18. Juni 2018

Spiritus rector des Schriftsteller-Lexikons: Zum Tode von Hermann A. Hienz

93-jährig verstarb am 3. Mai in Krefeld der namhafte Pathologe Prof. Dr. Dr. Hermann A. Hienz. In siebenbürgischen Kreisen ist er vor allem bekannt als Bearbeiter des so genannten Schriftsteller-Lexikons der Siebenbürger Deutschen, wofür er 2010 mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis ausgezeichnet worden war.
Hermann Adolf Hienz kam am 14. November 1924 in Hermannstadt als Sohn von Dr. Hermann H. Hienz, Professor am Evangelischen Landeskirchenseminar, und Hildegard, geborene Schullerus, zur Welt. Nach dem Abschluss der Brukenthalschule und dem damals üblichen so genannten Völkischen Dienstjahr in Kronstadt wurde er noch während des letzten Kriegsjahres in die Wehrmacht eingezogen; es folgten Einsätze an der Ostfront und in Italien und ab Mai 1945 eine rund dreijährige britische Kriegsgefangenschaft.

1948 konnte er schließlich sein Medizinstudium in Heidelberg beginnen, wo sich nach Promotion und Assistenz seine Fachausbildung am Pathologischen Institut anschloss. Beachtenswert ist sein Parallelstudium in Biologie, das er 1958 ebenfalls mit Promotion abschloss, und schon im Folgejahr erfolgte die erste Habilitation. Seine wissenschaftliche und berufliche Karriere führte nun über das Pathologische Institut des Klinikums Essen, wo er 1964 leitender Oberarzt und bald auch apl. Professor wurde, schließlich an das Institut für Pathologie der Städtischen Krankenanstalten in Krefeld, dessen Direktor er 1969 wurde. Seine intensive Forschungs- und Publikationstätigkeit auf den Gebieten der Zytologie, Zytogenetik (hierzu zweite Habilitation 1970), Entwicklungsstörungen des Skeletts, des Herzens und der Geschlechtsorgane sowie der pathologischen Anatomie setzte er sein ganzes Berufsleben hindurch fort und brachte es auf eine Publikationsliste von über 150 Titeln, darunter Grundlagenwerke und Kompendien.
Prof. Dr. Dr. Hermann A. Hienz beim Heimattag ...
Prof. Dr. Dr. Hermann A. Hienz beim Heimattag 2010 in Dinkelsbühl - am Tag seiner Ehrung mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Foto: Konrad Klein
Auffällig ist unter seinen Publikationen, dass zwischen den zahlreichen medizinwissenschaftlichen Studien ab den 1980er Jahren immer wieder wie ein Fremdkörper „Beiträge zum Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Deutschen“ auftaucht. Was hatte es damit auf sich? Der Vater von Hermann A. Hienz, der Hermannstädter Seminarprofessor Hienz, hatte auf der Grundlage seiner Bibliographie zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen, bekannt als „Die Bücherkunde“ oder kurz „Der Hienz“, eine Fortführung des Mitte des 19. Jahrhunderts begonnenen „Schriftsteller-Lexikons“ vorzubereiten. Dessen erste drei Bände von Joseph Trausch waren 1868-1871 erschienen, der vierte von Friedrich Schuller 1902. Es war schon damals das grundlegende Nachschlagewerk zu den Biographien all jener, die in Siebenbürgen in deutscher Sprache schrieben, keinesfalls nur Literaten nach heutigem Verständnis, sondern der Schreibenden schlechthin. Leider war es Hienz sen. nicht vergönnt, seine umfänglichen und gegenüber dem ursprünglichen Konzept deutlich erweiterten Sammlungen zu veröffentlichen, der Zweite Weltkrieg und seine Folgen machten dies völlig unmöglich. Erst 1976 war es dem Sohn „auf abenteuerliche Weise“, wie er schreibt, möglich, das handschriftliche Werk seines Vaters aus Siebenbürgen herauszuholen. Er konnte sich daran machen, das Vermächtnis des inzwischen Verstorbenen umzusetzen und an die Publikation der Folgebände zu gehen. Dazu musste sehr viel Material nachgearbeitet werden (alle Ergänzungen ab den 1940er Jahren) und auch weitere Autoren (bis zum Geburtsjahr 1915) waren neu zu erschließen. Ab 1980 erschienen die ersten Lieferungen zu Band V des Lexikons als Beilage zur Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, doch musste dieses Vorhaben 1985 vor allem aus Finanzgründen eingestellt werden. In den Jahren 1980 bis 1986 gehörte Hienz auch dem Vorstand des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde an.

Als Hienz 1991 pensioniert wurde und es ihm möglich war, durch die Intensivierung der Arbeiten am Schriftsteller-Lexikon seinen Ruhestand zu einem Unruhestand zu machen, und als auch Druckkostenzuschüsse zu erlangen waren, konnte die Fortführung des Projekts beherzt angegangen werden. Hienz schrieb unzählige Autoren und deren Nachkommen an, er wertete sämtliche Periodika aus, war in nahezu täglichem Kontakt mit der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim – eigentlich war er über Jahre ein hauptamtlicher auswärtiger Mitarbeiter des Siebenbürgens-Instituts, natürlich alles im Ehrenamt. Zwischen 1995 (Buchstaben A-C) und 2004 (Buchstaben M-P) konnte Hienz so fünf Bände herausbringen, die Ergänzungen zu 358 Autoren der ersten vier Bände sowie 346 neu aufgenommene Autoren enthielten – nun unter dem ergänzten Untertitel „Bio-Bibliographisches Handbuch für Wissenschaft, Dichtung und Publizistik“. Mit achtzig Jahren wollte Hienz die Arbeiten ­jedoch in jüngere Hände legen und arbeitete seine und zumal seines Vaters Vorarbeiten für die verbliebenen Bände noch auf. So konnte Hienz 2012 immerhin noch das Erscheinen von Band X (Buchstaben Q, R-Sch) erleben – und gerade war im April wieder ein Aufruf zur Mitarbeit am Folgeband erschienen, als uns die traurige Nachricht vom Ableben des jahrzehntelangen Spiritus rector dieses Langzeitvorhabens erreichte. Denn seinen Nachfolgern geht es nicht anders als ihm: Beruf und Alltag lassen für ein Großprojekt dieser Art nebenbei nur wenig Spielraum, und die auch von ihm immer wieder erflehte auswärtige Zuarbeit ist auch heute bis auf wenige Ausnahmen nicht vorhanden. Doch der Name von Hermann A. Hienz und sein Andenken werden mit dem Schriftsteller-Lexikon auf Dauer weiterleben, nicht nur durch den Abschluss des Vorhabens in den kommenden Jahren, sondern auch durch die unverzichtbare Nutzung all jener, die sich mit Siebenbürgen, seiner Geschichte und Landeskunde befassen.

Harald Roth



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Schlagwörter: Nachruf, Hienz, Kulturpreisträger, Bibliothek, Gundelsheim

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