19. November 2012

Denkmalpflege: Kronstadt setzt Maßstäbe

Am 4. und 5. Oktober 2012 öffneten zwei Ausnahmenbaustellen Kronstadts ihre Tore für das breite Publikum. Im Herzen der alten Hauptstadt des Burzenlandes wird nicht nur der Honterushof für die Neugestaltung vorbereitet, sondern auch ein herausragendes Patrizierhaus an der nordwestlichen Ecke des Marktplatzes restauriert. Die beiden Baustellen wurden dem breiten Publikum im Rahmen der „Europäischen Tage des Denkmals“ erstmals zugänglich gemacht.


Qualitätsdenkmalpflege unter Einbeziehung der Öffentlichkeit auf zwei Ausnahmebaustellen: Honterushof und Patrizierhaus

Es ist ein spektakuläres Patrizierhaus in Bestlage: rechts an Pfarramt und den Chor der Schwarzen Kirche, links an das Museum der Städtischen Kultur reichend, hinter sich die Zinne, ist es auf dem Urlaubsfilm jedes Kronstadt-Touristen drauf. Nachdem es während der Zeit in Staatsbesitz verwahrloste, leitete die Evangelische Kirche A.B. Kronstadt nach der Restitution umfangreiche Restaurierungsarbeiten ein. Die bereits fertiggestellte Fassade lässt erkennen, dass ein Schmuckstück entsteht.

Die herausragende Bedeutung des Baudenkmals und die einzigartige Ausstattung der Erdgeschossräume mit Wandbildern des 17. und 18. Jahrhunderts ließ eine private Nutzung von Beginn an als wenig erstrebenswert erscheinen. Einzig richtig war, das Haus der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor wenigen Jahren wurde deshalb unter der Ägide der Kirchengemeinde der „Verein Haus Kronstadt“ mit dem Ziel ins Leben gerufen, die aufwändige Restaurierung zu bewerkstelligen und in dem weitläufigen Gebäude ein Kulturzentrum einzurichten, einen Ort, wo die breite Öffentlichkeit deutschsprachiger Kultur und der engagierten Kronstädter Kirchengemeinde begegnet. In der großzügigen Unterstützung durch die Hermann-Niermann-Stiftung besteht ein substantieller Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des Projektes.
Das zukünftige Kulturzentrum: die Fassade zum ...
Das zukünftige Kulturzentrum: die Fassade zum Marktplatz, links neben dem Chor der Schwarzen Kirche. Foto: Ágnes Ziegler
Die erste Bauetappe steht heute kurz vor der Vollendung: Sobald die Erdgeschossräume im kommenden Frühsommer 2013 fertig gestellt sein werden, soll hier eine Kulturbuchhandlung einziehen. Nach Instandsetzung der restlichen Gebäudeteile wird im ersten Stock eine Auslese der bedeutendsten Kunstschätze der Schwarzen Kirche gezeigt werden, während im Innenhof ein Café einziehen wird. Für die großzügige Mansarde mit Blick auf den Marktplatz ist der Ausbau als Multifunktionsraum geplant, so dass hier wahlweise Wechselausstellungen, Konzerte, Buchvorstellungen, Konferenzen und unterschiedliche Festlichkeiten stattfinden können. Der Raum kann sowohl von Verein und Kirchengemeinde genutzt als auch für Veranstaltungen vermietet werden. Das Nebeneinander von Vermietungen - an ausgewählte Partner - und Eigennutzung ist notwendig, da sich das Haus selbst tragen muss.

Die historische Bausubstanz des Hauses ist erstaunlich gesund. Dennoch beansprucht seine Restaurierung ein Äußerstes an Kraft und Geld. Alle Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Buchhandlung einziehen kann, werden zurzeit getätigt: Der Wildwuchs der An- und Einbauten der Nachkriegszeit wurde bereits entfernt, die Statik gefestigt, Dach und Räume wurden saniert. Die Wandbilder in den Räumen, die für die Buchhandlung vorgesehen sind, können während des Winters konserviert werden, dann aber sind sämtliche Geldmittel von Verein und Kirchengemeinde endgültig erschöpft. Gerade die Restaurierung des atemberaubenden „Freskenzimmers“ ist mit exakt 25 000 Euro zu kostspielig, als dass sie in absehbarer Zeit bewältigt werden könnte, wenn keine Hilfe eintrifft. Wer in diesen Raum eintritt, wird von der Pracht der Innenausmalung schlichtweg überwältigt: Blumenornamente in kräftigem Blau und Rot, wie man sie von sächsischen Stickereien kennt, überziehen sämtliche Wände. Eine bezaubernde Darstellung der alttestamentarischen Geschichte des Jona, der von einem Walfisch zunächst verschlungen und dann ausgespien wurde – einst ein wohlverstandenes Sinnbild für Tod und Auferstehung Christi – schmückt eine gesamte Wand und legt Zeugnis von dem Leben im Glauben ab, das sich hier vor 300 Jahren abspielte.

