6. Mai 2017

Nachruf auf die 94-jährig verstorbene Romanautorin Edda Dora Essigmann-Fantanar

Vier Tage vor ihrem 95. Geburtstag ist Edda Dora Essigmann-Fantanar am 2. April im Siebenbürgerheim Rimsting verstorben. Bekannt wurde sie in den Kreisen der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben durch ihre beiden Familienromane „Aller guten Dinge sind dreizehn“ und „Die das Glück suchen“, die sie erst im fortgeschrittenen Alter verfasste. Dass beide Publikationen die Gunst eines großen Publikums gewinnen konnten, hat viel mit dem „hintergründigen Humor“ und der „ironischen Distanz“ (Zitat Langen Müller Verlag) zu tun, mit denen die Bücher geschrieben wurden. Beides sind sicher auch charakteristische Eigenschaften der Autorin, die in jedem Gespräch darauf achtete, dass beim Gegenüber keine Langeweile aufkommt.
Dies war auch das leitende Prinzip ihres ersten Romans, der 1996 im Selbstverlag in Geretsried erschien. Darin entfaltet sie die Familiengeschichte ihrer Mutter, Ida Beer, die den Kaufmann Friedrich Karl Essigmann geheiratet hatte und als deren dritte und jüngste Tochter Edda Dora am 6. April 1922 in Kronstadt zur Welt kam. Im Vordergrund stehen die dreizehn Kinder des Kronstädter Kaufmanns Michael Beer und seiner Frau Ida Friederike, Tochter des Kronstädter Parkettfabrikanten Martin Copony. Das zwölfte Kind dieses Paares war Edda Doras Mutter. Die schiere Zahl der Familienangehörigen und ihrer Ehepartner lässt die Fülle des Stoffes erahnen, der sich vor der seit Kindertagen aufmerksamen Zuhörerin Edda Dora ausbreitete. Sie griff diese Vorlage bereitwillig auf, um augenzwinkernd ein Panorama des Kronstädter Bürgertums mit all seinen Stärken und Schwächen zu entwerfen. Ihre Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass sie dies ohne effekthascherische Oberflächlichkeit tat, die ihr angesichts der dramatischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts und ihrer Auswirkungen auf die Lebensläufe der Protagonisten als unangemessen erschien. Der in die Erzählung eingewobene rote Faden des eigenen Lebenslaufes lässt schnell erkennen, dass sich Edda Dora Essigmann-Fantanar stets dagegen wehrte, dass die selbst erfahrenen Schicksalsschläge ihre innere Einstellung zum Leben zu sehr bestimmten. Distanz zur eigenen Person und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, halfen ihr, diesem Anspruch zu genügen.
Die „Stimme der Heimbewohner“ Edda Dora Essigmann ...
Die „Stimme der Heimbewohner“ Edda Dora Essigmann-Fantanar bei der Jubiläumsfeier zum 60-jährigen Bestehen des Alten- und Pflegeheimes in Rimsting am Chiemsee am 8. Juni 2013. Foto: Christian Schoger
Zunächst schien eine in materiellen Wohlstand eingebettete unbeschwerte Kindheit eine rosige Zukunft zu verheißen. Das Aufkommen des Nationalsozialismus machte der Heranwachsenden jedoch bald deutlich, wie schwierig es ist, unter den Bedingungen eines autoritären bzw. totalitären Regimes die eigene Haltung zu bewahren. Insbesondere die Entscheidung ihres Vaters, sie in den späten 1930er Jahren das rumänischsprachige Mädchengymnasium Kronstadts besuchen zu lassen, nötigte der Sächsin eine beträchtliche Standfestigkeit und geistige Unabhängigkeit ab. Während ihrer Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion kamen ihr Lebensmut und Tatkräftigkeit zugute, die sie auch nach ihrer Rückkehr nach Kronstadt dringend benötigte. Die Etablierung der kommunistischen Herrschaft hatte zur Enteignung und Verfolgung ihrer Familie sowie zum Suizid ihres Vaters geführt. Mit ihrem Mann, Tiberius Fantanar, verband sie nicht nur eine große Liebe, sondern auch die Überzeugung, gerade für den Sohn Christian die Verhältnisse im kommunistischen Rumänien „überleben“ zu müssen. Dieses ist im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen, da ihr Schwiegervater als Vertreter der rumänischen „Ausbeuterklasse“ nach einem kommunistischen Schauprozess hingerichtet worden war. Ihr Mann wurde in diesem Prozess „nur“ zu einer Haftstrafe verurteilt. Die folgenden sieben Jahre, die von den Sorgen, den Lebensunterhalt bestreiten zu können, geprägt waren, schweißten Mutter und Sohn noch stärker zusammen. Erst 1982 wurde der Antrag der Familie, nach Deutschland ausreisen zu dürfen, bewilligt.

