29. April 2018

Poesie, grenzenlos: Deutsche Literaturtage in Reschitza sind einzigartig in Rumänien


Um die Segnungen der EU zu erkennen, muss man beispielsweise von Reschitza aus nach doppelter Pass- und Sichtkontrolle eine Ausfahrt ins serbische Werschetz (Vršac) machen. Als Gäste der schon zum 28. Mal stattfindenden Deutschen Literaturtage in Reschitza vom 13.-16. April, organisiert von Erwin Țigla und dem Kultur- und Erwachsenenbildungsverein in Reschitza, wurden wir zum Abschluss in die mehrsprachige Gegend gebracht.
Die sonntägliche Messe dort wurde auf Ungarisch zelebriert und es wurde auf Serbisch gepredigt. Die anschließende Buchvorstellung war auf Deutsch und wurde serbisch gedolmetscht.
Die globalisierungstaugliche Lyrik-Lesung in der dreisprachigen Bibliothek (serbisch-ungarisch-rumänisch) in Werschetz, wo aber auch eine Lutherbibel aus dem 18. Jahrhundert besserer Tage harrte, fand neben Serbisch und Deutsch auch auf Rumänisch, Ungarisch, Slowenisch, ja gar Mazedonisch statt und konnte durch ihren Rhythmus und die Energie als Krönung des Literaturfestivals gelten – ein lebhaftes Beispiel dafür, wie sich die Poesie über Landes- und Sprachgrenzen hinwegsetzt.
Autoren der Deutschen Literaturtage bei der ...
Autoren der Deutschen Literaturtage bei der Ausfahrt ins serbische Werschetz, von links: Kristiane Kondrat, Edith Guip-Cobilanschi, (hinten) Carol König, Erwin Țigla, Nora Iuga und Nelu Brădean-Ebinger. Foto: Demokratisches Forum der Banater Berglanddeutschen
Illustre Gäste, von der Bukarester Autorin Nora Iuga über die heutige Ulmerin Ilse Hehn bis zum Hermannstädter Joachim Wittstock und viele andere mehr beehrten die Literaturtage in Reschitza und öffneten mit Aleš Tacer, Ivan Korponai, Johann Schuth den Rahmen von der rumäniendeutschen und rumänischen Literatur zur slowenischen und ungarndeutschen. Die große Stärke dieser Veranstaltung war ihre Internationalität; gelesen wurde meist in Originalsprache auf Deutsch oder in Übersetzung, zuweilen wurde es mehrsprachig. Aber alles in allem war es ein hervorragend organisiertes Fest der deutschen Literatur, das einzigartig in Rumänien ist.

Joachim Wittstock bei der Lesung in der ...
Joachim Wittstock bei der Lesung in der „Alexander Tietz“-Bibliothek in Reschitza.
Joachim Wittstock las beispielsweise unveröffentlichte Prosa vor: „Kundfahrt jenseits des Pruths“. Nora Iuga stellte ihr jüngstes Buch „Der Komet in der Metzgerei“ in Übersetzung von Ernest Wichner vor. Ilse Hehn war gleich mit zwei Büchern präsent, ihrem eigenen literarisch-künstlerisch gestalteten „Sandhimmel“ und einer von ihr mit herausgegebenen Anthologie des Exil-Pen. Die in Reschitza geborene, heute in Augsburg lebende Kristiane Kondrat trug Lyrik und Prosa vor. Nelu Brădean-Ebinger las aus seinem historischen Roman, Aleš Tacer aus seinem Kinderbuch; Ivan Korponai, Hans Dama (vorgestellt von Ana und Werner Kremm) sowie die Verfasserin dieses Berichts waren mit Lyrik vertreten. Johann Schuth präsentierte eine ungarndeutsche Anthologie.

Ilse Hehn stellt ihr Buch „Sandhimmel“ vor. ...
Ilse Hehn stellt ihr Buch „Sandhimmel“ vor. Fotos: Demokratisches Forum der Banater Berglanddeutschen
Vorträge von Edith Guip-Cobilanschi und Bianca Barbu rundeten das Bild ab. Von Johann Schuth erfuhr man, dass sich die ungarndeutsche Literatur ein Beispiel an der rumäniendeutschen nimmt, von Veronika Haring, dass die deutsche Minderheit in Slowenien nicht als Minderheit anerkannt ist und dadurch kaum von staatlicher Seite gefördert wird.

Die Literaturtage in Reschitza hatten diversen Förderern, vom rumänischen Ministerium für Kultur und nationale Identität bis zur Botschaft der Bundesrepublik Deutschland u.v.a.m., zu danken. Im nächsten Jahr wird sich die Veranstaltung wahrscheinlich auch für Verleger öffnen. Erwin Țigla hofft, dass sie sich in naher Zukunft auch über die politischen Grenzen hinwegsetzen kann. Vor allem ist ihr mehr (auch junges) Publikum zu wünschen.

Das schöne Frühlingswetter tat das Übrige, damit man geistig angeregt die grenzenlose Poesie mit nach Hause nehmen konnte.

Edith Ottschofski

Schlagwörter: Literatur, rumäniendeutsche Literatur, Reschitza, Wittstock

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