Bei der Neugestaltung des Honterushofes führt, wie auch im Falle des Patrizierhauses, ein gemeinnütziger Verein Regie, in dem die Kirchengemeinde maßgeblich beteiligt ist, hier gemeinsam mit dem Kronstädter Bürgermeisteramt. Aus dem Wettbewerb zur Neugestaltung des der Kirchengemeinde angehörenden Hofes um die Schwarze Kirche ist im Frühling dieses Jahres der ebenso behutsame wie geistreiche Entwurf des Architekturbüros „Exhibit“ als Sieger hervorgegangen. Die Platzgestalt wird demzufolge nur geringfügig geändert. Die gestalterischen Akzente werden durch das ausgeklügelte Lichtkonzept und das Platzmobiliar gesetzt: Bänke und Stühle sind aus Bronze, Brunnenbecken, Labyrinth- und Hüpfspiele aus Sandstein. Diese Elemente kommen nicht von der Stange, sondern werden, der außerordentlichen historischen Bedeutung des Kirchhofes Respekt zollend, von künstlerischer Hand angefertigt. Die Entwürfe des Bildhauers Virgil Scripcariu strahlen sympathisch-wohlüberlegte Klassizität aus: Klare Formen lassen den warmen Farbtönen der Materialien den Raum, selbst zu wirken.

Die Kosten für ihre Anfertigung wurden nicht im Finanzierungsplan des Projektes vorgesehen. Stattdessen ist die Öffentlichkeit dazu aufgerufen, den Hof über den traditionsreichen Weg des Stiftungsgeschenkes mit zu gestalten. Wer eines der Möbelelemente stiftet, wird sich nicht nur stärker mit dem geschichtsträchtigen Hof identifizieren - und identifiziert werden -, sondern wird ihm einen künstlerischen Mehrwert schenken, der Bestand haben und seinen Namen in Erinnerung bewahren wird.

Aus Denkmalerbe erwächst moderne Lebensqualität

Um die Öffentlichkeit mit den beiden Ausnahmebaustellen bekannt zu machen, waren sie dem breiten Publikum kürzlich, am 4. und 5. Oktober, im Rahmen der „Europäischen Tage des Denkmals“ zugänglich. Zwei Tage lang schöpften Alt und Jung aus einem reichhaltigen Angebot: Im Freskenhaus erzählten Kirchenführer die Geschichte von der Entdeckung der Wandbilder, erläuterten die historischen Szenen und Motive. Auch das designierte Restauratorenteam war zur Stelle und erklärte vor Ort die Techniken der Wandbildrestaurierung, die hier zum Einsatz kommen werden. Auf dem Honterushof finden im Vorfeld der eigentlichen Neugestaltung zunächst archäologische Untersuchungen statt, die erwartungsgemäß bereits beim ersten Spatenstich zu Funden führten: Grundmauern verschwundener Bauten und natürlich Grabstätten kamen, wie das bereits vor einigen Jahren auf dem Hermannstädter Huetplatz der Fall war, zum Vorschein. Im Rahmen der kurzfristig eingerichteten Publikumsbegehung konnten sich Interessierte die geöffneten Sondierschnitte zeigen lassen und von den Archäologen Grabungsergebnisse aus erster Hand erfahren. Diejenigen, die ein intensiveres Interesse mitbrachten, konnten im Gemeinderaum und im Kapitelzimmer der Evangelischen Kirche A. B. Kronstadt zehn Vorträge zu Gegenwart und Zukunft von Freskenhaus und Honterushof beiwohnen. Das gesamte Spektrum der an den Projekten beteiligten Disziplinen wurde darin sichtbar: architektonische, kunsthistorische, archäologische, restauratorische und künstlerische Aspekte wurden erläutert und nicht zuletzt die Gestaltungskonzepte vorgestellt. So reichte der gespannte Bogen aus der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft. Abends klangen die beiden Tage im Innenhof des Patrizierhauses mit einem Jazzkonzert der Band The Power of 3 aus.
Das berühmte "Freskenzimmer" im entstehenden ...
Das berühmte "Freskenzimmer" im entstehenden Kulturzentrum. Foto: Steffen Schlandt
Die beiden Projekte sind hervorragende Beispiele dafür, wie eine Kirchengemeinde ihr Denkmalerbe nicht nur sachgemäß erhält, sondern es durch die Qualität der architektonischen und funktionalen Konzepte zu einem Element moderner Lebensqualität werden lässt. Mit den Veranstaltungen wurden wertvolle Einblicke in die großen Anstrengungen, die diese Kirchengemeinde mit ihren Erhaltungsprojekten erbringt, möglich; vor allem aber wurde um Unterstützung für die beiden herausragenden Objektgruppen der Projekte geworben: Sowohl die Wandbilder als auch das Platzmobiliar benötigen das finanzielle Engagement derer, die sich dem Erbe Kronstadts und des Burzenlandes verbunden fühlen. Wer helfen möchte, wendet sich direkt an das Pfarramt Kronstadt, wo jederzeit ausführliche Informationen zu den beiden Projekten zu erhalten sind. Stifter werden mit einer Urkunde bedacht, zu Sonderführungen über die Baustellen empfangen und regelmäßig per Rundbrief über den Fortschritt der Arbeiten informiert. Ausführliche Informationen zu den Denkmälern und den beiden Spendenaktionen erhalten Sie bei Geschäftsführerin Liliana Șelaru, Telefon: (00 40) 2 68 51 18 24, Fax: (00 40) 2 68 51 18 25, E-Mail: liliana.selaru [ät] biserica-neagra.ro.

Frank-Thomas Ziegler

Schlagwörter: Denkmalpflege, Kronstadt, Kulturerbe, Burzenland

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