23. November 2012

Über Heimat und Identität in einer globalen Welt

Was ist Heimat und wo ist sie zu verorten? – Die Erörterung dieser Kernfragen war Gegenstand der Konferenz „Heimat – Identität, Kontinuität und Differenz in einer globalen Welt”, zu der die Deutsche Gesellschaft e.V. Berlin vom 10. bis 12. Oktober nach Klausenburg an die Babeș-Bolyai-Universität eingeladen hatte. Der Einladung folgten einerseits Soziologen, Philosophen, Geografen sowie Germanisten, die den Heimatbegriff im Rahmen ihres Fachbereiches untersuchten. Andererseits waren Künstler vertreten, die sich mittels Pinsel, Farbe, Kamera, Musik oder Worten mit der Heimatthematik auseinandersetzten. Die Moderation der Veranstaltung übernahmen Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung, und Georg Aescht, Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz und Übersetzer zahlreicher rumänischer Werke ins Deutsche.
Zunächst wurden die Referenten und Teilnehmenden seitens der Babeș-Bolyai-Universität durch Vizerektor Prof. Dr. Gräf und die Leiterin des Departements für deutsche Sprache und Literatur, Dr. Lucia Gorgoi, begrüßt. Wie Konsulin Judith Urban vom Deutschen Generalkonsulat in Hermannstadt, die eigens für die Veranstaltung angereist war, betonten sie Aktualität und Komplexität des Tagungsthemas.

Im Anschluss eröffnete die Dichterin Ana Blandiana gemäß dem Motto des ersten Tages „Heimat – eine Grenzbestimmung“ die Tagung. Ihr Vortrag „Meine Heimat DIN A4“ glich einem filigranen Liebesgeständnis an ihr Vaterland. Sie hätte es selbst unter der Ceaușescu-Diktatur nicht verlassen können, ohne dadurch den Impuls ihrer Dichtung und am Ende ihre Identität zu verlieren. Viele Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben haben jedoch tatsächlich alles verloren. Aus historischer Sicht problematisierte Prof. Dr. Konrad Gündisch den Heimatverlust dieser Minderheitengruppen im Zuge ihrer Um- und Aussiedlung im 20. Jahrhundert. Der Filmregisseur und -produzent Günter Czernetzky präsentierte einige Ausschnitte aus Dokumentationen, die sich mit der Frage nach der Konsequenz dieser Überschreitungen von Landesgrenzen auseinandersetzen – allerdings aus Sicht der Zurückgebliebenen. Die Dokumentationen zeigen Siebenbürger Sachsen, die dem Auswanderungsstrom getrotzt haben. Heimat finden außerhalb der Dorfgrenzen? – Für sie ausgeschlossen.

Für Dr. Ingeborg Szöllösi war hingegen die einseitige Auffassung vom Heimatdorf als dem Himmel auf Erden ausgeschlossen. Anhand Marta Petreus’ Roman Acasă pe Câmpia Armaghedonului (Zuhause auf dem Feld von Armageddon, 2011) verwies die Publizistin auf den ambivalenten Charakter von „Heimat“, die durchaus auch zur „Hölle“ werden könne. Unter dem Gesichtspunkt „Heimat – Lebenswelt und Lebensgefühl“ ging auch Prof. em. Dr. Wilfried Schreiber auf den Heimatbegriff ein. Anhand einiger Beispiele verdeutlichte er die Möglichkeiten, den Begriff auf geografische Räume zu übertragen und so in den Fachbereich Geografie zu integrieren. Als festen Teil seiner Kunst sah Gert Fabritius das Thema Heimat, das im Mittelpunkt einiger seiner Ausstellungen wie „Transportable Heimat” und „Mythos Heimat – Heimat im Mythos” stand. Der Beitrag von Prof. em. Dr. Hans Peter Türk offenbarte mit dem „Er-hören“ von Heimat eine weitere künstlerische Dimension des Begriffs. Ein Höhepunkt war das Orgelkonzert seines Sohnes Dr. Erich Türk in der Michaeliskirche.

Der dritte Teil der Tagung stand ganz im Zeichen der Literatur: „Heimat – das literarische Refugium“. Der Germanist Michael Markel verglich hierfür die Verarbeitung des Heimatbegriffes in den Werken Franz Hodjaks und Werner Söllners vor und nach der Ausreise der beiden siebenbürgischen Dichter nach Deutschland. Als Pendant zu Michael Markels Vortrag ging Dr. Daniela-Elena Vladu auf den Heimatbegriff in ausgewählten Gedichten des moldawischen Schriftstellers Grigore Vieru ein. Im Anschluss ergriffen die Sprachkünstler das Wort. Hans Bergel und Joachim Wittstock präsentierten unveröffentlichtes Material zum Thema Heimat sowie eigens für diesen Anlass geschriebene Texte.

Interdisziplinär ging es auch am letzten Tag der Konferenz zu, der die Teilnehmenden auf die „Suche nach Heimat in einer globalen Welt“ mitnahm. Prof. Dr. András F. Balogh zeichnete in seinem Vortrag „Heimat zwischen Tradition und Modernität“ die Entwicklung des Heimatbegriffes in der Literaturgeschichte nach und lieferte anschauliche Beispiele aus dem siebenbürgischen Sprach- und Kulturraum. Aus einer völlig anderen Perspektive nahm sich hingegen der Soziologe Dr. Rudolph Poledna des Raumes an, der über die natürliche Raumbezogenheit des Menschen und seiner sozialen Identität referierte. Zum Abschluss legte der Philosoph Dr. Wolf Enkelmann sein Verständnis eines erweiterten Heimatbegriffs dar. Mit seinem Plädoyer für eine „europäische Heimat“ sprach er sich gegen das Denken von „Heimat“ ausschließlich im nationalen Kontext aus.

Dr. Andreas H. Apelt, Bevollmächtigter des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft e. V., resümierte, die Tagung hätte mehr offen gelassen als gelöst. – Genau hier offenbart sich jedoch das Charakteristikum der Heimat, wie die Tagung letzten Endes verdeutlichte: Heimat ist ein für die individuelle Definition offener Begriff, denn Heimat ist immer ausschließlich das, was man aus ihr macht. Folglich ist Heimat flexibel – auch in Bezug auf ihre eigene Heimat, denn sie kann in jedem wissenschaftlichen Fachbereich zu Hause sein.

Anna Heermann

Schlagwörter: Tagung, Klausenburg, Heimat, Identität

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