbürgischen Heimat werden durch Werke des Dichters Michael Albert, vorgetragen von Christoph Boettcher, erweitert. Der Tag steht im Sinne der Erinnerungen.

„Sie ist ein spiritueller Raum voller Symbole.“ Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums, hatte zuvor zwischen Gemälden und Vitrinen das Wort ergriffen, nachdem Kustos Marius Tataru vierzig Gäste im Schloss Horneck willkommen hieß. Sie verfolgt mit ihrer Ansprache den Weg der Entwicklung des Museums, dankt Förderern und Stiftern und gewährt sie Einblick in die Einrichtung des neuen Raumes.
Hildegard Bergel-Boettcher (rechts) und Andrea ...
Hildegard Bergel-Boettcher (rechts) und Andrea Gatzke bei der künstlerischen Umrahmung der Vernissage. Foto: Werner Sedler
„Rechts oben am Fenster steht das mächtige Sonntags- oder Himmelbett, dessen 16, reihenweise aufeinandergelegte, bunt ausgenähte Polster bis zur Decke hinauf reichen“, so beschrieb schon der evangelischer Pfarrer Agnethelns Franz Friedrich Fronius 1879 den außergewöhnlichen Charme des Zimmers, das ab dem 18. Jahrhundert sowohl als Treffpunkt der Familie mit Freunden und Nachbarn als auch zur Austragung von Festen und der Aufbahrung verstorbener Hausbewohner diente. Nach Fronius’ Aufzeichnungen wurde der Raum in Gundelsheim nachgestellt.

„Neben der Tür steht der mächtige, lichtspendende lutherische Ofen mit vorgesetztem Blechofen. Hinter demselben zwischen Wand und Ofen, eine schmale Spalte zur Aufnahme des langen Scheiterholzes und rechtwinklig darauf eine kleinere Spalte, der gemütliche Wohnplatz des Hauskaters.“ (Fronius)

Weder als Schlaf- noch als Ess- oder Wirtschaftsraum lässt sich die „Vedderstuf“ eindeutig klassifizieren. Es ist eine Mischung aller drei, die mit der Zeit zu einer stärker dekorativen Ausrichtung führte. Das Alltagsleben spielte sich im hinteren Teil des Hauses ab.

„Vorn, links am Fenster, steht der massive eichene Tisch mit einem Deckel von weichem Holz, der Sonntags weggeschoben wird und im Tischblatt die schmale Geldritze stehen lässt, die einst blanke Zwanziger und harte Taler in die Geldlade hineinrutschen ließ“, so Franz Friedrich Fronius.

Die „Vedderstuf“, stellt als Vorzeigeraum auch den Fleiß der Hausfrau dar. Ärmere Frauen fertigten Textilien mit großer Einsatzbereitschaft und konnten so (eventuelle) soziale Unterschiede zu anderen Dorfbewohnern ausgleichen.

Dr. Irmgard Sedler bittet die Anwesenden zur Besichtigung. Erwartungsvoll drängen sie in Richtung des einzuweihenden Objekts. Erfahrungen werden ausgetauscht, Rückblicke in die Vergangenheit geschaffen, Geschichten erzählt.
Georg Schell (links) erklärt bei der Eröffnung ...
Georg Schell (links) erklärt bei der Eröffnung des neuen Themenraums im Siebenbürgischen Museum, was in seiner Kindheit in den Möbeln gelagert wurde. Auf dem Bild Marius Joachim Tataru (Mitte) und Dr. Irmgard Sedler (rechts). Foto: Werner Sedler
Im neuen Raum entdeckt Georg Schell auch die Truhe seines Uropas. Es erfüllt ihn mit Stolz, dass ein Teil seiner Kindheitserinnerungen hier in die Öffentlichkeit gerückt wird.

Lea Knopf

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Gundelsheim, Möbel, Schloss Horneck

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Neueste Kommentare

  • 05.10.2011, 00:42 Uhr von der Ijel: Fragment: Än der Vederschtstuf zer Fårreran do stiht e såksesch Baat sänt longhar huet zem ... [weiter]
  • 02.10.2011, 22:43 Uhr von JR: [weiter]
  • 02.10.2011, 20:22 Uhr von Melzer, Dietmar: Es freut mich sehr, dass die "alte" siebenbürgisch-sächsische Heimatstube auf Schloss Horneck in ... [weiter]

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