1. September 2016

„Fest unter der Eiche“ im Haus der Heimat Nürnberg

Am 23. Juli reiste der Schirmherr des „Festes unter der Eiche“, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens, aus München nach Nürnberg-Langwasser, auch wenn es ihm nicht leicht fiel angesichts des kürzlich erfolgten Anschlags nahe Würzburg und des am Vorabend in einem Einkaufszentrum in München geschehenen Amoklaufs. Abgeordnete des Deutschen Bundestags, des Bayerischen Landtags und des Nürnberger Stadtrates sagten ebenfalls nicht ab und begründeten ihre Teilnahme in ihren Grußworten.
Horst Göbbel, der Vorsitzende des Hauses der Heimat e.V. Nürnberg (HdH), führte in die Veranstaltung ein, die als Tag der offenen Tür auch viele Kinder, Jugendliche und Nachbarn anzieht und von einem landsmannschaftlich übergreifend großen Helferkreis gestemmt wird. U. a. sagte er zum aktuellen Geschehen: „In schwierigen Momenten ist Zusammenhalt angesagt – über Kulturgrenzen hinweg (…). Es ist natürlich völlig falsch, von einem scheußlichen Vorfall ausgehend z. B. alle unbegleiteten Flüchtlinge als potenzielle Terroristen zu sehen. Nein, das sind irregeleitete und oft kranke Einzeltäter. Wir müssen uns weiterhin, so gut es geht, um alle Flüchtlinge kümmern, die bei uns Zuflucht suchen (…). Wir hoffen, dass uns die deutschen Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung auch in besonderer Weise fähig machen zur Empathie mit Menschen, die heute hier bei uns in Deutschland Zuflucht suchen“.
Der Schirmherr der Veranstaltung, Prof. Dr. ...
Der Schirmherr der Veranstaltung, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, mit Doris Hutter und Horst Göbbel (von links). Foto: Annette Folkendt
Und er schloss mit den Worten: „Zeigen Sie durch Ihr Hiersein, Ihre Grußworte, Ihre Gespräche die Lebendigkeit unserer freiheitlichen Demokratie!“

Menschlichkeit und Zusammenhalt


Der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser räumte ein, dass wir „in einer frei lebenden Gesellschaft mitunter auch machtlos sein können“, lobte aber die Sicherheitskräfte des Landes, die besonnen reagiert hätten, dankte ihnen und fuhr fort: „Aber wenn es eine Antwort gibt auf Sinnlosigkeit des Sterbens, auf Radikalisierung, dann ist es Gemeinschaft!“ Er schätze „die gelebte Gemeinschaft im HdH, in dem die Menschen aufeinander Acht geben: Das heißt, die Menschen annehmen, wie sie sind, mit ihrer Geschichte, ihren Eigenarten, Besonderheiten. Wenn das irgendwo in Nürnberg geklappt hat, dann im HdH!“

Ihrem Kollegen beipflichtend, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriela Heinrich: „Gerade die, die keine solche Möglichkeiten haben, wie alleine müssen sie sein, dass sie auf den Gedanken kommen, diese Welt zu verlassen und andere Unschuldige mitzureißen! Wir können dem etwas entgegensetzen: Gemeinschaft, Freundschaft, Unterstützung. Das fühle ich in diesem Haus. Außerdem Nachdenklichkeit und Vernunft (…). Es geht nicht darum, hysterisch zu werden, sondern sich auf unsere Werte zu besinnen: Menschlichkeit und Zusammenhalt!“

Gerade für solche Werte, wie das gute Miteinander der Aussiedler und Vertriebenen im HdH mit Nachbarn im Stadtteil und mit Ausländern, stehe der Vorsitzende des HdH, meinte SPD-Stadtrat Dr. Ulrich Blaschke, auch in Vertretung des Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly, wofür Horst Göbbel kürzlich die zweithöchste Auszeichnung der Stadt Nürnberg erhalten habe: Er gratulierte ihm zur Verleihung der Bürgermedaille der Stadt Nürnberg und würdigte zugleich „alle Mitwirkenden im HdH, für die Herr Göbbel ausdrücklich stellvertretend die Auszeichnung in Empfang genommen hat“. Der Bezirkstagspräsident von Mittelfranken Richard Bartsch und Bezirksrat Peter Daniel Forster (CSU) schlossen sich all dem an und überreichten Horst Göbbel etwas, „das mit zum Besten gehört, was Ansbach bieten kann“, einen Ansbacher Sekt.

