18. Juni 2017

Klingende Landschaften in Siebenbürgen: Dr. Erich Türk referiert beim Heimattag über Orgeln

Zu der Kirchenburgenlandschaft als Kulturerbe und der evangelischen Identität der Siebenbürger Sachsen gehört untrennbar die außergewöhnlich reiche Orgellandschaft, die diese Region prägt. Von über 200 alten Orgeln – rund 85 Prozent noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg – konnte etwa ein Viertel durch Restaurierung oder Versetzung gerettet und erhalten werden, informiert der Klausenburger Musikwissenschaftler Dr. Erich Türk in seinem Vortrag „Orgellandschaft Siebenbürgen“ am 4. Juni im Gemeindehaus St. Paul in Dinkelsbühl.
Orgeln, die in ihrer Ursprungskirche nicht mehr geschützt werden konnten, wurden in anderen Gotteshäusern als Zweitorgeln aufgebaut oder an Kirchen anderer Konfessionen verkauft und werden zumindest wieder bespielt. Vereinzelt wurden Instrumente in Gemeinden, in denen kein Gemeindeleben mehr stattfindet, von Vereinen restauriert und für kulturelle Veranstaltungen genutzt (z.B. Rothberg).

Jüngste Positivbeispiele für Bemühungen zur Rettung alter Orgeln sind die am 30. Juli 2017 neu einzuweihende, restaurierte Orgel in Groß-Alisch (Erbauer: Petrus und Carl Schneider, 1843) oder die Prause-Orgel (1786) in Keisd, für deren Instandsetzung derzeit Spenden gesammelt werden. Leider gibt es auch Beispiele für akut gefährdete oder bereits verlorene Orgeln, deren Reparatur nicht mehr möglich ist. Letzteres trifft auf Dobring, Galt und Wölz zu. In Thalheim und Bonnesdorf fielen die Instrumente Einbrüchen zum Opfer, in Rothbach wurde die Orgel vom eingestürzten Turm begraben.

Als gefährdet, aber noch reparabel gelten die Orgeln von Weingartskirchen und Martinsberg. Eine Spielprobe auf ersterer im aktuellen Zustand vermittelt deutlich die durch den fortschreitenden Verfall entstandenen Dissonanzen. „Es gibt eine lange Liste von Orgeln, die noch gerettet werden könnten“, meint Türk. Doch je mehr Zeit vergeht, desto schlechter werden die Chancen. Immerhin sind für die Restaurierung einer Orgel meist fünfstellige Summen vonnöten.

Die Finanzierung kann durch Vereine, Heimatortsgemeinschaften, Kreisräte, Nachhaltigkeitsfonds der Landeskirche oder private Spender erfolgen. „Ein schöner Einzelfall ist Hammersdorf, wo der nationale Orgelkongress tagte und jeder Teilnehmer sich bereit erklärte, Material oder Arbeitskraft für die Restaurierung der dortigen Orgel beizusteuern“, erzählt Türk.

Wichtig ist neben Geld vor allem Fachwissen: Hierfür steht der landeskirchliche Orgelausschuss unter dem Vorsitz des Bischofs als Berater zur Verfügung, der auch finanzielle Beihilfe (bis zu zehn Prozent) Zuschuss ermöglicht. Allerdings gibt es Fälle, in denen der Ausschuss nicht konsultiert wurde – die Gemeinde ist dazu nicht verpflichtet. Entsprechend unbefriedigend könnte das Ergebnis ausfallen. Auch bei der Auswahl des Restaurateurs ist Vorsicht geboten. Typische Probleme, die auftauchen können, sind: Die Orgel wird demontiert, aber nie fertig; die Orgel wird repariert und die Reparatur bezahlt, doch das Ergebnis ist unbefriedigend; die Orgel wird technisch instandgesetzt und ist wieder bespielbar, doch es wurde nicht auf fachgerechte Restaurierungsmethoden geachtet. „Gute Orgelbauer sind nicht immer auch erfahrene Restaurateure!“ warnt Türk. Wichtige Schritte für die Planung einer Restaurierung sind: die Erstellung eines Restaurierungskonzepts, vertragliche Regelungen mit der beauftragten Firma über Umfang, Methoden, Garantieleistungen und Zeitrahmen, die Abnahme durch Fachleute sowie ein Konzept zur weiteren Nutzung und Erhaltung, denn nach der Instandsetzung muss das Instrument zumindest gelegentlich bespielt werden. Nicht zuletzt können Marderschäden den Erfolg der Restauration wieder zunichtemachen.

Wer sich für den Zustand der Orgeln in Siebenbürgen interessiert, kann unter www.orgeldatei.evang.ro Daten, Fotos und Klangbeispiele zu jedem Instrument abrufen oder die zweisprachige Broschüre „Klingende Landschaft / Euphonious Landscape“ von Ursula Philippi und Erich Türk konsultieren.

Nina May

Schlagwörter: Heimattag 2017, Dinkelsbühl, Vortrag, Türk, Musik, Orgeln, Siebenbürgen

Bewerten:

9 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.