In Bayern konnte Edda Dora Essigmann-Fantanar ein zweites Leben in Freiheit und Selbstbestimmtheit beginnen und sich mit ihrem Mann auch einige Reisen in europäische Metropolen erlauben, die sie sich vorher so sehnlich gewünscht hatte. Mit der zunehmenden Distanz zur alten Heimat wuchs in ihr das Bedürfnis der Reflexion über das in Rumänien Erlebte. Für ihren Sohn Christian schrieb sie ihre Erinnerungen an ihre Familie auf, „frei von der Seele […] wie mir der Schnabel gewachsen ist“ und zunächst ohne Veröffentlichungsabsicht, wie sie in ihrem Vorwort betont. Ihr Sohn bezeichnete in seiner Trauerrede das Buch „Aller guten Dinge sind dreizehn“ als „Hommage an das Leben, denn es zeigt, dass Hoffnung und Zuversicht auch aus den dunkelsten Momenten herausführen können. Es zeigt, dass selbst in den trostlosesten Lebenslagen kleine Freuden möglich sind, an denen man sich immer wieder aufrichten kann“. Die Authentizität ihres Buches begeisterte viele tausend Leser. Bis zuletzt erhielt sie immer wieder Zuspruch in Form von hunderten von Leserbriefen und Telefonaten. Der Erfolg regte sie an, die Familiengeschichte ihres inzwischen verstorbenen Mannes literarisch zu verarbeiten. Im Langen Müller Verlag (München) veröffentlichte sie 2005 den Roman „Die das Glück suchen“, der anhand des Lebens zweier Frauen aus dem aristokratisch-bürgerlichen Milieu, Mutter und Tochter, unterhaltsam, aber nicht weniger dramatisch die Alltags- und Sozialgeschichte des Banats zwischen der Jahrhundertwende und dem Beginn der kommunistischen Herrschaft vermittelt.

Bis ins hohe Alter blieb Edda Dora Essigmann-Fantanar eine leidenschaftliche Erzählerin, ob auf ihren zahlreichen Lesungen oder im persönlichen Gespräch. Als sie von Geretsried ins Siebenbürgerheim nach Rimsting am Chiemsee zog, genoss die bis zuletzt sportbegeisterte Kronstädterin dort die wunderbare Landschaft in vollen Zügen, traf mache Freundin aus der alten Heimat wieder und engagierte sich als Sprecherin der Heimbewohner. In der Großfamilie besaß sie als letzte Vertreterin ihrer Generation eine Ausnahmestellung. Bis zu ihrem Tode war sie in der Lage, mit unzähligen Details über Personen und Ereignisse aus der „guten [und manchmal weniger guten] alten Zeit“ zu jonglieren und ihre Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit sprachen wir über ihre Mutter und deren zwölf Geschwister, die sie am Ende ihres ersten Buches noch einmal zusammen im Himmel auftreten ließ. Den letzten Satz des Buches hielt sie für ihren geliebten Vater frei: „Er wandelt einsam und unverstanden über die Milchstraße, doch eines Tages werde ich bei ihm sein und ihn ein Stück begleiten“.

Gerald Volkmer

Schlagwörter: Essigmann-Fantanar, Autorin, Kronstadt, Roman, Nachruf, Rimsting

Bewerten:

20 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.