23. November 2021

Modernistischer Tupfer in der Musiklandschaft Siebenbürgens

Der unermüdlichen Chemnitzerin Heidemarie T. Ambros, Gründerin der Konzertreihe Musica suprimata, ist in strengen Pandemiezeiten ein wahres Glanzstück gelungen: Auch wenn die geplanten Konzerte in Klausenburg dem Wüten des heimtückischen Virus zum Opfer fielen, so gelang es ihr, vom 15. bis 17. Oktober zwei Abendkonzerte und eine sonntägliche Matinee in Hermannstadt zustande zu bringen – ein wahres Wunder! Ein Schwerpunkt der Konzertreihe war Wolf von Aichelburg gewidmet.
Sie gestalteten „Musica Suprimata“ mit, von ...
Sie gestalteten „Musica Suprimata“ mit, von links: Ursula Trede-Boettcher, Gerhard von Hannenhein, Marianne Boettcher, Moritz Ernst und Irena Troupová.
So konnte am ersten Abend die tschechische Sängerin Irena Troupová ihren glasklaren, bis in die höchsten Tonlagen strahlend reinen Sopran ertönen lassen, am Flügel vom versierten Pianisten Ernst begleitet. Sie brachten zunächst Vertonungen Norbert von Hannenheims von Gedichten Rilkes und Dauthendays zu Gehör, teils elegische, teils heftig erumpierende musikalische Miniaturen, die an beide Interpreten höchste Ansprüche stellten.

Vom deutsch-böhmischen Komponisten Viktor Ullmann wurden Lieder aus seiner Schaffenszeit vor der KZ-Deportation (nach Gedichten von Albert Steffen) bzw. aus der Zeit der Internierung in Theresienstadt (das „Wendla“-Lied nach Frank Wedekind) intoniert, die paradoxerweise lebensbejahend, zuletzt zart aushauchend erklangen – war es ein musikalisches Sich-Hinwegträumen des Komponisten aus stacheldrahtbewehrter Reklusion?

Schließlich gab es noch vom heurigen Jahresregenten Alexander von Zemlinsky (150 Jahre seit seiner Geburt) verfasste Lied-Kompositionen auf Texte verschiedener Autoren mit derart ansprechenden Titeln wie „Abendkelch voll Sonnenlicht“ oder „Auf dem Meere meiner Seele“ zu hören, deren Interpretation vom Publikum heftig akklamiert wurde.

Für das Samstagabend-Konzert extra aus Berlin angereist waren die Vollblutmusikerinnen Marianne Boettcher (Violine) und Ursula Trede-Boettcher (Klavier), Professorinnen der Musikakademie mit einer regen solistischen Tätigkeit. Die beiden warteten mit einem bunten Programm auf: Nach einer Sonate des 22-jährigen Mozart waren zwei Sätze – vom schmerzlichen Lento bis zum lebhaften Allegro – von Griegs op. 13 und dann eine Premiere: Gabriel Iránys „2 Stücke für Solo-Violine“ zu hören. Von der aus dem amerikanischen Exil nach Berlin zurückgekehrten Ursula Mamlok kam das Stück „Wild Flowers“ für Solovioline zur Aufführung, von der frühverstorbenen, polnischen Geigerin und Komponistin Grazyna Bacewitz erklangen drei rhythmisch-schwärmerische polnische Tänze, deren anspruchsvolle Partitur die beiden Solistinnen mit der gleichen Bravour wie auch Béla Bartóks mitreißende „Vier rumänische Volkstänze“ aus dem Jahr 1917 meisterten.

Am selben Abend brachte der virtuose Moritz Ernst zunächst zwei äußerst schwierige Klaviersonaten Norbert von Hannenheims zu Gehör, gefolgt von der „Sonatina ritmica“op.5 des Wiener Schönbergschülers Hans Erich Apostel. Abschließend folgte Beethovens gewaltig ausgewalzte E-Dur-Sonate op. 109, bei der der Solist sein pianistisches Vermögen so richtig demonstrieren konnte. Dem aufkommenden Schlussapplaus zufolge schenkte Moritz Ernst dem Publikum noch eine Rameau-Zugabe.
Die Interpreten der Aichelburg-Hommage: Daniel ...
Die Interpreten der Aichelburg-Hommage: Daniel Plier, Ehrengard von Gemmingen, Kurt Thomas Ziegler, Marianne Boettcher, Ursula Trede-Boettcher.
Die Sonntag-Vorstellung war als eine Hommage an den Altösterreicher mit siebenbürgischem Lebenslauf Wolf von Aichelburg in Form einer literarisch-musikalischen Präsentation gedacht, um dem Multitalent gerecht zu werden, wobei Frau Ambros sich als Moderator der Matinee das Vorstandsmitglied der „Musicata suprimata“, Kurt Thomas Ziegler vorstellte, weil dieser sich der 30-jährigen väterlichen Freundschaft Aichelburgs erfreuen durfte und irgendwie als Kenner der Materie galt.