Michael Markel signiert am Bücherstand sein neues ...
Michael Markel signiert am Bücherstand sein neues Buch „Die Deportation der Rumäniendeutschen im Spiegel der schönen Literatur“. Foto: Annette Folkendt
Das HdH bot zwischendurch kulturelle Leckerbissen, die auch zum Besten gehören, was das HdH bieten kann, weil sie von Kindern und Jugendlichen dargebracht wurden: Gesang der Musikspatzen und des Kinderchores des HdH unter der Leitung von Olga Philipp, die erstmals auch einen Chor aus 18 Kindern und deren Mütter auftreten ließ. Die Egerländer Gmoi ließ ihre Kindertrachtengruppe tanzen, die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Fürth bot einen Kindertanz und von Jugendlichen professionelle Standardtänze, die alle mit großem Applaus bedacht wurden.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Freller fasste genau diese Situation in sein Grußwort: „Nichts ist wichtiger, als dass man einem Kind Urvertrauen ins Leben schenkt, dass man ihm irgendwo ein Zuhause gibt, eine Heimat, wo Menschen zuhören, denen es vertrauen kann. Hier ist das HdH zur wirklichen Heimat für viele geworden, die kamen und zunächst, außer den Angehörigen, niemanden kannten. Es sind unzählige Bekanntschaften in diesem Haus entstanden und Menschen, die sich begegneten, sind Freunde geworden. Das ist der Wert dieser Arbeit, die Sie hier leisten: Menschen zusammenzuführen, wie es dieses Fest jedes Jahr auch darstellt.“ Alle Redner dankten auch den Helfern, die das Fest ermöglichen: neben den Produzenten kulinarischer Genüsse (Metzgerei Mooser und Langosch von Tünde Thiess) auch den vielen Ehrenamtlichen für deren selbstgebackene Kuchen, den Einsatz beim Getränkeausschank, Bücherflohmarkt, der Kinder-Kreativ-Ecke bis hin zum Auf- und Abbau der Zelte, Küchendienst und Moderation. Stellvertretend für sie alle seien erwähnt: der Sprecher des organisierenden Arbeitskreises, Johann Schuster, und seitens der Angestellten Annette Folkendt und Hausmeister Eugen Vetter. Blasmusik machte erstmalig „Blech Klang“ unter der Leitung von Hans Eichinger, die für angemessene Stimmung sorgten.

20-jährige Treue zum Verein wurde mit Urkunden belohnt und lenkte das Augenmerk auch auf andere Standbeine des HdH. Schirmherr Dr. Andreas Weber war in seiner Rede auch auf den Standort des HdH eingegangen: „Langwasser steht geradezu paradigmatisch für einen ganz wichtigen Aspekt der Stadtgeschichte Nürnbergs in der Zeit seit 1945, nämlich für die Folgegeschichte des Nationalsozialismus: Kriegsgefangenenlager, Durchgangslager, Wohnräume für deutsche Flüchtlinge und Vertriebene (…). Es entstand ein moderner großer Stadtteil, gekennzeichnet durch Integration von Menschen, die ihre Heimat verloren hatten oder sie verlassen haben. (…) Ein Arbeitskreis von Bürgern, der auch mit dem Haus der Heimat verbunden ist, setzt sich für ein virtuelles Museum ein, das auch mit den Schulen im Stadtteil vernetzt werden soll. Es wäre sehr wichtig, dass diese Arbeit auch im NS-Dokumentationszentrum wahrgenommen und mit dem Zentrum vernetzt wird.“ Der Schirmherr sprach auch von Identität und Integration im HdH und schloss mit den Worten: „Etwas, worüber man sich auch an einem so belasteten Tag wie heute freuen soll: Das Haus der Heimat ist durch seine vielen Besucher ein sehr lebendiges und junges Haus. Es ist ein Haus von vielfältigsten kulturellen und geselligen Aktivitäten, es ist ein Haus das aus vielen Gemeinschaften eine große Gemeinschaft werden lässt.“

Doris Hutter


Schlagwörter: Fest unter der Eiche, Haus der Heimat, Nürnberg, Göbbel

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