4. Dezember 2014

Das Einfache, das schwer zu machen ist: Samuel Beer zum Achtzigsten

In der zweiten Septemberausgabe dieser Zeitung vor gerade mal zehn Jahren war es mir vergönnt, die Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch den damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister an Samuel Beer bekanntzugeben. Eine hochverdiente hohe Auszeichnung, gewiss.
Ich meinerseits empfinde es als Auszeichnung, wenn sich der derart Geehrte bei mir als „Sam, DER Sam“ vorstellt am Telefon und ich mich somit zu denen zählen darf, die ihn so nennen. Wie bewerkstelligt man das – diesen Spagat zwischen öffentlicher Anerkennung und zahlreichen persönlichen Freundschaften? Bei einer Herkunft, die vielfach geprägt ist von Überempfindlichkeit und Animositäten?

Es ist so eine Sache mit Ehrungen. Robert Musil schrieb in einer kleinen Prosa über Denkmäler, man stürze dadurch die damit Gewürdigten mit einem Stein um den Hals in ein Meer des Vergessens. Ich muss also aufpassen, dem Sam kein papiernes Denkmal zu setzen; es würde seinem rastlosen Geist nicht gerecht.

Samuel Beer ...
Samuel Beer
Samuel Beer war zeit seines bisherigen Lebens eine Integrationsfigur, keiner, der polarisiert. Geboren am 4. Dezember 1934 in Neppendorf als Angehöriger der Minderheit der Landler, erlernte er an der berühmten Schäßburger Bergschule den Beruf des Grundschullehrers und schuftete nach einem Unterrichtsjahr in Stolzenburg drei lange Jahre im Rahmen seines Militärdienstes als Bauarbeiter in der Bărăgan-Tiefebene in diversen Arbeitsbrigaden. 1959 heiratete er Sara, geborene Fleischer – ein weiteres Familienjubiläum, das es heuer zu feiern gibt! –; aus der Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn ­hervor. Schon früh (ab 1960) waren seine Führungsqualitäten als Schulleiter oder stellvertretender Direktor an verschiedenen Hermannstädter Schulen gefragt, gleichzeitig studierte er sechs Jahre Philosophie im Fernkurs an der Universität Klausenburg und absolvierte als Lizentiat der Philosophie. Einen besonderen Schwerpunkt seiner Laufbahn stellt die Zeit am Hermannstädter „Päda“ dar: Er lenkte die deutsche Abteilung dieser Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen und Lehrer von 1970 bis 1979 durch sämtliche Fährnisse damaliger Schulpolitik, letztlich auch durch die Szylla sozialistischer Regulierwut und die Charybdis parteiideologischer Gleichschaltungsmaschinerie hindurch. Gleichsam nebenher managte er auch die deutsche Volkshochschule in Hermannstadt. Auf all dieses Engagement, das ich hier nur ansatzweise skizziere, folgte der folgenschwere Entschluss, jenes Land zu verlassen und einen Neuanfang in Deutschland zu wagen: zuerst wiederum als Lehrer, sodann 18 Jahre lang als Direktor der Bundesgeschäftsstelle der Künstlergilde e.V. in Esslingen am Neckar – eine eminent produktive Schaffensperiode mit vielen wichtigen Begegnungen über geografische und künstlerische Grenzen hinweg, die seiner durch kaum etwas zu erschütternden Zuversicht, notfalls von einem Quäntchen Zweckoptimismus unterfüttert, und seinem wachen, friedfertigen, nichtsdestotrotz streitbaren Verstand ausgesprochen entgegegenkam und ihm entsprach. Die Künstlergilde verlieh ihm in der Konsequenz auch die Pro-arte-Medaille für besondere Verdienste.

Acht Jahre lang (bis 2006, als er sich nicht mehr zur Wahl stellte) übte er das Ehrenamt des Generalsekretärs des Internationalen Exil-P.E.N. Clubs aus und ist auch dort bei allen nachmaligen Tagungen, so er sich dafür entscheidet, ein gern gesehener Gast. Er selbst schreibt, er sei außerdem bislang „siebenmal zum glücklichen Opa gemacht worden“. Das sagt sich alles so leicht daher, ist aber vermutlich „das Einfache, das schwer zu machen ist“: auf ein schaffensreiches, ruheloses, rundum gelungenes Leben zurückzublicken. Dass damit ein weiterhin gelingendes einhergehe, wünschen ihm sicherlich alle, die ihn kennen und wertschätzen.

Es heißt, man müsse lange leben, um jung zu sein. Auf dem Weg zur Erreichung dieses beneidenswerten Zustandes mögen ihm noch viele Jahre beschieden sein.

Hellmut Seiler

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Landler, Kunst

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