24. Juni 2018

Abzeichen sächsischer Vereine aus Siebenbürgen

Zwei Brüche kennzeichneten das Leben der sächsischen Gemeinschaften aus Siebenbürgen im 20. Jahrhundert: der Verlust der traditionellen Gruppenorganisation nach dem „Zusammenbruch“ 1944 und durch die kommunistische Diktatur sowie der weitgehende Verlust der geographischen Heimat durch den Massenexodus nach dem Sturz des Diktators Ceaușescu. Davor hatten die Sachsen ein wohlorganisiertes Gemeinwesen aufgebaut, das es ihnen ermöglichte, vielen äußeren und inneren Feinden zu trotzen.
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden allenthalben, in Städten und auf dem Dorfe, Vereine gegründet. Während die einen sich der Pflege von Kunst, Sport, Jagd oder der Geselligkeit widmeten, wie Musikvereine, Turnvereine, Radsportvereine etc., übernahmen andere wichtige Aufgaben für das Gemeinwohl, wie die Freiwilligen Feuerwehren, Gewerbe-Gehilfenvereine, Arbeiter-Bildungsvereine, Vereine von Gewerbetreibenden. Sie alle trugen dazu bei, dass Einzelne sich gezielt zum Wohle aller engagieren konnten. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwanden die Vereine meist „sang- und klanglos“ und man deckte ihre Existenz vielfach in furchtsamem Schweigen zu, in der nicht unbegründeten Befürchtung, dass die Mitglieder einer nun verbotenen Organisation Verfolgungen ausgesetzt sein könnten. Die Erinnerung an manche Tradition wurde dadurch verschüttet oder ging ganz verloren. Nach 1990 ist es wieder möglich, über das Vergessene und teilweise verloren Geglaubte zu sprechen. Es ist sogar erwünscht oder dringend geboten, alles zu sammeln und aufzuschreiben, um es für kommende Generationen zu bewahren. Viele Landsleute, ob sie nun in Siebenbürgen wohnen oder in der „Diaspora“ leben, haben das erkannt und engagieren sich vorbildlich. Unerwartete Unterstützung erfahren sie von ebenso begeisterten Rumänen, die den Weggang ihrer sächsischen Nachbarn und den damit verbundenen Verlust an kultureller Vielfalt bedauern. Forscher und Sammler aus Siebenbürgen widmen sich zunehmend sächsischen Themen.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel solcher Sammlerlust fand jüngst seinen Niederschlag in dem zweisprachigen „Catalog cu insignele asociațiilor săsești din Transilvania – Katalog der Abzeichen sächsischer Vereine in Siebenbürgen“, den der Kronstädter Sammler Radu Pavel Bart kürzlich als Privatdruck vorgelegt hat. Auf 82 Seiten stellt er Stücke aus seiner eigenen Sammlung sowie aus zahlreichen anderen Sammlungen, die ihm zugänglich waren, in guten Farbfotografien vor.
Es ist zunächst eine wahre Augenweide, die vielfältigen, sich in Material, Gestaltung, Farbe unterscheidenden Stücke auf sich wirken zu lassen. Bei näherem Hinsehen erkennt der staunende Leser, wie zahlreich die sächsischen Vereine waren und mit wie viel Phantasie sie ihre „Erkennungszeichen“ gestalteten. Neben Abzeichen zahlreicher bekannter Vereine finden sich auch „exotische“ Stücke, die etwa an den Gesangverein der Angestellten der Hermannstädter elektrischen Straßenbahn „Nachtigall“, den Hermannstädter Kinderschutzverein im Jahre 1909 oder an eine Christbescherung armer, nicht schulpflichtiger Kinder in Hermannstadt erinnern.

Der Katalog beginnt mit einem ersten Kapitel, das nicht ortsgebundene Abzeichen, etwa des Siebenbürgischen Karpatenvereins (SKV) und des Siebenbürgisch-sächsischen Lehrertages, vorstellt sowie zahlreiche für den Hermannstädter Sammler Albert Haas personalisierte Stücke. Danach folgen die Abzeichen in alphabetischer Reihenfolge der Herkunftsorte. Zu jedem Abzeichen werden Angaben gemacht über die Größe, den Abbildungsmaßstab, das Material, aus dem es hergestellt wurde, auch werden die Abzeichen meist einem Sammler zugeordnet. Die bei weitem meisten Stücke stammen von Hermannstädter Vereinen, gefolgt von Kronstadt und in einigem Abstand von Agnetheln, Bistritz, Heltau, Mediasch, Mühlbach, Reps, Schäßburg, Sächsisch-Reen und Zeiden. Auch zahlreiche Dörfer sind mit Vereinsabzeichen vertreten, besonders aus dem Burzenland.

Radu Bart wurde in Hermannstadt geboren, wuchs in der Mühlgasse, in der Unterstadt auf, zusammen mit fünf sächsischen Kindern einer Nachbarsfamilie. Dort hat er einige Brocken Deutsch gelernt und sich, wie er erzählt, „der Kultur der Sachsen angenähert. Den vorliegenden Katalog sehe ich als ein Zeichen der Dankbarkeit für die guten Dinge, die ich von ihnen gelernt habe: Disziplin, Ordnung und Pünktlichkeit.“ Der Maschinenbauingenieur im Ruhestand lebt heute in Petersberg im Burzenland, in einem Haus, das im Jahre 1894 auch von Sachsen erbaut wurde. Er freut sich, zwei Kinder und drei Enkelkinder zu haben, die alle gut Deutsch sprechen. Radu Bart ist Sekretär der Kronstädter Filiale der Rumänischen Numismatischen Gesellschaft. Er sammelt nicht nur sächsische Vereinsabzeichen, sondern auch Medaillen, Ansichtskarten und Keramik. An diesem Katalog hat er drei Jahre lang gearbeitet und Teile davon schon bei nationalen und internationalen Tagungen vorgestellt.

Barts Arbeit verdient unserer Meinung nach höchste Anerkennung und mehr Aufmerksamkeit, als ihr in Siebenbürgen zuteilwurde. Aus Mangel an Fördermitteln hat Herr Bart nur einen Privatdruck herstellen können, dessen kleine Auflage (50 Stück) er selber finanzieren musste und sie vor allem Freunden und Sammlerkollegen zugedacht hat. Ein Exemplar liegt in der Siebenbürgischen Bibliothek zur Einsicht auf. Sollten sich einige Leser im Besonderen für den Katalog interessieren, können einige wenige Exemplare gegen eine Gebühr in Höhe der Druckkosten (11 Euro) plus Porto abgegeben werden. Schreiben Sie bitte an hansotto.drotloff[ät]mediasch.de.

Wir Siebenbürger Sachsen, die wir uns für die Bewahrung des Erbes unserer Väter einsetzten, sollten Herrn Barts Arbeit als eine erste Fassung einer Arbeit ansehen. Man könnte diesen Katalog erweitern, indem zu den Abzeichen jeweils in kurzen Stichworten etwas über den betreffenden Verein geschrieben wird – und es würde eine Art „Kompendium des sächsischen Vereinslebens“ entstehen. Ob das nicht eine Aufgabe ist, derer sich die jeweiligen Heimatortsgemeinschaften annehmen könnten oder sollten?

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Katalog, Vereine, Siebenbürgen, Abzeichen, Geschichte

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Neueste Kommentare

  • 24.06.2018, 11:32 Uhr von Melzer, Dietmar: Sehr schön, dass dieses schöne siebenbürgische Buch erschienen ist. [weiter]

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