Zunächst sollte das ebenso berühmte wie populäre Beethovensche „Gassenhauertrio“ op. 11 in seiner Transkription für Violine, Violoncello und Klavier durch das sehr bekannte Boettcher-Trio, Ursula Trede-Boettcher, Marianne und Wolfgang Boettcher, interpretiert werden, doch verstarb Letzterer, ein eminenter Cellist der Berliner Philharmoniker der Karajan-Zeit, gänzlich unerwartet und musste durch seine ehemalige Schülerin Ehrengard von Gemmingen bei der Interpretation des Beethoven-Trios ersetzt werden.

Danach brachte der Moderator eine kurze, zweisprachige Zusammenfassung des Vormittagprogramms, der er eine, aufs Wichtigste eingehende Einführung in das turbulente Leben und die Gedanken- und Schaffenswelt Aichelburgs folgen ließ.

Daniel Plier, der Schauspieler und Direktor der deutschen Theaterabteilung Hermannstadts , war für die Rezitation der von Heidemarie Ambros aus den Lyrikbänden Aichelburgs ausgesuchten Gedichte zuständig, wobei die klassische Klarheit und Makellosigkeit dieser Verse sich mit der prägnanten Diktion des Berufsschauspielers Plier in einmaliger Harmonie verbanden. Dieses kam in zum Teil zweisprachig deklamierten Gedichten wie „Nachtfalter“, „Die Worte“, „Weißt du“, „Dorfturm“ und einigen anderen mehr zum Tragen.

Das Boettcher-von Gemmingen-Trio ließ danach, für sicher viele im Saal zum ersten Mal, das 1982 von Aichelburg in Freiburg komponierte polytonale Klaviertrio in drei Sätzen zur Aufführung kommen. Das Werk bietet eigenartig-schöne Klangsequenzen, einprägsame, doch gleich wieder abbrechende Themen, die im finalen langsamen Ausklingen sich im fast unhörbaren Pianissimo verlieren.

Der Moderator ergriff wieder das Wort und ging nun, im zweiten Teil, mehr auf die Werkstruktur und die Analyse der von der außergewöhnlichen Sensibilität ihres Autors gekennzeichneten Schöpfungen ein, auf die Vielfalt der kammermusikalischen und solistischen Kompositionen des autodidaktischen Komponisten und jene des abstrakten Malers mit „Linien und Farben“. Seine an Rilke, George und Trakl angelehnten Gedichte, seine auf die Antike zurückgreifenden dramatischen Werke, seine phantastischen Erzählungen, Märchen und hintergründigen Fabeln kreisen um menschliches Sein in Ausnahmesituationen. Sein Gesamtwerk aber stellt, dem Willen seines Schöpfers nach, einen Brückenschlag zwischen Tradition und Gegenwart dar. Es hat gewiss etwas Schicksalhaft – Zwangsläufiges an sich, dass Aichelburg in den windbewegten Wellen des von ihm so geliebten Mittelmeeres zu Tode kam. Sein Lebensmotto mag wohl seine Gedichtzeile gewesen sein: „Über ruhigem Grund durchsichtig leben.“

Daniel Plier trug dann noch einige Aichelburg-Gedichte vor, bevor das Boettcher-von Gemmingen-Trio die zündenden Rhythmen des Argentiniers Astor Piazzolla anschlugen. Diesem originellen Musiker gelang es auf Anraten seiner berühmten Pariser Lehrerin Nadja Boulanger, argentinische Tangos mit Jazz und der damals zeitgenössischen Musik eines Strawinsky und Bartók zu einer neuartigen musikalischen Sprache zu verschmelzen, gelegentlich aber auch auf den Barock zurückzugreifen, wie er es mit seinen, auf Vivaldi zurückgehenden „Vier Jahreszeiten“ tat, aus denen wir Tangos aus „Sommer“ und „Herbst“ zu hören bekamen.

Abschließend blieb es dem Moderator vorbehalten, dem Publikum für sein literarisch-musikalisches Verständnis und für den zu Recht den Ausführenden gespendeten Beifall Dank auszusprechen, aber auch der Seele all dieser Veranstaltungen, Heidemarie Ambros, zu danken, ohne deren hartnäckiges Einsetzen und monate- bis jahrelangen, hinter den Kulissen stattfindenden Bemühungen diese drei kulturgesättigten Tage nicht hätten stattfinden können und die uns hoffentlich noch so manches schöne Musikerlebnis in Zukunft bescheren wird. Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Konzertreihe, Musik, Hermannstadt, Aichelburg

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